Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 11, 1892, Page 6, Image 6

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    6 Sva« Vtl» dt» v«rr»«chio»
In der Berliner Gemäldegalerie,
gleich am Eingang zu dem großen ita
lienischen Saal, hängt dos Bild eines
jungen Mädchens in Bruststück. Be
zeichnet ist es als aus der Werkstatt deS
Andrea Verrocchio, nachdem es noch bis
vor wenigen Jahren als ein Werk des
Francesco Granacci galt. Ausgestellt
«st dieie neue Annahme durch den vor
trefflichen Kenner Wilhelm Bode. Als
«in Werkstattsbild und nicht als ein
eigenhändiges Werk deS Meisters will
er eS deshalb nur gelten lassen, weil
«ine gewisse Einfachheit in der Auffas
sung und Behandlung nicht ganz dem
sonstigen Wesen Berrocchios entspricht.
Merkwürdig ist das Bild vor Allem
durch zwei Inschriften... .die eine aus
der Vorderseite lautet: >'c>li ms tan
«rvi-s, „Rühr' mich nicht an!" und die
andere auf der Rückseite, diese heißt:
.Es geschah, wie Gott wollte. Es wird
geschehen, wie Gott will. Aus Furcht
vor Schande und einzig aus dem Triebe
nach Ehre beweine ich, was ich einst be
gehrte und was ich dann besaß." In
mitten dieser Schrift befindet sich ein
ausa.'kratzics Wappen.
Neiner Forschung ist es gelungen, die
beschichte dieses Bildes und des Schick
sals, von dem es Kunde gibt, zu erhal
ten. W>e ein Räthsel, so blickt das
« Antlitz des Mädchens darein. Ein wei
ßer Schnürleib mit rothen Aerineln
umgibt den zarten Leib. Um den schlan
ken, seinen Hals windet sich eine rothe
i! orallenschnur mit einem ebensolchen
Kreuz, das Brillanten und Perlen ver
zieren. Auf dem goldblonden Haar,
das nach der Art der vornehmen Flo
?entinerinnen in der Mitte gescheitelt ist
' und in langen Locken zu beiden Seiten
herabfällt, thront ein weißes Häubchen.
Wunderlieblich aber ist das Angesicht.
Unter seinen geschwungenen Brauen
blicken zwei dunkle Augen seltsam den
Beschauer an. Herb und spröde, dabei
voll Vornehmheit und Adel und doch
wieder init einer Art von Kindlichkeit
und Zutraulichkeit.
Ein eigenes, süßes und doch wehmü
thiges Geheimniß scheint das Antlitz .
And da dich »och Niemand enlräibselt
hat, so thue endlich selber deine rothen
Lippen aus und gieb dem Frager Kni.de
»o» deinem Loos, von de »ei» Schick
fal!
des JabreS Gleich einem gol
denen senkte sich im Westen die
Sonne zu dem Wasserspiegel des Arno
herab und wars ihre letzten Strahlen
auf das weiße Häusermeer der Stadt
Florenz.
Auch in einen Garten sch'en sie hinein.
Es war derGarien der Mediceer. Bux.
Mvrihen und Lorbeer, Erpressen, inn
Evken umkleidet, blühten im dunklen
Grün. Um weißschlmmernde Marmor
säulen rankte sich das hellere Weinlaub,
breitlrouige Eichen breiteten darüber ih
ren Schaden, versteckt zwischen dem
flachwivseligen Maulbeerbaumund dem
von goldenen Früchten blintendenßaum
der Orange rannen murmelnde Bäche.
Die kostbarsten von allen Schätzen aber
waren die weißen Marmorleiber, die an
rigcm Skbla>e in der Erde waren sie zu
neuem Leben erwacht. Die alten Göt
ter waren wieder auserstanden.
Am Ende des GartenS leuchtete sin
weißes Haus. Das war der Palast
der Mediceer. Eine Marmorireppe
führte zu ihm hinaus. Sie endete in
eine offene Halle, die reich mit Gemäl
den und mit Bildsäulen geschmückt war,
und zu welcher der Dust des Gartens
in vollem Strome hereinfloß.
An diesem Abend saß in der Halle
eine fröhliche, beinahe ausgelassene Ge
sellschaft von Männern zusammen. Es
waren die erlauchten Vertreten der aus
gehenden italienischen Poesie.
Eine goldene Prachtkanne stand ans
dem Tisch und reichlich kreiste der Be
cher. Einer von ihnen, ein noch jun
ger Mann von seiner,zierlicher Gewalt,
mit zartem, sast srauenhafteni Antlitz
verlas ans einem Pergament mit ernst
haster Stimme ein Gedicht, und mit
lautem La'chen hörte ihm die Gesellschaft
zu. Es war darin von einem Riesen
die Rede, Namens Morgante, der mit
einem Glockenschwengel bewaffnet, die
wunderlichen Thaten verrichtete.
Auch Kaiser Karl und seine Pala
dine traten aus; in seltsamem Gegen
satze aber zu diesen Helden stand die
Art, in der sie redeten, denn sie sprachen
wie das niedrigste Florentiner Volk
und ergingen sich dabei über die heilig
sten Dinge, über die Jungsrau und über
die Dreieinigkeit, sowie über das We
sen des Staates und der Familie in
frechem Spott. Groß aber war die
Kunst an dem Gedicht, denn sie athmete
das Leben und die Freiheit und die
hinreißende Krast des Genius. Endlich
schloß der Vorleser, und lauter Beisall
belohnte ihn.
„Beim Apollo", rief Lorenzo die
Medici, den man den Prächtigen nannte,
au»: „was fagt Ihr, meine theuren
Freunde, zu unserem Luigi? Wird die
ser Riefe Morgante ihn nicht mit sei
nem erzenen Glockenschwengel in tau
send Stücke zertrümmern? Nicht der
fchnöde Neid aber soll unS darum er
fassen. In Ehrfurcht beugen wir uns
vor dem Genius, und hier diesen Kranz
von blühenden Rosen ihm aus das
lockige Haupt!" Lorenzo ergriff den
Kranz von blühenden Rosen und drückte
ihn dem Dichter aus das Haupt.
Lorenzo war ein junger Mann von
«icrundzwanzig Jahren. Er war von
schlanker und kräftiger Gestalt, die ein
WammS von purpurnem Sammet, mit
grauem Pelzwerke ausgefüttert, um
schloß. Sein Angesicht, von lang her
abwallenden fchwarzen Locken umgeben,
war starkknochig und tiefgebräunt. Un
ter der mächtigen Stirn, in tiefen Höh
len lagernd, blitzten zwei schwarze Au
gen hervor. Geist, Anmuth und Lie
benswürdigkeit, aber auch zugleich die
Lust am unbegrenzten Genuß lagerten
auf diesem Antlitz.
An demselben Tisch saß noch ein
Mann, in Ernst nnd Nachdenken, ver
sunken, der an der lauten Heiterkeit der
Anderen keinen Antheil nahm. Er war
von mittlerem Alter, und der eherne
Ausdruck in seinem Gesicht verrieth den
Mann der That. Da fiel LorenzoS
Auge auf ihn, und er hob an:
„Ei, sieh da! Der Getreueste der
Treuen! Tommaso Soderini! Warum
so ernst und nachdenklich? Sag' uns
Deine Meinung über die Dichtung
LuigiS, die Dich gewiß beschädigt".
„Mein Fürst", entgegnete Soderini,
„ich bin ein gerader Mann, und nun
Du mir zu reden befiehlst, so laß auch
meine Rede gerade sein. So wie
Luigi in seinem Gedichte uuser Christen
thum und alle? Andere, was sonst dem
Volke heilig »var, verspottet, so spottei
heute ganz Florenz, voran Dein eigener
Hos und Du selbst, mein Fürst, der
Heiligtbümer, die uns theuer sollten
sein. Ist es nicht, als ob mit diesen
schönen weißen Marmorbildern, die
nun Deine Gärten und Deine Paläste
schmücken, und mit dem Heidcnthuni,
das sie verkörpern, das Heideuthuin
auch selber seinen Einzug darin gehal
ten hätte? DaS ist der Unglaube und
die Leichtsertigkeit und die Schwelgerei.
Geschwunden »st d'.e strenge Zucht der
Väter, uud nur mit einem halb verächt
lichen, halb mitl-idigen Lächeln blickt
das klug und witzig und scharssinnig
gewordene Florenz aus die alten Tu
genden hin. Alle Sitte ist dahin! Kei
nem Gotte dient es mehr; nur noch
einer Göttin, das ist die Liebesgöttin,
die Göttin Aphrodite!"
Mehr verlegen als unwillig hörte
Lorenzo die strafende Rede des Treuen
an. Als er den Namen Aphroditens
aber nannte, da sprang Luigi aus und
r-.ef:
Lästere uns Aphrodite nicht! Ha,
begreift Ihr nun, Freunde, warum er
unS schmäht? Ihm ist sie abhold, die
himmlische Göttin! Uns aber ist sie
freundlich gennnt. Zum Teusel mit
Deiner sanertöpfischen Tugend, sasse das
Heute keck und vertrau gläubig dem
Morgen, Lorenzo, Du auserlesenes
Götterkind, Du Liebling aller Frauen,
unsere Becher der Aphrodite!"
Glübend vor Lust, stieß Luigi mit
dem fürstlichen Freunde an, und jauch
zend ries Lorenzo: „Der Aphrodite!"
„Oho", lachte Luigi, „wie Tu das
jauchzest, Loren-o! Gestehe, Dein Herz
hat sich eine neue Königin erwählt."
Stürmisch erhoben nun auch die An
deren ihren Ruf. Lorenzo lächelte.
„Warum auch soll ich's Euch verhehlen,
Freunde?" sprac» er, „ja, ich habe
wieder ein Liebchen gefunden!"
„Erzählen, erzählen!" ries die ganze
Schaar.
In diesem Augenblick wurde im
Garten die Gestalt eines Mannes sicht
bar. Lanzsqm kam er des Weges da
her. Er war von mittelgroßer nnd
sehr kräftiger, untersetzter Gestalt, die
der lange, bis zu de» Knöcheln herab
wallende schwarze Mantel verhüllte.
Auf dem Kopf trug er eine schwarze
Mütze, unter der in dichten Locken daS
braune Haar heroorqnoll. Sein An
gesicht, das der Schönheit entbehrte,
war ernst, rauh und gedrungen. Er
mochte erst achtunddreißig Jahre alt
sein, dennoch lagerten sich schon Falten
ans seiner Stirn und bekundeten, saß er
ein Leben voll Arbeit und Mühe ge
führt hatte.
„Seht. Freunde." rief Lorenzo und
winkte dein Angekommenen seinen Gruß
zu, „einen seltenen Gast! Es ist
Andrea."
Andrea Berrocchia hieß dieser Mann.
Einst ein Handwerker, ein Goldarbei
ter, Holzschneider und zugleich Musiker,
hatte er sich alsdann in unermüdlichem
Streben der Baukunst und der Bild
hauerei zugewandt.
Ganz Florenz war begeistert von sei
nen Marmorwerken und nannte den
Namen als den eines Meisters unter
den Großen. Er selbst aber blieb ernst
und still in seiner Werkstatt, und nur
selten nable er dem rauschenden Hofe
feines fürstlichen Beschützers. Gern
bälte Florenz» gesehen, daß sich der
Meister, da er ja die Zeichenkunst völlig
beherrschte, sich auch der Maleirei zu
wendete. Noch aber hatte Andrea kei
nen Pinsel angerührt, und vergeblich
waren die Mahnungen Lorenzos an ihm
ergangen.
' „Willkommen. Andrea!" rief ihm Lo
renzo entgegen. „Seit ganzen drei
Woche» läßt Du uns schon nach Deinem
kerkert in Deiner Werkstatt! Was
giebt es Neues darin? Bor Allem,
Andrea, wann werden wir Dein erstes
Bild zu sehen bekommen?"
„Sobald mein Herz mich dazu trei
ben wird, mein Fürst," erwiderte An
drea, „nicht mit der Hand schafft doch
der Künstler, nein, mit dem Herzen!
Auch Du, mein Fürst, machst mir Lie
der, wenn sie ans dem tiefsten Innern
Deiner Brust strömen."
„Besonders wenn Du die Liebe be
singst. nicht wahr, Lorenzo?" warf
Luizi ein, „und da wir von der Liebe
wieder sprechen, nun endlich zu Deiner
Erzählung!"
Lauter Zurus drang auf Lorenzo ein.
Endlich ließen sich Alle am Tische wie
der nieder, auch Andrea setzte sich und
Lorenzo begann
„Bevor ich Euch meine Geschichte er
zähle, verlange ich von Euch das Ver
sprechen, daß Ihr den Namen der
Dame nichj von mir sordern wollt, denn
sie gehört zu den edelsten slorentinischen,
Geschlechtern, und Ihr werdet meine
Rücksicht begreifen. Wollt Ihr mir
das versprechen?"
Alle versprachen eS und Lorenzo fuhr
fort: «
.„Es war im letzten Monat März,
uns ich befand mich zu Poggio a Ca
>ano in meinem lieben Landhause. Da
streifte ich eines sonnigen Morgens am
waldigen User des Ombrone enllang.
und plötzlich sah mein Auge das hol
deste Wunder. Dicht an dem User,
Mischen hohen Tannen, Kastanien und
Strauchwerk versteckt, stand eine kleine
Kapelle, der Jungsrau geweiht. Drin-
nen am Altar kniete ein Mädchen und
betete leise: so versunken war sie in
ihre Andacht, daß sie mein Nahen nicht
gewahrte. Verborgen hinter einem
Baum, beobachtete ich sie. Es war
daS lieblichste, süßeste Antlitz, das ich
jemals gesehen. In goldenen Locken
floß ihr daS Haar aus den zarten, wei
ßen Nacken herab, und wie von Mar
mor gemeißelt, so seil? waren die Fin
ger, die sich zum Gebet >n einander
verschlangen.
Endlich erhob sie fich, und nun
wurde sie meiner gewahr. Stolz und
vornehm sah sie mich an; anch ihre
Kleider verriethen, daß sie kein Land
mädchen, sondern von Stande war,
und ihre braunen Augen schienen zu
fragen: Wer bist Du. daß Du mich an
zureden wagst? Schon schickte ich mich
an, ihr meinen Namen zu nennen, da
fiel mir im rechten Augenblick ein, »vie
mißtönig dieser Name noch so mancheui
Ohr von unserem Adel klingt. Darum
wählte ich einen andern. Auf daß sie
ihre Verzeihung für den gehabten
Schrecken nicht einem Unbekannten ange
deihen lassen möge, sprach »ch, so möge
sie mir vergönnen, mich ihr zu nennen.
Ich wäre aus Bologna und aus dem
Geschlechte der Fantuzzi. Nun befände
ich mich in der nahen Villa des Lorenzo
zu Gast.
Ein Spaziergang hätte mich hierher
zur Kapelle geführt, »1 der ich zuerst
voll Staunen und stummer Bewunde
rung einen Engel zu erblicken vermeinte,
auch hätte ich mich, sügte ich artig hinzu,
in dieser Vermuthung wohl nicht ge
täuscht, wenn ich auch sähe, daß es ein
Engel ohne Flügel und einer von irdi
scher Abkunft sei. So sprach ich und
scherzte, und als ich ihr den klanglosen
Namen der Fantuzzi nannte, schwand
der Hochmuth aus ihrem Antlitz. Nur
als ich meinen eigenen Namen aussprach,
ging eine Bewegung über ihr Gesicht,
und ich merkte, ich hatte mich über ihre
Abneigung gegen denselben nicht ge
tänscht. Be> der kleinen Artigkeit, die
ich ihr sagte, lächelte sie wie ein Kind,
dem man etwas Schönes sagt.
Sie war die Tochter eines der Gen
tili, die unterhalb der Pistojeser Berge
aus den waldigen Hügeln in ihren
Landhäusern wohnen. Ihr Vater, ein
Anhänger und Freund der Pazzi, grollt
der Herrschaft unseres Hauses und be
gräbt sich darnrn in seiner Einsamkeit.
An sich sesselt er sein Kind, sein einzi
ges, und nicht mit einer Sohle läßt er
es Florenz, die Stadt seines Hasses,
betreten. Um dem Mädchen die Abge
schiedenheit erträglich zn machen, er
laubte ihm der Vater, da die Gegend
völlig sicher »st, umherzuftreicheu ans
Flur und Feld. Er litt an einer
Wunde, die er unter dem Banner Vis
centis empfing, und wenn sie ihn gar
zu sehr quälte, so ging mein Goldchen
zur Kapelle uud betete dort für ihn.
Am nächsten Tage sahen wir uns
wieder und alle Tage nun. In klöster
liche Einsamkeit war ihre Jugend ver
schlossen gewesen, und doch schimmerte
in ih»en Augen der Wunsch nach Leben
und Genuß. Nach Liebe dürstete ihr
ganzer Sinn, und im grünen WaldeS
dickicht, am rauschenden Bach, haben
meine Lippen zum ersten Male auf den
ihren gebrannt.
„Und aller Stolz aus ihr Geschlecht,"
sprach Poliziano, „sank dahin vor Dei
ner LiebeSgluth?"
Lorenzo lächelte. „Wozu hat uns
die Naiur die süße Beredsamkeit ver
liehen? Vergiß doch auch nicht! Nicht
als Lorenzo von Medici, der Geivahl
der Clarissa d'Orsini, bin ich ihr ge
naht, sondern als der Ritter gantuzz».
Der aber ist noch unvermählt und kennt
kein holderes Glück, als sein Liebchen
dereinst in den Palast seiner Väter auch
ehelich heimzusühren!"
Alle lachten. Solderini erhob sich
von seinem Sitz, und mit ernstem, bei
nahe strengem Tone sprach er- „Wenn
ich Dich recht verstehe, mein Fürst, so
hast Du das Mädchen in den Glauben
versetzt, Du werbest Dich »hr ver
mählen?"
Um Lorenzos Lippen aber zuckte der
Spott bei der Antwort: „Für sein sün
diges Gewissen hal Lorenzo seinen
Beichtvater."
Solderini erwiederte nichts. Ein fin
sterer Kummer aber glitt über fein Ge
sicht, und eine Stille trat plötzlich an dein
Tische ein.
Es war wie eine Verstimmung, die
)u:ch die Erzählung hervorgerufen
var.
Da erschien der Diener und mel
sete, daß die Abendmahlzeit angerichtet
fei.
Lorenzo ging voraus, die Anderen
folgte» ihm und als der Letzte Solde'
:in>. An der Thür aber blieb Salderinif
stehen, sein Blick glitt in vie Ecke , dort
stand noch ein Anderer. Es war An
drea. Sein Antlitz war bleich wie das
iines Todten.
„Meister Andrea," sprach Solderini,
..was ist Euch? Ihr seid bleich wie ein
Todter, seid Ihr nicht wohl?"
„O, ganz wohl," entgegnete Andrea
ünd gab sich Mühe, zu lächeln.
Argwöhnisch sah Solderini den Mei
ster an. Dann klopste er »hin auf d»e
Schulter und sagte:
„Kommt. Andrea, damit Ihr kein
Aussehen erregt. Das sind Zeiten, Mei
ster, Zeiten, Zeiten, Zeiten!"
Soloerini ergriff Andreas Arm.
Durch den Garten sluthete das letzte
rothe Gold der Sonne, und beide Man.
'er schritten durch die Thür.
» * »
Unterhalb der Pistojeser Berge, aus
einem Hügel, am Fuße eines steilen Ab
hangs stand ein Landhaus, dem die vier
Thürme fast das Aussehen einer Burg
verliehen.
In einem reichen Gemache dieses
Hauses, am Fenster de» Erkers, saß aus
hohem Stuhle ein Greis mit weißem
Haar und weißem Bart. Den rechten
Arm trug er in einer schwarzen Binde.
Neben ihm saß ein junges Mädchen von
großer Schönheit und mit langen golde
nen Locken, die ihr bis aus den weißeiz
Nacken fielen. Sie war mit einer Zeich
nung beschäftigt und emsig führte sie
den Stist. Die Zeichnung stellte eine
Landschaft vor mit einer Baumgruppe
im Bordergrunde, unter welcher ein
Liebespaar saß.
Die Augen des GreiseS hingen an
seinem Kinde.
„Giovannetta", sprach er, „Du bist
bleich. Auch ist Dein Wesen seit einigen
Wochen seltsam verändert. Was ist
Dir. mein Kind?"
Giovannetta beugte sich noch tieser
über das Blatt; aber ein rother Purpur
°ärbte ihren Nacken.
„Nichts, Vater", sagte sie leise.
„Doch, mein Kind", erwiederte der
Greis, „Dn täuschest mich nicht. Sprich,
was ist es?"
„So wird es der Frühling sein. Va
ter," entgegnete Giovannetta, „der mit
feuchten Düften aus dem Thale empor
steigt."
Der Greis schüttelte langsam da»
Haupt.
Da klangen Schritte.
„Verrocchio," ries Giovannetta und
stthr von ihrem Sitze auf. Die Stille,
die lastend das Geinach beherrschte, war
vorüber.
ES war der Meister.
R„lhr habt uns warten lassen, An
drea," sprach der Graf.
Verroechio erwiederte, daß ihn Ge
schäfte ausgehalten hätten. Gleichzeitig
mit Verrocchio war ein Diener eiuge
treten und Grafen, daß im
Hofe ein Pferdehändler stünde mit zwei
neapolitanischen Wallachen, die er an
geblich im Austroge des Grasen diesem
vorzuzeigen wünschte.
In der That erwartete der Graf die
beiden Thiere, er hatte den Händler be
stellt.
„Ihr entschuldigt mich wohl, Meister
Andrea," sagte der Greis, „ich will die
Thiere prüsen, und wenn ich mich ver
späten sollte, so nehmt nur an, daß ich
trotz dieses Arms wieder einmal im
Sattel sitze. Bevor Ihr aber gehl, sag'
ich Euch noch Lebewohl."
Der Gras ging mit dem Diener hin
aus, und Verrocchio und Giovannetta
blieben allein im Gemache zurück.
„Nun, Meister," hob Giovannetta an,
„wenn es Euch gesällt, so beginnen wir
gleich. O, ich bin fleißig gewesen. DaS
Bild.,ist beinahe vollendet, auch die Ge
stalten. die bisher in dem Bilde noch
sehlten. Da ist es! Nun geht mit mir
in's Gericht!"
Der Meister trat an den Tisch, und
Giovannetta reichte ihm das Blatt.
Noch immer lag das Frohgesühl aus
seinem Angesicht, und mit heiterem
Auge betrachtete er das Werk. Plötzlich
stutzte er, und sein Blick heftete sich an
die untere Fläche des Bildes. Dort faß
das Liebespaar, das Mädchen das Ant
litz gesenkt, sodaß es nicht sichtbar war;
der Jüngling, eine schlanke kraftvolle
Gestalt mit langberabwallendem, gelock
tem Haar.
Wieder war das Angesicht Verroc
chio'S, als er aussah, fahl wie de»
Tod.
„Was ist Euch?" fuhr Giovanetta
erschrocken anf.
„Ist Euch dieser Jüngling, dessen
Kops Ihr hier gezeichnet habt, be
kannt?" sragte Verrocchio mit tonloser
Stimme.
Mit großen Augen blickte Giovan
netta den Meister an. Plötzlich zog
ein glühendes Roth über ihre Wangen,
und verlegen sah sie zu Boden.
„Ihr'kennt ihn auch?" sprach sie
zitternd und leise.
Mit hvchgeschwungener geballter
Faust schlug Verrocchia voll Heftigkeit
aus den Tisch.
„Mein Gott," ries Giovannetta,
„was ist es mit ihm? Redet!"
Verrocchia aber bereute schon seine
Heftigkeit.
„Fraget mich nicht, Fräulein,"
sprach er verwirrt, „nein, ich kenne ihn
nicht. Nichts weiß ich von ihm. nicht
das Geringste! 'Nur eine Aehnlichkeit
mit einem Anderen! Ich versichere
Euch!"
Giovannetta aber stürzte vor ihm
nieder und umklammerte feine Kniee.
„Erbarmen," schrie sie, „Erbarmen!
Seht Ihr denn nicht, daß Euer Schwei
gen mich tödtet?"
„Steht auf," rief er.
„Nicht eher, als bis Ihr mir die
Wahrheit gefagt habt. Ja, villeicht
rettet sie mich »och!"
In hartem Kampfe rang Verroc
chio. Glovannetta aber flehte zu ihm
mit Thränen in den Augen. Endlich
sprach er:
„Nun wohl! Vielleicht habt Ihr
Recht, und die Wahrheit ist auch dies
mal wieder das Beste! An den Tag
muß sie ja doch, und daß ich Euch no«
rette, gebe Gott! Erst aber steht aus!"
Giovannetta erhob sich, und athemloS
hing sie an seinem Munde.
„Wer dieser Jüngling ist, habt Ihr
mich gefragt," sprach Verrocchio, „wie
nannte er sich Euch ?"
„Domenico Fantuzzi au» Bologna."
oersetzte Giovannetta.
»So hat er Euch belogen! Damit
Ihr wißt, und damit Ihr es ihm.
wenn er Euch wieder naht, in's Antlitz
rufen könnt: es ist der Mann, den
Huer Vater vor allen Anderen haßt,
der Mann, der mächtigste jetzt in Flo
renz, Lorenzovo n Medici!"
Wie von dem Stich eines Dolche» ge
troffen, zuckte Giovannetta zusammen,
und alles Blut entwich ihren Wangen.
Keinen Laut gab sie von sich. Mit bei
den Händen umklammerte sie die Lehne
eines Stuhls und mit geisterhaften An
gen blickte sie Verrocchio an.
„Ist er vermählt?" sragte sie nach
einer Weile.
„Clarissa von Orsini ist seine Gat
tin-, erwiederte Verrocchi.
Ein Beden ging über ihren Leib, ihr«
Lippen werden weiß wie Schnee, sie
wankte, und kraftlos sank sie aus den
Teppich.
„Giovannetta!" rief Verrocchio laut
auf und stürzte auf sie zu. Sie aber
streckte ihm abwehrend die Hand entge
gen, und als wollte sie ihn vor der Be
rührung vor etwas Unheiligcm bewah
ren, sprach sie:
.Rühr' mich nicht anl"
Dann entsank ihr die Hand und «ine
Ohnmacht breitete sich über sie aus.
» »
Der Frühling war vergangen, unl
der goldene Herbst in'S Land gekehrt.
Wiedee ruhte Florenz weißschimmernd
im Sonnenschein. In seiner Werkstatt,
abseits von den Gehilsen und durch eine
Wand von ihnen getrennt, saß Andrea.
Vor ihm aus einer Staffelei stand ein
kleines Bild. Es war ein Mädchen
tops. Die Farben waren noch feucht.
DaS Bild war in Tem»era gemalt.
Nur die KorallenketW, die an dem Halse
des Mädchens schimmerte, sowie das
Mieder um den zarten Leib, wies durch
die Tiefe und die Durchsichtigkeit ihrer
Färbung auf die Anwendung des neuen
Verfahrens, daS Antonelli von M?>-
sina soeben aus Flandern über die Al
pen gebracht hatte, die Anwendung des
OelS.
In großen, goldenen Buchstaben
stand eine Inschrift am Fuße des Bil
des. Sie lautete: „Rühr' mich nicht
an!"
Keine aber meldete den Namen des
Mädchens. Nur ein Wappen, auf die
Rückseite des Bildes gemalt, gab Kunde
von ihrem hohen Geschlecht. Um dieses
Wappen fchlang sich 'eine zweite In
schrist.
Still ruhten des Meisters Augen
auf dem Bilde. Wehmuth und Trauer
lagen in ihnen.
Dann griff er in sein Wamins. Ein
zerknittertes und zerleseues Briesleiii
zog er hervor. Er las es.
Es waren die seinen Züge einei
Frauenhand. Die Worte aber laute
ten:
Meister! Wenn Ihr diese Zeilen
erhaltet, so haben mich die Mauern des
Klosters begraben. Heiß habe ich ihn
geliebt, vom ersten Male an, als ick
ihn sah. Ich war ein unwissendes Kind,
er aber hat mich mit einem Zauber um
fangen. Es geschah, wie Gott wollte.
Es wird geschehen, wie Gott will. Aus
Furcht vor Schande und einzig aus
dem Trieb nach Ehre beweine ich, was
ich einst begehrte, und was ich dann be
saß. Giovannetta."
Eine Thräne glitt aus feinem Aug«
anf das Blatt. Dann barg er es wie
der an seiner Brust.
Leise öffnete sich die Thür. Lorenz,
erschien aus der Schwelle und leise unl
mit einem Lächeln trat er näher. Plötz
lich blieb er betroffen stehen.
„Es ist Dein erstes Bild, Andrea
Hat Dich Dein Herr dazu getrieben,
Andrea?"
Verrocchio schwieg.
Ein Schmetterling flattert: durä
das geöffnete Fenster und setzte sich ge
rade auf das Bild.
„Andrea!" sprach Lorenzo leise, „Dr
hast sie geliebt!"
Der Meister aber sah nicht aus, ei
blieb stumm. Lorenzo suhr fort:
„Lu wirst mir niemals vergeben!
Sprich! Nur ein einziges Wort!"
Da endlich hob der Meister seinen Bliö
und mit seierlicher Stimme sprach er:
„Es geschah, wie Gott wollte! Ei
wird geschehen, wie Gott will! Ick
habe Dir nichts zu vergeben!"
Kein Name nannte den Aater, keiner l a i
Mädchen. Nur das Wappen gab K und,
von ihrem Geschlecht. Da nahm de>
Meister ein Melier zur Hand und kratzt,
das Wappen aus. Nun konnte er i«
Frieden seine Augeq schließen, denn sein
Geheimniß ging mit ihm und mit Lo
renzo zur Gruft.
Memoire» eines «Senerala.
Der französische General Marbot er
zählt in feinen hinterlassenen Memoi
ren, deren Besprechung wir in der „Frkf.
Ztg." finden, solgenve ihm von Mar
schall Lannes selbst mitgetheilte Ge
schichte: „Als im Jahre 1809 der Erz
herzog Karl zum Heere reisen wollte,
wurde er plötzlich benachrichtigt, daß ein
Generalmajor, den er besonders schätzte,
von dem sranzösischen Gesandten, dem
General Andreossi, bestochen sei und mii
diesem geheime nächtliche Zusammen
künfte habe. Der Erzherzog hielt dies
trotz der genauen Angabe des Ortes der
Zusammenkunst in der Wiener Leopold
stadl für eine einfache Verleumdung und
bekümmerte fich nicht weiter um das Ge
rede. Derweil halte der französischi
Gesandte schon seine Pässe verlangt. Da
meldet man zum zweiten Male dem
Erzherzog, daß der General lange in
dem Cablnet, daß sämmtliche Kriegs
pläne enthielt, allein gearbeitet und in
der Nacht noch eine letzte Zusammen
kunst mit Andreosst haben werde. Mehr
um den widerlichen Verdacht los zu
werden, als um einen Verbrecher zu er
tappen, beschloß der Erzherzog, sich
selbst zu überzeugen. Er patrouillirte
also in der Nacht, blos von seinem Ad
jutanten begleitet und zur Unkenntlich
keit verkleidet, vor dem bezeichneten
Hause herum. Nicht lange brauchte»
sie zu warten. Sie erkannten den Ge
neralmajor, der in das Haus eingelassen
wurde, und ebenso den französischen
Gesandten, der ihm bald nachfolgte.
Auf eine desto längere Pr?b: wurde
jetzt ihre Geduld gestellt. Mehrere
Stunden dauerte die Unterhaltung;
als aber endlich die beiden Verschwörer
daS Haus verließen, sahen sie sich
lich dem Erzherzog Karl gegenüber, dW
ruhig und laut sagte: "Ijonsair, man
sisur I'»mb»ssac>«znr tls k'rsrios!"
Zu dem österreichischen General sprach
er kein Wort; er begnügte sich damit,
ihm mit der Laterne in'S Gesicht zu
leuchten. Aber der Adjutant konnte
nicht an sich halten, sondern rief:
„Elender Verräther, morgen noch wird
man Sie degradiren!" Der Gesandte
entwischte, ohne ein Wort zu sagen, der
General aber ging nach Hause und schoß
sich eine Kugel durch den Kopf. Er
hatte von Frankreich zwei Millionen
Francs erhalten, eine Summe, der.
wie eS scheint, auch mancher Kavalier
nicht widerstehen kann. In Oesterreich
selbst hat man nie etwas von diesem
Vorgang erfahren; es wurde mitge
theilt, daß der brave Generalmajor an
einem Schlaganfalle plötzlich verstor
! ben sei."
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Florida."
Noch Limmer stehen die Männer
de, Wissenschast vor den wunderbaren
Krastproductionen der jugendlichenMiß
Annit Abbott,genannt „der kleine Mag
net von Florida", wie vor einem un
auflöslichen Räthsel.
ES steht sest, daß bei ihren Produc
tionen kein Humbug obwalte», daß viel
mehr jene angebliche Krastdame, über
deren Entlarvung in PariS die Blätter
soviel Ausheben? machten, eine Betrü
gerin Namens Abbett und überhaupt
nicht mit der echten Miß Abbott iden
tisch ist. Die echte Krastdame hat über
haupt London bisher nicht verlassen.
Für ein Honorar von 6 200 (K100D)
producirt sie sich allabendlich im Londo
ner Aquarium vor einer Menge, die
nach Tausenden zählt.
Jüngstin erschien sie aus Einladung
des Prinzen von Wales vor einem Cir
ksl von Herren des höchsten Adels und
siegte, wie immer, mit ihre» aktiven oder
passiven Magneto elektrischen Kraftlei'
stungen.
Mi» Abbott als AntäuZ.
Dazu gehört unter Anderem, daß sie
sich fest auf den Boden stellt und zwei
oder drei Herren sich vergeblich anstren
gen, sie auch nur «inen Zoll vom Boden
zu heben. Sie äußert, daß nur dann
ihre Widerstandskraft eine geringere sei,
sobald sie auf einem Teppich stehe, der
ihre Fußsohlen vom Boden trenne.
Umgekehr hebt sie mehrere Personen mit
größter Leichtigkeit empor.
Aus einen großen Stuhl setzen sich zu
sammengepreßt, einander auf dem
Schoß und einer sich sest an den andern
klamniernd, sechs bis sieben Herren und
mit ihren ausgestreckten Fingern hebt
sie die neun oder zehn Zentner Gewich'
einen halben Fuß hoch vom Boden!
Noch mehr, ohne den Stuhl überhaupt
zu berühren!! Der Prinz von Wales
legte, um jeden Schwindel unmöglich zu
machen, eine Hand hinten auf die Rück
lehne des Sessels, nach welchem sie nur
die Fingerspitzen ausstreckte, ohne den
Sessel zn berühren, und siehe da! die er
hob sich, wie beschrieben, mit der großen
Last vom Boden, ohne daß sich bei der
Krastdame auch nur die geringste An
strengung >n Muskeln und Sehnen
spüren ließ. Der Prinz von Wales
schlug die Hände über dem Kopf zusam
men mit dem Ausruf: „DaS begreife,
wenn es möglich »st!"
Mib AbboltS eiserner Griff.
Eine andere allabendlich wiederholte
Kunftleistuiig tritt zu Tage, indem sie
ein langes Billardqueue fest in der
Mitte ergreift und ihr gegenüber eine
Reihe von sechs bis acht Männerhänden
das Gleiche thut, ohne daß eS diesen
bei den alltäglichen Proben derselben
Art auch nur ein einziges Mal gelun
gen wäre, die Dame, die zart und
schwächlich gebaut ist, auch nur vom
Fleck zu drängen.
Vergebliche» Bemühen!
Mit einem Stuhl führt sie ganz ge
nau dasselbe Kunststück au». Zu dem
einen Gegner, den wir aus unseren Bil
dern erblicken, kann man im Geiste gut
noch drei oder vier hinzudenken, da in
der That sie stet» andere Herren auf
forderte dem vergeblich sich Abmühen
den doch zu helfen nalürlich mit dem
selben negativen Erfolge. In einem
Brief an die Londoner „Times" schil
dert ein hervorragender Elektriker,
Jodn B. Verity. seine Eindrücke, die er
Mährens der Vorstellung empfangen,
wie folgt:
.Die interessantesten Versuche waren
für mich diejenigen, in welchen die
Kraft sich nicht direct auf das Objekt
äußerte. So oft es nur anging, brachte
ich meine Handfläche zwischen die Hand
von Miß Abbott und den Stuhl vder
Billardstock, so daß die Dame den Ge-
genstand nicht berühren konnte. Durst«
meine Hand sich auch nicht bewegen, so
bemühte ich mich doch, der Dame den
äußersten Gegendruck entgegenzusetzen.
Als sie die beiden Stühle mit den sechs
schwere» Männern in die Höhe hob,
empfand ich in meiner Hand ein Zittern
nicht unähnlich dem, welches ich »u der
Nähe einer mächtigen Dynamomaschine
verspüre. Die ganze Vorstellung ries
einen tiefen Eindruck bei mir hervor,
und ich sragte mich auf dem Heimwege,
ob Miß Abbott etwa unbewußter Weis«
Krast dienstbar zu machen, die »ach
Prosessor Crookes in jedem Kubikzoll
des den Weltenraum erfüllenden
Acthers enthalten ist."
Mi» Zaubersa,n«Ut erbaut.
In Chicago ist kürzlich eine der neuen
Riesenbauten mit einer Schnelligkeit der
Vollendung nahe gebracht worden, die
ihres Kleichen wohl nicht in der ganzen
civilisirten Welt findet und geradezu
sabelbast erscheint. Es handelt sich hier
um den sogen. Aihland Block, ein ge
waltiges Kaufhaus von siebenzehn Stock
Höhe, w>e die Baupläne erkennen lassen,
a» der Ecke der Clark- und Randolph
straße, schräg gegenüber dem Rathhause.
Noch vor zwei Monate» ivar hier nichts
weiter zu sehen, als eine wüste, leere
Baustelle. Ende November begann
man mit dem eigentlichen Bau. Tag
nnd Nacht wurde von verschiedenen Ab
theilungen Maurern, Handlangern.
Steinmetzen und ihren Gehllsen. die sich
gegenseitig ablösten, ohne Rast und
Ruhe gearbeitet. Mit Zauberschnelle,
sast wie Aladdins Palast in „Tausend
und eine Nacht" stieg das Gebäude
empor, wuchs es gewissermaßen unter
den Augen der erstaunten Passanten,
die v Tausenden täglich in eiliger Hast
»iese belebte Gegend kreuzen.
Der Nshlaud-Block am S, ?c,en,ber ISN».
Bis zum S. Dezember war man be
reits, wie obigesßild zeigt, zum siebenten
Stock gediehen. Das Eiseugeripve des
Gebäudes ragte gespenstisch über die
bereits im Rohbau vollendeten und mit
Steinen, Mörtel, Cement und Concrete
masse bekleideten Theile empor, und
rastlos, immer weiter wuchs das Ge
bilde aus Menschenhand empor. Ge
waltige Eisenkrahnen hoben die schwer
sten Blöcke mit spielender Leichtigkeit
empor. Die Arbeiter durch
große Zeltschirme vor der Wuth der
Winterstürine geschützt, während über
hundert kleine Oesen m den Arbeits
ränmen eine behagliche Wärme verbrei
teten. So war es möglich, in der knr
zen Spanne Zeit vom 5. bis zum 13.
Dezember wettere vier Stockwerke zu
vollenden und so das Gebäude bis zum
11. Stock emporzusühren.
Asbland-'Slock am !Z. ls>Si.
Das zweite Bild zeigt den Fortschritt
in der Höhe des Blocks getreu nach
einer Photographie, wie auch die erste
Abbildung von einer solchen copirt
ist. Die Grundfläche des Gebäude?,
wie natürlich auch die sämmtlicher
Stockwerte, mißt 8V bei 140 Fuß im
Geviert. Wir bereits erwähnt, 'gehört
auch der ungehemmte Fortschritt der
Arbeit im strengsten Winter zu den be
merkenswerthesten Triuinpven der Bau
kunst über anscheinend unübersteigliche
Hindernisse.
Die „Schles. Zeitung'
feierte am Z. Januar die Feier ihre»
150 jährigen BesteheuZ. Die erste Num
mer dieses angesehenen Blattes erschien
bald nach der Eroberung Schlesiens
durch Friedrich d. Gr. am 3. Januar
17t!?. Am 18. März erschien in
ihm der berühmte Ausruf „An mein
Boll". Eine besondere Festschrift .150
Jahre Schlesische Zeüung" (Verlag von
Wilh. Gottl. Korn in Breslau > wurde
ser Bedeutung des Tage» in würdigster
Weise gerecht.
Bestehen thut er. Nur
wenn der Keller jeden Abend vollstän
vig besetzt ist, kann der Wirth hier ehr
lich bestehen. DaS wird aber selten
»er Fall sein, was macht der Wirth
zber dann? Tann besteht er eben un
ehrlich.
Ein langes Stelldichein.
Pardon, Madame, Sie warten wohl
hier aus Ihren Gatten. Ja, ine»»
Herr, seit zehn Jahren, aber er will nicht
lommen!