Sergius Uanin. « blauen Augen und den lan gen blonde!» Schnurrbarl de» Fürsten. Eine tiese Traurigkeit bemächtigte sich der jungen Frau und ihr« Aug«» würd«» feucht. „Wa» ist Ihnen? Si« w«in«n?' rief Cayrol unruhig. „Es ist nichts, meine Nerven sind etwa« angegrissen. Ich erinner« mich soeben, daß dieses Schloß, in dem wir unS befinden, meinen Namen trägt. Hier war «S, wo ich m«in« Kindheit zu brachte, hier starb mein Vater. Tausend Bande knüpfen mich an diese Wohnung und ich kann si« nicht ohn« lies« Ge müthsbewegung verlassen." „ES «»wartet Sie eine ander«, eine lachende, prächtig geschmückte Woh nung, " flüsterte Cayrol leise, „«in« Wohnung, di« Jhr«r würdig ist. Dort werden Si« künftig leben, an meiner S«ite, glücklich durch mich, ganz di« Mein«." Dann bat er mit heißem Flehen: „Jeanne, lassen Sie un» fahren!" Er wollte sie in seine Arme schließen. Das junge Weib entwand sich ihm und ries zurückweichend: „Lassen Sie mich!" Cayrol blickte sie bestürzt an. „Was hab«» Si«? Si« zittern, sind ganz «rschrocken!" Er versuchte zu scherzen: „Bin ich denn so sürchlerlich? Oder ist «» d«r G«danke, von hier fortgehen zu müs sen, der Sie so beunruhigt? Ist e» dies, warum sagten Sie «s nicht srü- her? Ich kann da« b«gr«lftn. Biti ben wir also hier im Schloss«, ein«n Tag, zwei Tage, so lange wir wollen. Ich habe meine Geschäfte so geordnet, daß ich gänzlich frei bin. Unser Para dies kann warten." Der Ton seiner Stimme klang ganz harmlos, aber man konnt« doch «inen Schimmer von Unruh« an ihm wahr nehmen. Jeanne näherte sich ihm zögernd, «rgrifs sein« Hand und sagt« Nichts, als daß Sie mit mir zusritdtn sein möchten." „Nun denn, -rollen Sie wir einen Gesollt«: erweisen /" fuhr die junge Frau fort. „Ob ich eS will?" rief Cayrol eifrig,' „was soll ich thun?" „Frau DeSvarenniS wird sehr betrübt sein, wenn morgen »hre Tochter fort ist; sie wird Tpost und Zerstreuung nöthig haben.... " „Ah, ah!" fiel Cayrol ,tn dem ein Licht aufzugehen schien, da wollen Si« " „Ich möcht« «in« Zeit lang bei ihr bleib«». Si« könnt«» uns dann täglich b«suchen, zum B«ispi«l morg«n schon... Ich würde Jhn«n sehr dankbar sein und Sie recht lieb haben. " „Aber, aber, aber!" rief Cayrol, ganz fassungslos, „wa» fällt Ihnen denn ein, Jeanne! Wie, meine Lieb«, Si« wollen, daß ich heute Abend allein nach Paris zurückkehre? Wa» wird denn m«in« Dienerschaft dazu sagen? Sie laden ja den Fluch der Lächerlichkeit auf mich!" Er sah wahrhaft kläglich aus. dieser arme Cayrol. Jeanne sah ihn an, jung« Frau. „Wa« damit di«L!«be zu schassen hat. w«iß ich wirklich nicht!" ries Cayrols „im Gegentheil! Aber Ich, ich „Soll ich eS Ihnen etwa dadurch be weisen, daß ich Sie verlasse? Wahrlich, Jeanne. ich bin bereit, alle» für Sie zu thun, alle Ihre Launen zu befriedigen, solange si« », den Grenz«» d«r Möglich keit bleibe». Si« scheinen sich über Sie sind mein Weib, und das Weib muß seinem Manne solgen, so schreibt «» das Gesetz vor." „Also bloß auf Grund des Gesetze» wollen Sie mich festhalten?" erwiderte Jeanne heslig werdend; „sollten Sie vielleicht vergessen haben, waS ich Ihnen Ihnen gebe." „Und ich antwortete Ihnen, daß eS meine Sache sei» würde, Ihr Herz zu Liebe," fuhr der Bankier mit entschlos sener Miene fort, „Sie b«handeln mich wie «in Kind, Ich bin nicht so «insäl tig, wie Sie meinen. Ich weiß, was reizende Schamhastigkeit, nur dars sie nicht zu lange währen." Jeanne wandt« sich ab, ohne ihn eine» Antwort zu würdigen. Ihr Antlitz nahm einen andern Ausdruck an, «s „Wahrlich, Sie könnten einen Heili gen ungeduldig machen!" suhr Cayrol sort. „Bitte, sagen Sie mir doch end lich, was dies Benehmen bedeuten soll?" Die junge Frau schwieg noch immer; sie fand keine Gründ« mehr und hatte sich in eine Sackgasse verrannt, aus d«i si« k«inen Ausweg mehr wußte. Durch den Widerstand ermüdet, fühlte sie sich tief entmuthigt, aber si« wollte dennoch nicht nachgeben; si« schauderte vordem Gedanken, diesem Manne anzugehören; an eine so brutal« und g«m«in« Lösung ditstS Abenteuers hatte sie nie gedacht; jetzt, als sie vor ihr stand, «mpsand sie Cayrol vcrsolgte mit unruhigem Blick die wachsende Angst, die sich im Ant litz seiner Frau abspiegelte. Er hatte «ine Ahnung, daß sie ihm etwas verheimlich«. Bei diesem Gedanken stieg Hm eine Blutwelle bi» an « Herz; er glaubte ersticken zu müssen. Nun wollte er Gewißheit haben, und mit dem Verdacht war auch seine Schlauheit wied«r zurückgekehrt; er näherte sich Jeanne und sagte mit zärtlicher Stimme: »Hören Sie, m«in li«b«» Kind, ich so wohl, als auch Si«, wir b«id« sind auf Abwtge gerathen; ich, weil ich zu laut spreche, Sie, weil Sie sich weigern, mich zu versteh«». Vergessen Sie jetzt, daß ich Ihr Mann bin, sehen Sie in mir nur einen Freund und sprechen Sie offen. Ihr Widerstand verbirgt ein Geheimniß; Si« hatten einen Kummer, ein« Enttäuschung.... * Jeanne wurde gerührt und antwortete tonloS: „Sprechen Si« nicht so zu mir, lass«» Sie mich." „Nein," fuhr Cayrol fchonungSvoll fort, „wir sangen jetzt, unser Leben an, und darum dars zwischen un» kein Miß »erständniß herrschen. Seien Sie auf richtig, und Sie werden mich nachsichtig sind?». Die jungen Mädchen sind gar häufig phantastisch: sie träumen von einem Ideal, bilden sich etwa« von einer Liebe ein, die nicht erwidert wird, die vielleicht derjenige, auf den sie sich be zieht, nicht einmal kennt. Und dann stürzt man plötzlich in die prosaische Wirklichkeit hinab. Man sieht sich einem Gatten gegenüber, der nicht« von dem ersehnten Romeo an sich hat, der aber ein braver, ergebener, liebender Mann ist, welch« alle Wunden, di« nicht er geschlagen hat, zu heilen bereit ist. Man fürchtet sich vor diesem Gatten, man mißtraut ihm, man weigert sich, ihm zu folgen. Aber man hat unrecht, denn unter seinem Schutze, i» einer gesunden und ehrenhaften Eri stenz, an der er euch theilnehineu läßt, findet man zunächst da« Bergessen und schließlich auch den Frieden mit sich selbst." Cayrols Stimme zitterte! mit einem von fürchterlicher Seelenpein gequälten Herzen sucht« er in Jeanne» Zügen den Eindruck seiner Worte zu erspähen. St« hatte sich abgewandt. Cayrol neigte sich zu ihr nieder und sagte: .Sie antworten mir nicht?" Ali sie jedoch immer noch schwieg, er» griff er ihr« Hand nnd zwang sie ihn anzusehen. Da erblickte er ein in Thrä nen gebadetes Gesicht. Er stutzte ein« raftnde Wuth bemächtigte sich seiner, „Sie weinen!» rief er, „Es ist als» wahr, Sie haben geliebt?" Jeanne sprang aus; sie erkannte ihr« Unvorsichtigkeit und sah, daß man ihr «in« Falle gestellt hatte; ihre Wangen be' deckten sich mit einer verzehrendenGlulh; sie trocknete ihre Thräne», wandte sich an Cayrol und fragt« ihn: .Wer sagt das?" „Sie täuschen mich nicht,' erwidert« der Bankier heslig, „ich habe ei in Ihren Blicken gelesen! Jetzt aber den Namen dieses Mannes, ich will den Namen wissen!" Jeanne sah ihm fest in's Gesicht und sagt« entschlossen: „Niemals!" „Ah," ries Cayrol, ,da» ist «in Ge> fiändniß!" „Sie haben mich durch Ihre angenom mene Sanstinuth auf eine unwürdige Weis« getäuscht," unterbrach ihn Jeanne stolz, „ich sag-kein Wort mehr." Mit eine», Satz sprang er aus sie zu: der grobe Bauernlümmel regte sich in ihm; er stieß eine sürchterliche Schmä hung auS und packte sie am Arm. „Nehmen Sie sich in Acht! Spot ten Sie meiner nicht! Sprechen Sie' Ich will eS. oder ~.. " Er schüttelte sie brutal. Jeanne war entrüstet; sie stieß einen Zornesschrei auS, riß sich von ihm IoS und riej empört: „Lassen Sie mich lo»! Mir graut vor Ihnen!" Der Mann war außer sich; bleich wie der Tod, krampjhast zitternd nnd nicht im Stande, «in Wort hervorzubringen, wollte er sich eben aus sie losstürzen, als sich di« Thür össnele und die Prinzi palin mit den Briefen erschien, die sie für Cayrol ausgefertigt hatte. Jeanne stieß einen Freudenschrei aus und wars sich ungestüm in die Arme derjenigen, die Mutterstelle an ihr vertreten hatte. Elftes Kapitel. Frau DeSvarenneS sah aus den ersten Blick, was hier vorgegangen war. Sie erblickte Bayrol, leichenblaß, schlot ternd und fassungslos, während sich Jeanne bebend und zitternd an ihre Brust schmiegte; sie ahnte, daß hier eine bose Scene stattgefunden haben müsse, und suchte möglichst ruhig und kalt zu blei ben, um den Widerstand, dem sie mög licherweise begegnen würde, leichter die Spitze bieten zu können. „Was ist denn hier loS?" fragte sie Cayrol, indem sie ihn streng anblickte. „Ein unvorhergesehenes Ereigniß." erwiderte der Bankier mit krampfhaftem Lachen; „Madame weigert sich mir zu folgen." Die Prinzipalin schob die junge Frau, welche sich sest an ihre Schulter anklam merte, sanst von sich und fragt«: .Und weshalb?" Jeanne blieb stumm. „Sie traut sich nicht, eS zu jagen!" begann Cayrol, d«n sein« eigenen Worte wieder muthiger gemacht halten. „Es scheint, sie hat ein« unglücklich« Liebe im Herzen! Nnd da ich d«m von ihr ge träumten Ideal nicht entspreche, so em pfindet Madame einen Widerwillen gegen mich. Sie werden einsehen, daß dies« Ang«leg«nheit auf solch« Wtist nicht «nden kann. Man sagt doch nicht seinem Mann zwöls Stunden nach der Trauung : Mein Herr, e» ist mir zwar sehr l«id, aber ich liebe einen andern! DaS wäre ja recht bequem! Auf solche Launen kann ich mich nicht einlassen, sühle auch gar nicht den Berus in mir, die Rolle eines Sganarelle zu spielen." „Cayrol, thun Sie mir den Gefallen, und schreien Sie nicht so!" sagte Frau DeSvarenneS ruhig. „ES muß ein Miß verständnis zwischen diesem Kinde und Ihnen herrschen," Der Ehemann zuckte heftig fein, stimmigen Schultern. „Ein Mißverständniß! Teufel auch, dal glaub' ich wohl I Ihre zarten Umschreibungen können mir gefallen! Ein Mißocrständniß ! Sagen Sie lieber «ine unwürdige Täuschung! Aber „die sen Herrn", den will ich kennen lernen I Sie muß sich aussprechen. Ich bin keiner von jenen gezierten und artigen Gentle men; ich bin ein Bauer, und wenn ich.. " „Genug!" rief Frau DeSvarenneS und gab der kolossalen Faust, welche Cayrol wie ein Schlächter, der einen Ochsen zu sällen im Begriff ist, drohend emporhielt, einen leichten Schlag. Dann näherte sie sich dem wüthen- Fenster: „Sind Sie toll, daß Sie da« arme Kind so hart ansahen. Gehen Sie einstweilen in mein Zimmer. Ihnen wird sie jetzt doch nicht» mehr sagen, mir dagegen vertraut sie alles an, wir werden alsdann wissen, wa» wir davon zu halten haben." Cayrols Antlitz klärt« sich nun witder auf und er sagte: „Ja, Sie haben recht, Sie haben immer recht! Sie müssen mich entschuldigen, ich verstehe nicht mit Weibern umzugehen. Kanzeln Sie si« tüchtig ab und setzen Sie ihr den Kopf zurecht. Aber lassen Sie sie ja nicht au» den Augen, sie wäre irgend einer Frau DtSoarenne» lächelte und ant- wartete ihm: .Seien Sie ganz unbe sorgt." Indem j:e dem abgehenden Cayrol noch zuwinkte, kehrt« sie zu Jeanne zu allein; erzähl« mir. Wa« hier passirt ist. Wir Frauc» »nl,e un» verstehe» uu» ja. Du fürchtest l>''ch, nicht wahr?" au»übe, sie konnte den Blick nicht von ihr losreißen. Au» der Ti«f« ihre« In nern aber tauchte stet« wi«d«r ein Ge danke in ihr empor, der Gedanke an ihr hoffnungslose» Leiden. Frau DeSva' renne» betrachtete sie eine Zeitlang und berührte dann ihre Schulter. „Du willst mir also nicht antworten? Hast kein Zutrauen zu mir? War ich e« nicht, dir Dich erzogen hat? Und habe ich Dich auch nicht geboren, so genügten Vöglein >n fein Nest flüchtet und sich unter die schützenvi» mütterlichen Flügel vkrbirgl. Dieser stumm«, verzweiflungZvoll« sondern einen andern Mann. Weshalb hatte sie denn nichiS gesagt, weshalb siH mit dem Bankier vermählen lassen? Wer ist eZ. den du liebst? Ich begreife, daß du es deinem Manne verheimlichst, aber mir? " ahnte die Gefahr, der sie entgegenging. Vor Frau DeSvarenne« ein Gekänduih abl«gen, ihr den Namen desjenigen nen> Augen an „Barmherzigkeit! Vergessen Sie mein« Thränen! Glauben Sie nicht, ivai Sie nie etwa? zu erfahren! Lüften Sie den Schleier dieses Geheimnisse» nicht!" „Ah! Der. um den es sich hier han delt, steht mir also so nahe, daß du so> Sic verstummte; ihre Augen wurden starr, sie stierte vor sich hin, ohne «twa» zu sehen, sie suchte. „Ich bitte Sie!" rief Jeanne angst, voll und bedeckte Frau DeSvarenneS' wollte. „Hätte ich einen Sohn", sagte di, Prinzipalin, „so könnte ich glauben..' Plötzlich verstummte sie, ward todten, bleich und trat aus Jeanne z», ihre» Blick bis in deren Seele versenkend. „Ist eS .... " begann sie. „Nein, nein!" unterbrach sie Jeann«, schaudernd vor Schreck, daß Frau D«S vartnne» aufbrausend, „du hast ihn als« aus meine!! Lippen gel«s«n? Unglücklich«, der Man», den du liebst, ist der Gatt« Meiner Tochter! Der Au»druck, mi> !,em Frau DeZoarenne» diese« „mein' betonte, wzc von einer überivällig«». d«n Tragik. Er ließ ahnen, daß dies, Mutter, um da! Glück ihre» Kinde» zu vertheidigen, ihres Kinde«, das si« v«r göttirl«, zu allem sähig sei. Strgiu» hall« ganz richtig gerechnet; zwischen Jeanne und Micheline war sür Frau De«oarenneZ kein Schwanken möglich. Die Well hält» zusammenbrechen kön nen, und sie würbe au« den Trümmern für ihr« Tochi«e «in Asyl «rrichtel hab«n, wo dies« lächelnd >»nd heiter w«it«rleben könnt«. Jeann« war g«brochen ni«derg«sunken. Die Prinzipalin riß si« heilig «mpor; si« kannte jetzt keine Schonung mehr. w«rd«n, sie mußt« st« sagen. „Oh, verzeihen Sie mir!' jammerte das jung« Weib. „Al» ob sich » darum handelt«! Ein einziges Wort, sprich: Liebt er dich?' „Weiß ich eS denn?" „Er hat eS dir gesagt?" „Und er hat Micheline geheirathet!" ries Frau DeSvarenne» mit ein«m sürch t«rlich«n Ausdruck. „Mißtraut« ich ihm doch! Weshalb nur solgl« ich nicht meinem Gefühl!" Wie ein« Löwin in ihrem tkjsig. lies hielt si« plötzlich inn« und blieb vor Jeann« stehen. „Du mußt mir helfen, Micheline zu retten I" Ihr einziger Gedank« war da» eigen« Kind. Ohn« nur einen Augenblick zu zaudern, gänzlich unbewußt, ließ sie die andere, da» Adoptivkind, im Stich. St« fordtrt« von ihr, gl«ichsam al» «in« Schuld, da« Heil ihrer Tochter. „WaS hat sie denn zu befürchten?" antwortete Jeann« bitt«r. „Sie trium phirt ja, denn si« ist f«in Weib." „Aber wenn «r si« nun verließe?" sagte die Mutter voller Angst. Dann rief sie, sich b«sinn«nd: „Und «r hat mir doch g«fchwor«n, daß «r si« lieb«!" „Er hat gelogen I" ri«f Jeann« außer sich. „Er hal Michelin« um ihr«» Gel de» willen gehnralhet." „Aber wethalb da»?" sagte Frau De»oarenn«» drohend; „ist sie etwa nicht schön genug, nm zu gefallen? Glaubst du, daß man nur dich lieben könne?" „Wäre ich reich gewesen, so hätte er mich geheiralhel!" ri«f J«ann« aufge bracht. „Auf seine Ehre!" wiederholt« höh nisch Frau DeSvarenne», die gänzlich entmulhigi war. „So hat er un» solg thun? WaS kann ich gegen ihn aus richten? Eine Scheidung? Michelin« würde sich «nlschi«den weig«rn, si« Und in «in«« Anfall von Wuth aus brechend, rief sie: „Wie ist e» nur mög lich, daß dieses dumme Mädch«n einen da» in ihren Adern rollt? Sagte man ihr die Wahrheit, sie könnte am End« gar daran st«rben!" „Bin ich etwa daran gestorben?" sagl« Jeann« finsttr. „Du bist «ine energische Natur," ent gegnete die Prinzipalin etwas milder, „ab«r si«, die so schwach, so zart ist! Oh, Jeanne, bedenke, was ich sü, dich gethan habe, richte zwischen dir und Sergius eine unübersteigbar« Schrank« auf. Schließ« dich d«inem Manne an; du wolltest vorhin nicht mit ihm g«hen, da» war Wahnisinn. Trennst du dich von Cayrol, fo bist du nicht m«hr im Stande, Sergius von dir fern zu hal ten, und wirst meiner Tochter den Gatten rauben!" „Ah, Sie denken nur an Ihre Toch ter ! Ewig nur an sie, sie vor allen an dern !" ries Jeanne zornig. „Aber ich, auch ich lebe noch! Ich will auch mit zählen, ich habe auch ein Recht aus Schutz, «in Rkcht, glücklich zu fein ! Und Si« verlangen, daß ich mich anfopsere, daß ich mich jenem Manne au«liesere, den ich nicht liebe, der mir Furcht ein flögt.- Diesmal war die Frage dentiich sor mulirt und Frau Dtivartnnt» sand ihr« Stlbstbeherrschung wieder; sie richtet« sich auf, «rhob ihre Stimme, d«r«n Au torität sich niemand zu ivid«rsetz«n wagte, und ries: „Nun, und wa» denn sonst? Willst du dich etwa von ihm trennen? Durch «inen Skandal dein« Freiheit zurückerobern? Und waS wär« da» für eine große Freiheit? Man würd« dich verachten, dich von sich stoßen. Glaube mir, gebiet« deinem Herzen Stillschweigen und gehorche deiner V«r nunst. Dein Gatte ist ein guter, recht schass«n«r Mann; anstatt der Liebe wird er dir Hochachtung einflößen. Durch deine Heiralh hast du gegen ihn Verbind lichkeiten übernommen. Erfülle sie, da» ist deine Pflicht." Jeanne empsand, daß sie besiegt wa« und jammerte: «Aber waS habe ich sür, „Da» Leben einer ehrbaren Frau," erwiderte di« Prinzipalin mit Hoheit. „Sei Galtin, Gott wird dich auch Mutter werden lassen, und du wirst ge rettet sein." Jeanne beugte sich vor diesen Worten. In ihnen fühlte sie nicht m hr jenen er barmungslosen mütterlichen EgoiSmuS von vorhin. Wa« Frau DeSvarenne» jetzt sagte, war ausrichtig und wahr. E» sprach nicht mehr da» empört« und verwundtl« Mult«rh«rz auS ihr, son dern da« ruhigt, aufrichtig« G«wifs«n. „Nun wohl, ich w«rd« Ihnen gehor chen," aulwortet« da« junge Weib «in» fach. „G«b«n Si« mir einen Kuß, Mutter." Sie bot Frau DeSvarenne« ihr» Stirn, und dies« ließ zwei Thränen der Dankbarkeit und Bewunderung darauf fallen. Dann ging Jeanne selbst zur Thür, welche nach dem Zimmer der Prinzipalin führte, und fagle zu Cayrol: „Kommen Si«, mein Herr!" Der durch « Warten abgekühlt« und durch di« Dau«r de» Gespräch» wieder unruhig gewordene Gatt« «rschi«n aus der Schwell«. Er «rblickt« Frau De»- vartnne»' ernste» Gesicht und sah, daß Jtann« g«saßt wa,. Er g«traut« sich nicht, zu fragen. „Cayrol," sagte die Prinzipalin, „alle» hat sich aufgeklärt; Sie haben durchaus nicht» zu befürchten. Der Be treffendt ist vo» Jtanne auf ewig ge trenn». Uebrigtn» ist auch zwischen ihm und derjenigen, die Ihre Frau sein wird, gar nichlS vorgefallen, was Ihre Em pfindlichkeit verletzen oder Ihnen Grund zur Eifersucht geben könnte. Ich nenne Ihnen den Namen dieses Mannet heut« s«in." Der Prinzipalin Antlitz strahlte vor Freude. Sie blickt« Cayrol und Jranne nach, die sich entftrnttn, und flüsterte: .Welch wacker« Herz««!" Dann auf die Terrasse hinaustretend, fügt« sie mit verändertem Ausdruck hinzu: „Jetzt kommt d«r andere an die R«ihel" Zwilft«» Kapitel. Die zw«! ersten Monate dieser Eh« Sergius und Michelin« trennten sich nie. Nach Ablauf von acht Tagen kehrten si» mit Frau De»oarenn«» nach Pari» zu rück, und die einst so ernsten und ehrba ren Räume d«» Haus«» in d«r Straß« St. Dominique wi«d«rhallten nun von heilerem Gelächter. Aus dem Hose h«rrscht« «in r«g«» L«b«n, «in Komm«n und Gehen von Equipagen, ein Hin- Grooml. Die großartigen Stallungen, welch« «h«d«m sür die drei Pferd« der Frau DeSoarennt» vi«l zu g«räumig war«n, gtnügtt» jttzt kaum für d«nß«it- und Fahrdi«nst d«» Fürsten. Zu sein«« Versitzung standen acht stolze Wagen pferde, zwei reizende Ponie» waren ei gen» für Micheline gekauft, obfchon di» junge Frau sich noch ni« getraut hatt«, selbst mit ihntn zu kutschir«n; s«rn«t war«n noch vier Reitpferde vorhanden, wenn die balsamischen Düst« d«r nächt lichtn Kühl« da» Boulogner Wäldch«» ersüllten, die jungen Gatten ihren Spa- Lüstchen spielte mit Micheline» Schleier, da» gelbliche Leder der Sättel knirschte, Windhund umkreist« die beiden Reiter in fröhlich-tollen Sprüngen. E» wa ren dies glückliche Morgenstunden sür Micheline, welch« da» köstlich« Wohlge errieth, sie mit seinen Blicken hütete und die lebhasttn Bewegungen seines eng lischen Vollblutpserde» zügelte, um mit seiner furchtsamen und unerfahr«n«n R«it«rin gleich«» Schritt zu halt«». Zu, weil«» tummelte sich ihres Gatten Roß und bäumte sich in wildem Ungestüm, dann solgten ihre Blicke wohlgesällig dem eleganten Reiter, welcher sein seu rigtS Ps«rd, ansch«in«nd vhn« Anstren, gung, nur durch den nervigen Druck s«in«r Schenkel bändigte. Frau DeSvarenne»' Argwohn hatte sich gelegt; sie sah ihr« Tochter glücklich. Der Schwiegersohn war ihr gegenüber in jeder Beziehung die Herzlichkeit selbst und von liebenswürdiger Zuvorkommen heit. Cayrol nebst Gattin halten nach ihrer Hochzeit Pari« kaum berührt; si« waren sofort weiter gereist. Der Ban kier war bei Herzog» großer Kreditope ration betheiligt und bereiste nun ganz Europa, um überall Comptoir» zu er richten und Geschäftsverbindungen an zuknüpfen, Jeanne begleitete ihn. Augenblicklich befanden si« sich in Gne- Maiine unrecht gethan habe, und ver sichert«, daß er gegen sie von einer gren zenlosen Güte sei. Im Uebrigen macht« sie nicht di« ge ringst« Anspielung aus das Ereigniß jene« HochzeitSabend«, wo sie sich, DeSvarenneS' Arm« geflüchtet und ihr Geheimniß o«rrath«n hatte. Die Prin zipalin konnt« also glauben, daß j«»«r Gedank«, d«r ihr«n G«ist inimer noch zuweilen beunruhigte, nur der Nach klang «ineS bösen Traume« sei. Jnbesondere ab«r war «« J«an»«s Abwesenheit, welche der Frau DeSva renneS ihr SicherheitSgesühl wiederge geben hatte. Wäre diese« junge Weib itt Sergius' Nähe geblieben, Frau DeS varenneS würde stet« gezittert haben. Aber Mich«lin«S schöne und verführe rische Nebenbuhlerin war weit entfernt und Sergius schien in seine Frau sehr »erliebt zu sein. Alles stand daher aus'« Beste. Die bedrohlich«» Pläne, welche di« Prinzi palin im Ciser ihre« Zorn« ausgeheckt hatte, blieb«» unau«g«sührt. Sergius hatte noch keinen Anlaß zur Unzusrie d«nh«it gegeben. Allerding« verschwin det« «r «ine wahnsinnig« Menge Gelde» aber seine Frau war ja so reich! Seinen Hauihalt hatt« «r auf einen großartigen Fuß eingerichtet. Alle«, wa« der Luru« in seiner höchsten Verfeinerung ersonnen, war bei ihm al« Gegenstand de« alltäglichen Bedarf« eingesührt. Wöchentlich fanden meh rere prunkvolle GesallschaftSabend« b«i ihm stall und Frau DeSvarenne«, die an solchen großen Festlichkeiten ihre» Schwiegersohnes nie theilnehmen mochte, konnte im äußersten Winkel ihre» ersten Stocks den Festjubel vernehmen. Diese anspruch»lose und einsache Frau, deren ganz« Prachtentfaltung sich auf ihre künstlerische Einrichtung beschränkte, staunte, daß man sür so nichtige Lustbar« keiten so viel Geld verschwenden könne. Micheline aber war die Königin dieser luxuriösen Feste; bevor sie sich in ihrem Staale den Gästen zeigte, kam sie zur Mutter, um sich von ihr bewundern zu lassen, und diese, wenn sie ihre Tochter so glänzend und zufrieden sah, hatte nicht den Muth, ihr Vorstellungen zu machen. Des Abend» wurde viel gespielt. Die große Fremdenkolonie, welche allwö chentlich bei Panin verkehrte, führte ihre zügellose Leidenschaft für'S Kartenspiel dort ein und Sergiu» hatte nur allzu ohne ihren weißen Handschuh« abzuneh men. Auf diese Weis« wurde der Appe tit gereizt, bevor man in den Klub ging, präsentirten sie ihre prachtvollen Toilet ten, flüsterten hinter den Fächern über Putz und Moden, oder horchten auf den g«r», während die jung« Herrenwelt ihnen galante Phrusen in'» Ohr fii« sterte. folgt.) Berühmte Häuser «»» t»r« satt. In einer der ältesten Straßen von, Pari», in der „Rus deren Häusergruppen vielfach an den Franko furter Alten Markt und dessen Umge bung erinnern, befindet sich die ehema lige Villa der schönen Ewbrielle d' EstreeS, der Geliebten Heinrichs IV. In diesem, um einen kleinen Borhof herum errichteten Häusereomplexe, der noch zahlreiche Spure» seiner ursprüng lichen schönen Renaissance-Architektur zeigt, ist heute eine der verrufenste» Nachtkneipen von Pari». Im „rothen Schloß", wie da« Hau» jetzt genannt wird, in welchem die rei zende Gabrielle ihren königlichen Gebie ter, umgeden von verschwenderischer Pracht, zu empfangen pflegte, nichtigen jetzt regelmäßig 150 bi« LOY bestraste Verbrecher, Luhälter niedrigster Sort« und gefährliche Bagabonden beiderlei Geschlechte«. Bei einem Besuche, wel chen wir n» Begleitung eine» hohen Be amte« derSichvcheittpolizei dieser Tage der Cite abstatteten, betraten wir unge fähr um die zehnte Stunde da» „Rothe Schloß". In zwei großen Räumen de» Erdgeschosse» saßen, lagen und kauerten die unheimlichen Gäste auf Tischen, Stühlen und Bänken oder aus dem Fußdoden, dicht an einander gepfercht wie die eingepökelten Häringe, in einer wahrhast verpesteten Luft, die Meist.'» schon in tiefem Schlummer. Ein anderer Theil der HauSgäste lagerte im ersten Stocke in den« einsti gen Boudoir der königlichen Maitress» ius dem Fußboden. Einige Flasche» „rothen Gesiegelten", welche wir dein noch wachen jüngeren Theile der sau beren Sippschaft anboten, brachten etwa» Leben in die Bude. Mit unserem poli zeilichen Begleiter thaten die Gesellen meist recht vertraut. Einer gab sogar mehrere Couplet» zum Besten und schien überaus glücklich zu sein mit der Hand voll Sou», welche ihm sein „Vortrag einbrachte. Man kann sich keinen schrofferen Gegensatz denken, al» de» Unterschied zwischen den glänzenden Pariser Boulevards und diesen schauer lichen Höhlen de» Elend», welche doch keine zwei Kilometer von einander ent fernt sind. Den Zutritt zum „Rothen Schloß" erlangen die' Schläfer de» Abends, indem sie ihr Nachtmahl mit Lll—SS Centimes zahlen, dafür läßt si» der Wirth bi» 2 Uhr herumliegen. Um diese Zeit werden Alle uuerdlttlich an die Lust gesetzt, da da» „Rothe Schloß keine Logier-, sondern nur eine Wirth» schastSkonzession besitzt. E» ist geradez» unbegreiflich, daß die Polizei nicht den thatsächlichen Verhältnissen Rechnung trägt und soweit nicht andere Asyls vorhanden sind di« Besucher des „Rothen Schlosse»" und ähnlicher Lokals der Nachbarschaft wenigstens die Nacht über in Ruhe läßt. Ich zweifle nicht daran, daß mancher nächtliche Uebersaik auf der Straße, mancher Einbruch und Diebstahl in vorgerückter Nachtstunde die Folge dieser falschen und inhumane» Polizeivorschrift ist. Eine andere historische Erinnerung tauchte gleich darauf bei uns auf in einem Logirhause, wenigstens etwa» besserer Art. Dasselbe befindet sich in der kius yuinoampoix im Templevler« tel und zwar in keinem geringeren Hause als demjenigen, in welchem vor 17S Jahren der Schotte John Law mit seiner ersten französischen Bank, der Lantus clu bis zu feinet» Sturze gewirhfchaftet hat. Das alte Gebäude mit feinem geräumigen Hofe, in welchem seiner Zeit die Agiotage ihre berüchtigten Orgien feierte, ist noch seh« gut erhalten. In den oberen Stockwer ken sind die großen Vorplätze durch Einbauten in Verbindung mit den Zim mern zu Logirräumen eingerichtet, zwi schen welchen Nur ganz schmale Gänge bleiben. In jedem dieser Logirräume befinden sich o—B0 —8 eiserne Bettstellen, welche meist von Arbeitern benützt wer den, die S Centime» für die Nacht zah len und wochenweise nur LS Centime» für die Nacht zahlen. Außer dem Bette ist absolut kei» Möbel in den ziemlich rein gehaltenen Schlaskammern zu sehe». Die Kleider werden einfach unter da» Bett auf den Boden gelegt. Ein große» Waschbecke» ist im Vorraum. Al» wir um 11 Uhr durch einige dieser Kammern gingen, lag Alle» schon in tiefem Schlafe. Schließlich besuchten wir eine Nacht kneipe ganz besonderer Art, die eben, falls aus historischem Boden sich befin det. ES ist dies ein Keller m der liu« äs» lonoesnt», nahe den Central« Markthallen. Da» betreffende Hau» ist auf dem Terrain des ehemalige» Klosters erbaut. Die katakombenarti gen, bombenfesten Kelleraewölbe stain' men auS dem Ende de» 16. oder An fang de» 17. Jahrhundert»; sie sind drei Etagen untereinander angelegt und sollen einst zu Grabgewölben gedient haben. Heute benützt der intelligent» Wirth die zwei obersten Keller al» WirthfchaftSrSume, während der un terste der häufigen Ueberschwemmungen vegen unbenutzt bleibt. Diese Wirthschaft gehört zu den we nigen, welche wegen veS Marktverkehre» die Erlaubniß haben, ihre Lokale die ganze Nacht hindurch offen zu halten. Von zwei Uhr Nachts an füllen sich alle Räume mit „korts" und „ci»mvs" der Hallen, welche vor dem Beginn der Arbeit dort ihr Frühstück einnehmen. Schon von Mitternacht an verkehren jedoch daselbst allerlei fahrende Künst ler, spanische Guitarren- und italienische Mandolinspieler, Tänzerinnen der öffentlichen Bälle, Coupletsänger u.s,w., welche sich nach. Vollendung ihres Tage werk im cl«s ei» paar Stunden amüsiren und nebenbei von den Marktleuten durch ihre Pro» ductionen noch einige SouS einheimse» wollen. Doch geht et dabei recht säu berlich her. Die Marktleute würde» e» auch nicht ander» dulden. So ändern sich die Zeitfn und mit, ihnen die Schicksale der Häuier eine« Million« st!?t. 3