Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, December 03, 1891, Page 3, Image 3

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    Das Fritzche.
Erzählung von Gräfin M. «eyserttng.
slö. Fortsetzung und Schluß.)
Herr von SMeneck blickte finster aus
den Schnee zu seinen Füße». Min»
begann er wieder: „Der alt' Herr von
Waibach hat das Gut hier von seinem
Vater ererbt, er ist also in der Pfalz
oufgewachse und hätt was vom Pfälzer
Bode verstehe könne, wen» er sich drum
gekümmert hätt'. Zwar freilich so leicht
»st das Wirthschafte hier nit, wie ein
fremder etwa denkt, denn Hierzuland' ist
mehr Weinwirth, und dazu, um das
recht zu sein, gehört aber vielerlei. Der
Herr hat aber damals in seiner Ju
das er schuldenfrei übernommen gehabt
hat, auf das Höchst« belastet war. Mitt
äerweil war aber das Fräulein Heran
einmal so weit gediehe sind, weiß jeder,
j>er die Landwirihschaft kennt. Das Gut
kommt auf die Gant und der Besitzer
Mittel sind'S doch nicht. Meiner Schwc
auch mich in einen Ruin zu ziehe, der
uns schließlich alle zu verschlinge droht..
Dem olt' Enkerle mußt' also mitgetheilt
werde, daß ich Herr hier wär', und
mert' sich dann um gar nir mehr und
hatt' alle Freud' am Wirthschafte ver
löre. Da sah ich, daß es nur «in
Mittel gäb', die Zuständ' wieder
zu gesunde zu mache und drang darauf,
daß wir unS verlobte. Das Fräu
lein wußt' längst, daß mein Wunsch
darauf gerichtet war, und cs gab eine
denken verursachte, kannte.
„Thorheit?" sagte er daher. „Verzeihen
Sie, aber der Ausdruck ist doch wohl ein
den können, das Fräulein zu dieser Ver
lobung zu zwinge», das heißt,
da« zu versuchen, aber dieser Eigen
„Daß Dich !...." Salteneck stieß sei
nen Stock in den Schnee, daß die Stücke
ausstoben. „Achntansend Teufel erschlü
gen !...." war das Ende des Satzes,
und mei' Erklärung kurz beende....
Das Fräulein von Waibach ist frei.. ..
Wenn sie die Verlobung mit mir auf
heb« will, w«rd' ich nit suche, si«
daran zu hindern.... ES muß nur
der wisse, um dessetwill« sie es vielleicht
thun möcht', daß ste zu dieser Zeit e ganz
alni's Mädche iS und ihr Vater als
Bettler hier vom Hof auszieht...."
Er gab sich Mühe, die hell ausbre
«S gelang ihm nicht.
„Sie ermächtigen mich, dies« Erklä
rung dem Fräulein mitzutheilen?"
fragte er.
„Jawoll !" antwortete der Pfälzer mit
diirchklingendei» Hohn, „ich ermächtig'
Kie. Aber »reue Sie sich nit allzufrüh.
DaS Fräulein weiß, daß der alt' Herr
sehr unglücklich sein würd', wenn er
"das »it. Aber wo soll er hin?
Er ist ja wie ein Kind, der alt' Herr!
er kann ohne seine Samiiiluiige nit lebe
und ohne Frauenpfleg' und Vorsorg »it.
Das Fräulei weiß das, wie ich schon
sagt', und sie weiß auch, daß.. . Nun,
's gleichviel was.. . Aber sie wird die
Freiheit nit annehme, die Sie ihr bringe,
das ist gewiß..."
Blicke offenbarte» sich deutlich die Ge
men mußte, als sei dies selbstverstand.
ihm, al? ginge tzie Sonne unter, um nie
mehr sür ihn auszugehen. Für den
Major konnte das Leben noch schön, »och
Aste» begriff, was er litt. Er hatte
lich. dzß Aste» nicht selbst daraus ge
der...." <
„Ich würd' die Wirthschaft führe,"
fuhr Salteneck sort. „Und wie ich schon
sagt', es . wird möglich sein, diese in
Doppelte von seinem jetzige Ertrag
bringe. Wenn wir soweit sein werde,
wird es da« werth sein, was »ici
Schwester jetzt dafür gebe will. Schließ,
lich kann auch das Wohlgesalle des
Käufers den Preis von einem Gut er
höhe. Meine Schwester hat de»
Wunsch, in Eberesche»«» zu lebe ..."
„Dann,' sagte Asten, sich hochaus
richtend, „sind alle Schwierigkeiten ge
ich Ihne! Es bleibt der alt' Hcrr^. "
viel väterliches Gefühl haben sollte, das
Glück seines Kindes dem eigenen Beha
gen vorzuziehen."
„Wer weiß," meinte er, „ob er das
Glück seines Kindes gerade i» dieser
Hcirath sieht. Die Ansichte sind ver
lieber scho sei Behage.... Da wir
jcho so weit sind, kann ich Ihne
den letzte Vorschlag mache .... Wir
habe den all: Herrn gern und möchte
dem er sei Lebe verbracht hat, zu ver
lasse. Meine Schwester heirathet, wie
Sie wisse, einen Krüppel. Die
Uniform, die ja die Mädche so leicht
verblendet, muß Ihre», Herrn Kaine
rade die gesunde Glieder ersetze
Nun, sie hat sich's in de» Kopf gefetzt,
gerad' den zu nehme, »nd da ist nit zu
helfe.. .. Aber wenn der alt' Herr hier
wohne bleibt, so gebe die beide halbe
Männer zusamme noch immer kaum
eine» ganze. M«i Schwester meint, sie
hab an b«ide nit viel zur Pfleg'.. .. "
„Der Edelmuth Ihres Fräulein
Schwester Hai längst meine höchste Be
wunderung erregt," erwiderte Asten aus
warme» Herze», „aber ich mein«, daß
wir ihn bis zu dieser Grenze nicht an
nehme» können.. .. "
„Wie?" sragte der Pfälzer gereizt.
spricht zur Frau zu nehme, so werde ich
mich als Mann zu fasse wisse, 's ist
ein« Zeit," schloß er mit einer gewissen
hab die Ehr', mich Ihne zu empfehle.. "
Asten reichte ihm die Rechte hin. „Las
sen Sie mich zum Abschiede »och sagen,
se» werde!" rief er.
Aber der Opsermuth des Pfälzers
Ende. Er sah von der ihm
über das lange Ausbleibe» seines
Fahrgastes wunderte, drückte seinen Hut
in die Stirn und entscrnte sich mit wuch
wieder zurück.
Friederike saß unterdessen am Fenster
ihres Wohnzimmers und hielt den Kopf
andres begehrte, als den Schmerz, der
ihm das junge Herz zerdrückte, allein
ausweinen zu können. Sie ging eine
Weile im Hause hin und her, ohne einen
rechten Zweck zu versolge». Es war,
trugen sie immer wieder dem Wohnzim
mer zu, obgleich sie stets wieder um
kehrte, wen» sie vor ihm stand. Da
kam der Briefbote und brachte einen
Bries für Friederike. Die alte Dame
nahm ihn und ließ ihu mit einem Seuf
zer in die grüne Tiefe ihres Strickbeutels
gleiten. Sie dachte an den Kittderglau
be» Fritzchens, daß a»S dem Wuiischbeu
tel alle erbetenen Herrlichkeiten kämen.
Ach nein! sie ließe» sich jetzt »immer
darci» finden, das gewor
ivnr. Der schöne Offizier, der so viel
Unheil hier angestiftet hatte, ließ sich
ans der grünen Tiefe nicht herausholen,
wie einst das ersehnte Bilde» buch,die neu-!
angezogene Puppe oder die Tüte mit
Zuckerplätzchen.. lind dennoch! die Tante
wieder vor der Schwelle stand, leise
di« Thüre auf. Da saß das Mädchen
gerade so, wie sie cs mit Zagen erwartet
hatte. Ganz unwillkürlich grifs sie nun
doch in den Strickbeutel, zog aber sür's
erste nur ihr Schnupftuch heraus und
schuaubte sich damit.
Friederike hob de» Kops und sah sich
um.
„Fritzche, ach Gott, Fritzche," sagt«
doch nit so e trostloses Gesichtche!..
Es kann ja noch alles besser werde!
Sieh, hier iS e Bries sor dich; lieg cmol
den!"
Das Mädchen streckte die Hand nach
dem Briese aus und nahm ihn an sich.
Ali es die Ausschrist gesehe» hatte,
legte e» ihn, enttäuscht aus da« Fenster
brett und öffnete ihn nicht. Da ertönte
hinter Tante Mathilde wieder ihr Name:
„Friederike " Und jetzt stand sie im
Augenblick« aus beiden Füßen.
War e» ei» Traum ? Oder oder
wenn e» greifbare Wirklichkeit war,
wa» bedeutete sie? Friederike wollte et
wa« fagen, aber ihre tappen zitterten so,
daß sie kein Wort hervorbrachten. Aus
Asiens Gesicht sprach so viel leuchtende
SiegeSgiwißheit, s« viel Glücksgefühl!
„Friederike," wiederholte seine voll
tönende Stimme, »lesen Sie den Bries."
Sie zögerte nicht mehr, sondern
öfsnete ihn, so schnell die zitternden
Finger gehorchen wollten, und laS:
„Mein liebes Fritzchen, wenn ich die
sen Brief abschicke, dann soll eS
das letzte Mal sein, daß ich so an
Dich schreib'. Wie ich den Namen les',
mie dem ich Dich so lang gerufen hab,
fällt es mir ein, und ich möchte die
Feder Hinwersen und den unglücklichen
Bries gar nicht anfangen. Aber ich seh
Dein liebes Gesichtchen vor mir, so
schmal und so blaß, wie es im letzten
Jahre geworden ist, und dann seh ich
das Bild, da» neben mir liegt, das der
junge Wegineier gemacht hat und auf
dem dasselbe Gesichtchen so anders ist:
so voll Glück und Lieb' und wonniger
Lebenslust.. .Fritzchen! der Maler hat's
zustandgebrach».. . .Ich hab gemeint, ich
könnt' Dich nicht hergeben, weil ich ohne
Dich nicht leben möcht'. Aber seit ich
das Bild gesehen hab, läßt es mir keinen
Frieden, und wenn es denn der Preuß'
vermag, Dich so glücklich zu machen,
wie der arme, sterbende Mensch Dich
mit geistigen Augen geschaut hat, dann
niinm Deine Freiheit zurück. Ja, ich
geh zu dem Preußen, dem Menschen,
den Gott nein, ich will ihn nicht
verfluchen! Du hast ihn ja gern, de»
Fremde», lieber als mich !.. .. So
mag'S denn sein ! So mag er Dich neh
men, wenn er will. Ich geh, um s ihm
zu sagen, eben jetzt. Und wenn er Ja
sagt, dann ist'S das letzte Mal, daß ich
Dir schreib'; dann lebe wohl, Fritzchen,
du bist frei, das Tonche bringt Dir Dei
nen Ring zurück. Und möcht' ich mit
meinem Glück auch wirklich Deines er
kaufen ! Adieu denn für heut' und
wenn'S denn sein muß allezeit.
Julius von Salteneck."
Die Buchstaben schwankten vor Frie
derikens Augen; denn die Thränen
drängte» sich wieder iu sie. Ein
neuer Schmerz ließ sie erquellen, der
Schmerz uin de» guten Mensche», dessen
Liebe sür sie aus jeder Zeile des Briefes
sprach. Aber zwischen diese Thränen
drängte sich schon stürmisch daS Glück,
drängte sich die Freude, die der Schrei
ber ja auch hatte erwecke» wolle».
Friederike ließ d«n Brief sinken und
hob die Blicke scheu fragend zu Asten.
Dieser stand jetzt bei ihr.
„Wollen Sie mich nun haben, Friede
rike?" fragte er glückstrahlend.
„Ja!" murmelte sie, u»d er zog sie an
sich und drückte einen langen Kuß auf
andres dachten, als daß sie sich endlich
zu eigen waren. Dann räusperte sich
Tante Mathilde, die vor Erstaunen starr
»on Asiens Brust.
„Taiile, Tante Mathilde", sagte st«
selig lächelnd, „nun ist'S doch der Sirick
beutel, der un» geholse hat .... Er hat
ihn mir gebrachi. Wünsche mir Glück,
Tanle! Er gehört ja jetzt wirklich mir
und wir sind Braut und Bräutigam.."
Die Trauerweide, di« auf WcgmeierS
Grabhügel stand, sah mi» braunen
Knospenaugen in'S Land, und zwit
darüber hin und verkündeten, daß
die Natur ihr großes Auserstehungsfest
feiere. Friederikens liebste Beschäfti
gung in den wenigen Wochen, di« sie
noch in Ebereschenau verbringen mußte,
war die Pflege dieses Grabhügel«. ES
war ihr, als trage sie eine heilige Pflicht
junge Jäger, und hatte den Tod mit
jenem selbe» Lächeln empfangen, mit
dem er das Leben zu tragen gewußt hatte.
glückstrahlend aus, ' wie eS der
j.l»ge bayrische Jäger vorahnend
geschaut hatte. Das Tonche aber
stand bei der Freundin, nahm die
kleideS. Dabei trasen sich die Auge» der
beiden im Spiegel und füllten sich mit
Thräne».
Hals des Tonchens, und ei» wehmüthi
ger Ernst verdrängte ihr seliges Lächeln.
„Sag ihm, wie dankbckr ich ihm bin!"
flüstert« sie. „Ich werd' euch nie, nie
vergesse, dich und ihn. Und »ach Mar
wird er immer den erst« Platz in meinem
Herze habe.... Sag'S ihm, Tonche,
nit wahr?"
Tonchen nickte und küßte den Mund
FriederikenS, während die Thränen ihr
jetzt hell über die frischen Wangen herab
liesen. Aber aus den weinenden Augen
schaute ei» tröstlicher Blick. Das warm
herzige Tonche» hoffte, daß die Freund
(Ende.)
Sergius Manin.
Erstes Kapitel.
Fabnkgeschäsie Frankreichs etablirt
Die Geschäftslokalitäien befanden sich
w den beiden nach dem Hofe zugewand
«dle Geschlecht, dessen Wappen über
jchmack wahre Wunderwerke der Kunst
angehäust hatte. DaS HauS Des
varenneS, «in gesürchteter Konkurrent
Darblays, des größten Mühlenbesitzers
Tochter eines gewöhnlichen Packknechts
heiratheie sie, um 1848, Michel Des
varenncs, eine» Bäckergesellen von
der Chaussee d'Antin. Mit den tau
send Franken, die der Packknecht seiner
kleine Bäckerei zu gründen. Während
der Wann Teig kn«tete und Brot buk,
befolgte die junge Frau den Verkauf
der Waare. Der Laden wurde weder
zeit die ernste Gestalt der Frau Des-
Beharrlichkcit. Nach fünfjähriger, rast
chen für Restaurants; Michel hatte da»
verdienen, das sie den Bäckern verkau
fen; sie kam dabei zu dem Entschluß,
diese kostspieligen Mittelspersonen zu
umgehen und das für den eigenen Be
weit bringe», wenn sie sich nur nicht
überstürzen!
Die Prinzipalin schien jedoch die Gabe
der Vorhcrsicht zu besitzen, sie speku
lirte mit einer merkwürdigen Sicherheit;
wickeln. Michel zitterte aber »och im
mer. Der erste» Mühle folgten viele
»nvie, di» zuletzt Frau Desvareune»
fand, daß dieses ganz« System veralte»
sei, daß man fortschreiten müsse; und
nun ließ sie großartige Dampfmühlen
bauen, die gegenwärtig jährlich für
hundert Millionen Franken Mehl er-
' > er
Mehlzeschäft, worin sie nun die Markt
iiciinen, um sich aus diese Weise mit ihr
aus gleichen Fuß zu stellen. Dabei war
sie aber ebenso besehlshaberisch wie frü
schnell als möglich zu gehorchen.
Trotz alledem aber sühlte sie sich nicht
glücklich. Diese schöpserische Natur war
unfruchtbar geblieben. DaS Gehirn
schien alle fruchtbaren Kräfte ihre»
Wesens absorbirt zu haben. Durch di«
lichkeit zurückgeblieben war, um Mut
ter zu werden. Ihr Ehestand währte
nun schon fünfzehn Jahre, und im
ihre» Bettel. In den ersten Jahren
kleinen Wesen zu befassen? Die Ge
dergleichen Kleinigkeiten zu kümmern;
Mutterschaft fchien ihr ein Luxus sür
reiche grauen, sie dagegen mußte ein
Vermögen erwerben! Im Kampfe gegen
und zu bemerken, daß ihr HauS öde
und leer geblieben fei. Sie arbeitete
von früh bis spät, ihr ganzes Leben war
Regung ihrer Phantasie erstickten.
Michel seuszt« ebenfalls, aber nur
insgeheim; in dieser schwache», unter
liche Sehnsucht »ach einem Kinde; er,
dessen Kopf unbeschäftigt war, dachte
an die Zukunft. Er sagte sich, daß
eS übertragen könne, daß nur in die
sem Falle es wahrhast willkommen
fei. Wozu denn sür Seitenvcrwaiidte
reiten, schon mehrfach geholfen hatte, war
er schlecht zu spreche». Als eS galt, di«
Unterschrist eines DeSvareniieS einzu
lösen, hatte die Prinzipali» keinen
sreigebig, wie ihr Verstand überlegt».
Michel jedoch fühlte sich gedemülhigt,
daß einer von den Seinen eine Bresche
haben'? Warum begünstigte das Schick
sal solche» Hungerleider? Er, Michel,
den man bereits den reichen DeSvaren
wohl Gerechtigkeit in der Welt!
drießlicher Miene antraf und ihn deshalb
zur Rede stellte, bekannte er ihr seinen
Kummer srei und ossen. Sein« Frau,
hatte daZ durch unaufhörliche Arbeit >
jetzt plötzlich Frau DevarenncS er«
«rissen.
(Fortsetzung folgt.)
s
»i« t» »«,
»Himmelhoch jauchzend, zum Tode b»
trübt
Glücklich allein ist die Seele, die liebt.«
So seufzte Actuariu» Langhaniine»
vor sich hin, indem er die dürren Arm«
auf den Tisch stemmte und mit deq
knochigen Fingern einen Rheinlände»
auf seiner Stirn zu trommel« versuchte.
Ja, „himmelhoch jauchzend", so war e»
ihm wohl in den ersten vierzehn Tagen
gewesen, seit „sie" drüben auf dem
Gang das kleine Zimmerchen bezogen,
aber dazwischen lag eine lange, lang«
Spanne Zeit und nachher war nur da»
„zum Tode betrübte" übrig geblieben.
Die Kleine hatte gleich am ersten Abend
einen tiefen, nachhaltigen Eindrlxk aus
sein Herz gemacht. Daß er sie liebt«
und daß sie ihm einst zugehören muss«
um jeden Preis, darüber war er sich
schon in der ersten Nacht im Klaren.
Und war e» denn etwa eine nie zu ver>
wirklichende Illusion? Galt er, de»
ActuariuS Langhammer, mit seinen 7S
Mark monatlichen Diäten nicht für ein,
gute Partie?
Tagtäglich sahen sie sich; Morgens,
wenn er zum Bureau ging und Abend»,
wenn sie im halbdunklen Hausflur an
einander vorbeistreiften; Actuariu»
Langhammer seufzte hinter der Thür
ritze und er seufzte auch aus dem Bu>
reau, so daß ihm sein Chef mehrmals
eine Rüge hatte ertheilen müssen. Und
dabei blieb'S!
Er mußte aber ans eine Anknüpfung
sinnen. Da hatte er einst bei eine-.«
Antiquar einen Schmöker von Roman
erstanden: „das Freisräulein aus dem
Spessart oder die sieben Mordhöhlen"
betitelt. Darin wurde erzählt, wie ein
Ritter sich die Gunst einer Dame er«
warb, indem er ste auS den Händen der
Räuber befreite.
„Ja, wären die Zeiten noch!" hatt«
Langhammer geseufzt, als er das laS l
Da störte ihn plötzlich lautes Stim
mengewirr. War das nicht drüben?
Mit einem Satz war Langhammer an
der Thürritze und horchte. Richtig, zwei
scheltende Männerstimmen und dazwi
schen die der Geliebten, ein Stuhl würd«
umgeworfen.
Jetzt Hielt'S den ActuariuS nicht län
ger; da war etwas vorgefallen, vielleicht
kam er als Retter in der Noth. Einen
Augenblick noch »nd schon stand er drü
ben aus der Thürschwelle.
»Kann ich Ihnen vielleicht dien
lich sein, liebe? Fräulein, ich hört«
Lärm "
Die Zimmernachbarin schaute ihn
erst etwas erstaunt an und auch die bei
den Männer, der eine in der Blouse,
der andere im Schurzfell, die vor ih,
standen, warfen ihm einen neugierigen
Blick zu, aber die erstere hatte sich bald
gefaßt
„Ach, sieh' da, mein Herr Zimmer
nachbar, und Sie wollten mir wirklich
helfen ..." Der ActuariuS empfinj
dabei einen Blick, der ihm das Herz wi«
eine Schwarzwälderuhr ticken machte.
„Sehen Sie nämlich die bösen Män
ner," fuhr sie mit reizend aufgeworfene»
Lippe sort, „sie drängen mich wegen
einer kleinen Schuld, die ich ganz zu be
zahlen vergessen hatte und gerave im
Augenblick...."
„Wieviel bekommen die Herren?"
Wie glücklich war er, daß er heut'
gerade seine Diäten empfangen und daß
er mit der „Kleinigkeit" von fünfzig
Mark schnell di« Lästigen abfertigen
konnte.
„Ach," seufzte die Schöne, „ich
werde Ihne» da» Geld so schnell nicht .
zurückgeben können, denn ich bin ein
armes Mädchen, das zudem bald Heira
then will."
„Sie wollen heirthen!"
Sie lachte und drängte den ActuariuS
langsam nach der Thür. „Ja mein
Bräutigam wird jeden Augenblick kom
men."
Der ActuariuS L nghammer seufzte
an diesem Abend nicht, aber er ver
stopfte wüthend die Thürritze, die ibm
„einstweilen" fünfzig Mark gekostet
hatte. I. Booz.
Humor und Pietät. Im
Allgemeinen ist der Humor ein höchst
angenehmer, aber kein rentabler Be
sitz. Man ,st durch ,hn allenthalben
gut gelitten, aber Zinsen wirft er nicht
ab, und Geld bringt er nicht in da»
HauS. Und doch trifft sich'S von Fall
zu Fall, er, zweckmäßig an
gewendet, recht praktische Resultate er
zielt und sogar zum Sparmeister wer
den kaun. Dem ungezwungenen, lie
benswürdigen Humor nimmt man'»
eben nicht leicht übel, w-nn er etwa»
unfreundlich wird. Man ärgert sich
anfangs über ihn und lacht dann hin
terher. Kam da dieser Tage zu einem
mit Witz und GlückSgütern gleich ge
segneten Herrn einer seiner ältesten
Bekannten mit der dringenden Bitte,
ihm eine Gefälligkeit zu krweisen.
„Mit größtem Vergnügen, mein Lie
ber," antwortete unser Freund, „wo
mit kann ich Ihnen dienlich sein?"
Zögernd stammelte nun der Bittstel
ler, daß er sich in einer momentanen,
aber argen Geldverlegenheit befinde und
ihn ersuchte, er möge ihm für kurze Zeit
einen größeren Betrag leihen. Der
arme Reiche sah sich nun anfangs in
eine nicht geringe Berlegenheit versetzt.
Abweisen, das wäre beleidigend, sich
auf den Selbstbedrängten hinauSwlelen,
wäre lächerlich gewesen, und eS trat ein
wenig Angstschweiß auf seine Stirn«.
Aber rasch war er gefaßt, und indem er
gerührt die Hand seine» Freundes faßte
und sie drückte, sagte er mit bewegter
Stimme: „Alles, nur das nicht. Ich
stehe zu jeder Gefälligkeit bereit, aber
Geld kann ich nicht hergeben. Da»
habe ich von meinem Bater zum Anden
ken erhalten und eS wäre pietätlos, sich
von diesem theuren Andenken ;u tren
nen." Bei diesen Aorten trocknete er
sich eine senchte Thräne aus dem
und verließ gerührt das Zimmer. Be>
trossen, ab-r mit leeren Taichcn ging
der Freund von dannen. Aus solchen
Huiiior war er nicht gefaßt.