Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, September 03, 1891, Page 3, Image 3

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    Das Frttzche.
Erzählung von Gräfin M.Keyserling.
(3. Fortsetzung.)
Friederike ihn geschrieben hatte oder
nicht', ob er ein tiesinnerstes Gefühl
ihres Herzens aussprach, ob sie ihn liebte,
diese reizende, kindliche Friederike, all
dies gab ihm keine Gewähr, daß er in
ihr finde» würde, was er zu einem
Bunde für das Leben begehrte. Er
sagte es sich immer wieder, daß er diese
Gewähr in ihr nicht fände.... Ja,
wenn sie wie das Tonchen gewesen
wäre, dieses sanfte, weibliche Tonchen,
das alle Genien bescheidener Mätichen
anmuth umschwebten! Eine Erschei
nung, die gleichsam sein Ideal verkör
perte! Und doch mußte er sich sagen,
daß ihr Anblick sein Herz so gar nicht in
jene süße Unruhe versetzte, in die Friede
rike es mit allen ihren Fehlern brachte..
Wie es jetzt klopfte, dies unverständige
Herz!.... Man sührte eben in den von
Hos des Fräuleins Pserd. Sie selbst
trat gleich darauf aus einem der
Ställe, in welchem sie wohl beim
Satteln behilflich gewesen war, denn
sie trug die Rcithandschuhe noch in
der Hand und schüttelte einige Heuhalme
aus den Falten ihres Kleides, die darin
die Handschuhe langsam an.
Sie bemerkte Aste» nicht, sondern sah
vor sich hin. Er dagegen sand in den
geprägt »nd entschädigte sich für die Ent
haltsamkeit. die er sich auferlegte, indem
er die Blicke nicht von ihr ließ, bis ihr
Asten lächelte. „Ah," sagte er, ~Si«
„Friedensstörer!" knurrte der Alte.
pWaS wolle se bei uns? Was wolle se,
mein' ich, über der Grenz? Werde se
glauben. „Ja, se werde jetzt erscht
„Ah, " sagte Asten und sah den halb
Sprechenden von der Seite an. Er sing
Vergangenheit stehen geblieben. Das
machte Ästen nachsichtig.
„Sie haben den Fehler vieler Deut
leuten weniger zuzutrauen, als Frem
den," sagte er. „Ich meinerseits
habe ein größeres Vertrauen zu un
serm Können, und hoff« bestimmt, wir
«erden diese schöne Pfalz vor dem Ver
derben eines feindlichen Einfalles
Sie's ab," murrt« der unver
besserliche Thomas, „ich glaab' «S nit.
Sie werde nit als Sieger wiederkehre."
„Das steht bei Gott," antwortete der
Lieutenant, „vielleicht ich nicht, aber
meine Kameraden gewiß. Wenn es mir
bestimmt fein sollte, zu salltn, so wäre
ich doch froh, diese schönen letzten drei
lich schätzen, eben soviel erlebt zu haben."
Der Alte blickte betroffen in das wie
von einem Feuer durchleuchtete Gesicht
schüttelte er den Kopf, als ob jener kein
verständliches Deutsch zu ihm spräche,
und beharrte auf seinem mürrischen
Zweifel.
„Blut ist ein dauerhafter Kitt," sagte
er wie vorher, „und Si« thäten besser,
Zigeuner heißt Obst seiniges, wenn er
in Händen hat. Ist Obst in meinem
Tüchelche, ist mein! Schönes Obst!
Nit? Kauf' es, Herr!"
„Ich hab« kein Geld bei mir!" erwi
derte der Lieutenant ablehnend.
schwarz wieder am Wege
zurück. 1
ihn bereits gesehen, als sie den Stein
nach Friederike warf.
„Ah!" rief sie, „willst mei' Geschenk
nit nehme? Ist nit klug von dir, Herr!
Denk' zweimal daran! Kann Kathrin
„Du drohst mir?" sagte er lächelnd.
„Was willst du mir thun? Ich habe
allerdings schon gesehen, daß dein Haß
schöpf' ,
Aste», denn es beklagte sich, daß es ar
beiten solle, während das Fräulein
nichts thue und sich deS Lebens freue.
so. Gut? Ei jo! Warum so saacht
an. Nimm dich in Acht, du, Herr!
Hör', was Zigeunerin saacht! Ist wahr!
Ist wahr! Ist wahr!»
arme^Zigeunerin allem sich wehre, wenn
ihr Schlechtes geschehe ist. Will jeder
an arme Zigeunerin! Aber meint er, er
hat sie, hui!.... " Sie blies sich über
die Finger: „Ist sortl Ist fort, wie der
Kistchic. Sie preßte die kleine Rechte
Blick seine Züge überfliegend: „Was hat
die Ihne von mir gesagt? O, nit wahr,
sie hat Uebles von mir gesproche? Ja, ich
weiß; es macht ihr Freud', so etwas
von mir zu erzähle und die Leut' glaub«
Asten antwortete lächelnd: „ES ist
die Frage, ob, was sie sagte, etwas
Uebles zu nennen ist. Sie behauptete,
Sie seien eine Her«, weil Sie eine
gcheininißvolle Macht über die Gemüther
der Menschen üben. Es kämmt nun
wohl darauf an, wie sie diese Macht
bcnützen!"
nicht scherzhaft.
„Hätt ich sie, diese Macht, würd ich
sie nütze, zu allererst, um dieses Mäd
tcr Welt, so soll' mich daS Mädche liebe,
Sattel, Herr von Aste,» ich bitt'! Ich
mit Ihne.... d ' si.
neben ihm her. Dann brachte sie das
Pferd abermals zum Stehen und legt«
den Kops halb in seine Mähne.
ihr Thema zurückkommend, „nur Sie,
Herr von Aste, Sie solle nit mit ihr
rede. Denn - denn Sie sehe hier so
Vergnügen machte.
Im Hofe begegnete den beiden der
Fähnrich Feldern, welcher im Dorfe ge
wesen mar. Er erzählte aufgeregt, es
liefen unter den Soldaten Gerüchte um
von einein ersten größeren Gefechte, das
an der Grenze stattgehabt. Genaueres
könne er nicht erfahren.
Während er »och sprach, kam auch
der Inspektor und trat eifrig zu Asten,
„'s e erschtes Treffe stattqesunde und die
Franzose habe gesiegt," meldete «r mit
grämlich triumphirender Miene.
„Wann? Wo? Wo haben Sie's
her?"
NichtsPeinlicheres als dieses erstelln.
da» numerische Uebergewicht auf feind
licher Seite, das der Tapferkeit auf
preußischer gewesen.
Sieg, indessen immerhin ein Rückzug!
... Das Wort verfehlte seine ecnststiin
mende Wirkung nicht. Die Möglichkeit
des Unterliegens, der Tod trat zum
nichts err.ichte, der keinen Sieg zum
Lohne hatte...
hatte.
fleißig,daß es kvum von der Arbeit aufsah.
ES siel Asten aus, daß Friederike nicht
recht bei der Sache sei und
Mund auch keiue Minute stille stehe».
„Ich gäbe die Hälfte meines noch vor
mir liegenden Lebens darum, könnte ich
mit ziehen," rief sie, aus ihren
feurigen Augen zu den Herren hinüber
schen Blutes in sich, Gräsin", sagte der
Ihr Blick wanderte zu Asten. Es
war, als bringe er ihm die Frage:
„Meinen Sie mich?" .. . .Dann sank der
Natalie zuckle die Achseln: „Ich bin
G ß cht d t s' d
„Nein, wie ungeschickt von mir!" rief
1« dann und bückte sich nach den rings
umherrollenden Kugeln. Natürlich
sprangen die zunächstsitzenden Herren
sogleich auch auf, um ihr zu helfen,
»nd Asten wurde von Friederike getrennt.
Die Kugeln mußte», nachdem sie ge
sammelt waren, in ihre Behälter zurück
gesteckt werden; Gräsin Natalie beauf
tragte hiermit den Lieutenant und zeigte
ihm. wie er es machen müsse. Nachher
erklärte sie ihm das Spiel, und unter
dessen ward der Platz neben Friederike
von anderen besetzt.
Alle diese kleinen Listen wurden von
der Gräfin mit dem unschuldigsten Lächeln
Natalie reichte ihren Gästen die kost
baren Sevrestassen daher selbst, besorgt,
der ungeübte Pferdelenker könne die theu
mit seiner dunklen, klangvollenStiniine:
„Darf ich Ihnen einen Theil Ihrer
Mühen abnehmen, Gräsin? Wollen
Tie mir gestatten, S>e zu bedienen?"
NatalienS Herz jauchzte. „Mein
Gott, wenn Sie wollen; » I» xuerrs,
„So befehlen Sie mich für heute zur
Hilfe. Ich hoffe, ich werde mich des
erbetene» Vertrauens würdig zeigen,"
Wunde, die Armor ihm schlug, mit fin
sterer Selbstbeherrschung. Er setzte
sich nach dem Abendessen mit dem Gra
sen zu knier Partie nieder, entschlossen
frei. Da sie ebenso geschickt, wie
Johann ungeschickt war, fand sie
hundert Vorwände, um des ritterli
chen Lieutenants Dienste immer wieder
Der General, Freiherr Barth Blö
zu sinstcr.... Es war dein würdigen
BesAilshaber, als sähe Himer ihnen der
Kops des Mars hervor, so wie ihn ein
(Fortsetzung folgt.)
»
Künstler.»»».
In der reizenden Villa eines bekann
ten Wiener Kunstfreundes waren lieb«
Gäste eingekehrt drei Mimen eine?
unserer ersten Bühnen. Ein Held, ei»
Liebhaber und ein Komiker. Die Her
ren genossen ihre junge Freiheit mit
vollen Zügen und erfreuten sich der
glücklichsten Laune. Der erste Tag war
recht lustig vorübergegangen, der nächste
sollte noch lustiger beginnen. Um die
siebente Morgenstunde erschien der
Ortsbarbier in dem Landhaus?, um sei»
tägliches Pensum zu absolviren. Al»
der Hausherr rasirt war, sendete er Fi
garo in die Schlasräume seiner Gäste, den
damit er auch diesen seine Dienste weihe.
Liebhaber und Komiker, die gemeinsam
in einem Zimmer schliefen, ließen be
reitwillig die nicht immer ganz schmerz
lose Prozedur über sich ergehen, wäh
rend der „Held" in einem Nebenraume
sanft fortschlummerte.
Sobald sie fertig waren, begann der
Komiker ein sehr leise geführtes, aber
augenscheinlich wichtiges Gespräch mit
dem Meister des RasirmesserS, drückte
ihm zwei Gulden in die Hand und ent
ließ ihn mit der dringlichen Bitte, nur
recht bald zurüzukommen. Kaum eine
Viertelstunde später war Figaro wieder
zur Stelle nnd wurde von den beiden
Künstlern in daS Zimmer ihres Eolle
gen geschoben, nicht ohne einige bedeut
same Winke mit ans den Weg zu bekom
men. Das Schlasgemach war ziemlich
dunkel, denn die Jalousien waren her
abgelassen; nur durch die halbgeöffnet«
Thür des Nebenzimmers drang einige»
Licht „aus die Scene". Der Barbier
näherte sich behutsam dem Bette de»
Helden. „Wer da?" rief dieser, au»
dem Halbschlummer erwachend. —„Ich,
bitte aber halten sich gnädiger
Herr nur schön ruhig und schön
g'rad...." Ja, was soll denn
das? " „Bitt' schön, gleich ist'S
vorüber. Thut gar nicht weh' und dann
wird Ihnen gleich viel besser sein."
„Aber, Mensch —" „So, bitte "
„Au!"
Ein furchtbarer Fluch durchschüttert
den Raum, gleich darauf klirrt ein in
Scherben zerschmettertes GlaS und ein
Strom Wassers durchsluthet das Zim
mer; der Barbier stößt einen Schrek
kensschrei aus und flüchtet wie von
Furien gepeitscht hinaus, in den Garte«
und auf die Straße. Der Held jagt
ihm nach, aber blos bis in das benach
barte Zimmer, denn erstens ist er durch
aus nicht für die Oeffent.Mkil -tailet
tirt und zweitens sinket er feine beiden
College» in wahren Lachkrämpfen.'
„Ha!" donnert er, „Schändliche, wel
chen Schurkenstreich habt Ihr erson--
nen?!" Der Komiker kann nur wort
los in den Schlafraum weisen. Rasch
werden dort die Rouleaur ausgezogen
»nd nun entwickelt sich, beleuchtet von
den Lichtsluthen der Mvrgensonne, eine
ausregende Jagd nach Blutegeln,
deren einer von dem beschwatzten bar
bier dem armen Helden meuchling»
äpplicirt worden war. Figaro wagte
sich aber so lange nicht mehr in da»
Haus, bis ihm der Held die
feierliche Versicherung gegeben, daß er
weder „exaltirt", noch einer Blutent
ziedunqSkur bedürftig, sondern blos ge
willt sei, täglich „zum Rasiren einzu
nehmen."
Der dritte »uß.
Der Rentier Panzinger hat der Cenzi
tOOO Mark versprochen mit Handschlag,
wenn sie sich dreimal thät küssen lassen.
Die Cenzi ist eine Kellnerin gewesen,
Geld hat sie kein's gehabt aber
hübsch und brav war sie. Und weil
sie gedacht hat, ihre alle Mutter kann
das Geld wohl brauchen, hat sie „Ja"
gesagt zum Panzinger. „Also ich laß'
nuch dreimal küssen, und nachher zahlt
Ihr mir IÜOS U!ar!." „Es gilt",
sagt der Panzinger und küßt sie zwei
mal richtig aus den Mund. Die Cenzi
läßt sichs auch ganz ruhig gesallen. Wie
sie aber zum dritten Kuß den Muud
hinhält, da thut der Spitzbube, der
Panzinger nicht mehr mit. Warum?
Daß ihm die beiden ersten Küsse etwa
nickt nach Geschmack gewesen, deshalb
wirds kaum sein. Aber es mag ihn
gereut haben wegen des lieben Geldes,
oder er hat sich'S von vornherein so vor
genommen.
Die Cenzi verlangt ihren dritten Kuß.
Der Panzinger sagt, den wär' er nicht
schuldig. Die Cenzi verlangt das
Geld. Ter Panzinger sagt, das wär'
er schon gar nicht schuldig. Kurz und
gut, sie gehen zum Richter. Die Cenzi
meint, der Panzinger soll ihr wenigsten»
die beiden ersten Küsse bezahlen, die er
Vollwichtig abgeholt hat. Aber der be
ruft sich aus die Abmachung und seil»
Versprechen: „Wenn Du Dich drei
Mal küssen läßt, nachher geb' ich Dir
1000 Mark.. Jetzt sind'S erst zwei
Küsse und ich zahl' nicht!" Der Rich
ter fragt die Cenzi, ob sie den dritte»
Kuß nicht hergeben will. Freilich will
sie ihn hergeben. Der Panzinger soll
ihn nur nehmen; sie ist's zufrieden.
Der Panzinger aber sagt: Nein, er
Hätt'S nicht nöthig! —Da steht der
Herr Richter auf, faßt die Cenzi mit
der rechten Hand um s Mieder und mit
der linken unter'S Kinn nnd seht ihr
einen »egclrechten Kuß auf die runden
Lippen. Erst ist das Mädel ein wenig
erschrocken, dann aber Hat'S gelacht
denn der Richter hat sich schmunzelnd
den Schnurrbart gedreht und zum Pa»-
zinger gesagt: „So, jetzt hat sich die
Cenzi zum dritten Mal küssen lassen
zweimal von Euch und einmal von mir.
Nun zahlt Ihr die 10(10 Mark und di,
Kosten zahlt Ihr auch. Froh müßt
Ihr sein, daß ich dabei meine richter
liche Bemühung von wegen des Küssen»
nicht rechnen will!" Da hat der Pan
zinger ein saueres Gesicht gezogen und
gezahlt. 1000 Mark hat er der Cenzi
sein Lebtag nicht wieder versprochen.
Seinen dritten Kuß hat er aber auch
nimmer gekriegt. Der wäre gerichtlich
deponirt, hat die Cenzi gesagt, wie er'»
nachholen wollte. R. Hirschberg.