Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, April 02, 1891, Page 2, Image 2

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»»« «chtlleSfers«.
In dem Herrenzimmer eine« elegan
ten Chambregarili saß der würdige
NtiltergutSbesitzer Friedrich Joseph M.
am Schreibtisch. Er hatte soeben die
neuesten Depeschen des Abendblattes ge
lesen und nebenher auf dem Kurszettel
einen flüchtigen Blick geworfen. Nun
lehnte er sich nachdenklich in seinem
Stuhl zurück und ließ den Rauch der
Cigarre in langsamen Ringen zur Decke
steigen.
Friedrich Joseph konnte im Allgemei
nen mit seinem Schicksal zufrieden sein.
Nainentlich um diese Jahreszeit, wo er
einein alten Herkommen gemäß zwei
Monate in der Residenz verweilte, um,
wie er sagte, die Fühlung mit der welt
städtische» Cultur nicht zu verlieren,
war er immer sehr glücklich. ES gab
hier in der Metropole hundert Dinge,
die sein Auge entzückten, und tausend
Kleinigkeiten, die ihm, der sonst nur
Landluft genoß, interessant erscheinen
mußten.
Ja, eS hatte sich zwischen ihm und der
Residenz im Lause der Jahre eine ge
wisse freundschaftliche Vertrautheit Her
ausgebildet—Friedrich Joseph empfing
dankbar, waS ihm die gastliche Riesen
stadt bot, und die paar Winlerwochen,
die er hier verlebte, nahm er keinen An
stand, zu den schönsten seine? Lebens
zu rechnen. SeinerGattin gegenüber, der
ehrenwerthen Frau AgneS Marie, wußte
er in früheren Zeiten allerlei plausible
Gründe geltend zu machen, weshalb
seine regelmäßige Anwesenheit in Ber
tin nothwendig sei —während der letzten
Jahre indeß brauchte er seinen Scharf
sinn nicht mehr anzustrengen. Sein
Neffe Felix, der in Berlin die Zinsen
eines großen Vermögens verzehrte, mit
dessen Verwaltung der Onkel laut Te
stament-beschloß des Erblassers ver
traut war, gab nunmehr den besten
Vorwand ab. Nichts konnte natürli
cher sei», als daß Friedrich Joseph jetzt
alle Jahre einige Monate „nach dem
Rechten schaute" und „dem Jungen ein
wenig aus die Finger sah." In der
letzten Woche des Berliner Aufenthalts
pflegte dann freilich auch Frau AgneS
Marie herüberzudampfen, und wenn es
überhaupt in diesem sonnigen Dasein
Schalten gab, so war das der einzige.
So lieb nämlich Herr M. seine Frau
hatte, —hier in dieser Weltstadt, in die
sem sündhaften Babylon störte sie ihn.
Hier wäre er gern von Anfang bis
zum Schluß, allein gewesen mit seinen
stillen Neigungen und allein mit einer
Geschmacksrichtung, welche Frau AgneS
sicherlich niemals gebilligt hätte. Indeß
Friedrich Joseph war Philosoph genug,
um zu wissen, daß der Mensch geboren
wird, uni Concessionen zn inachen. Er
stieß einen resignirten Seuizcr ans,
seit gestern befand sich die Gefährtin
seiner Tage mit ihm unter demselben
Miethsdach. In diesem Augenblick
rauscht auch schon ein Gewand über die
Schwelle diesmal die „Wölfin" in
der Fabel. „Lieber Friedrich, sagt
Frau AgneS gemüthvoll, „ehe wir spei
sen gehen, laß uns ein wenig plaudern!"
Und sie jetzt sich in seine Nähe aus den
Divan.
Herr M. lächelt. Em Lächeln Hilst
über vieles hinweg, eS ist das Ein
zige, was nach der Ansicht eines griechi
schen Weisen der Mensch vor dem Thiere
voraus hat. „Wie denkst Du denn die
ses Jahr über die längst geplante
Schweizerreise?" sragt die Dame zärt
lich. Aber sie hat offenbar einen sehr
ungünstigen Moment zur Attake ge
wählt, das Lächeln sührle sie irre.
„Bestes Kind", entgegnet der Gatte und
faltet die Stirn, es geht auch dieses
Jahr nicht. Die Geschichte wird mir,
ehrlich gestanden, zu theuer. Du kennst
die große „Renovation", die ich aus
dem Gute hatte, Du weißt, daß ich bei
dem letzten Börsenkrach, verblümt ge
sprochen, auch gerade kein Geld verdient
habe. Also warten wir bessere Zeiten
ab!" Frau AgneS Marie schweigt
aus diese Argumente kann sie nichts er
widern.
Sie nimmt ein anderes Thema ans.
»Mit dem schwarzseidenen Kleid," sagte
sie jetzt, „das ich deute Bormittag von
N. u. M. bekam, scheint man mich über
tbeuert zu haben, wie ich mir nachträg
lich berechnete. Zeig' mir doch, bitte,
noch einmal die Rechnung!" Herr M.
greiit rechts in ein Schubsach. Er hat
die Angewohnheit, alle Rechnungen, die
bezahlt sind, in dieses Fach zu thun. Im
klebrigen ist er wenig mehr bei der
Sache, die nachträglichen Toiletten
debatten kennt er zur Genüge, sie lang
weilen ihn. Aber als wohlerzogener
Mann ist er verpflichtet, Interesse zu
heucheln. „Hier, mein Kind, oaS wird
die Faktura sein!" Er hat auf einem be
schriebenen NechnungSsormular die groß
gedruckte Firma R. u. M. gelesen und
reich! das Papier herüber. Frau Agnes
Marie nimmt eS in Empfang. Aber
mit einem Ruck schnellt sie von ihrem
Platz in die Höhe. „Was ist denn das ?"
ruft sie erblassend, „Gesellschaftskleid
rother Sammt Spitze SO» Mark?
Hast Du vielleicht die große Güte, mir
hierfür «ine Erklärung zu geben?"
Friedrich Joseph ist wieder ganz bei
der Sache. Er fühlt, daß er eine schreck
liche Dummheit begangen hat und rückt
verlegen an seiner goldenen Brille. Er
wußte ja garnicht, daß dieses Teufels
ding ebenfalls von R. u. M. stammte.
Er hatte daS Geld gegeben, man Halle
bezahlt »nd er dann, seiner Gewohnheit
entsprechend, die Quittung ausbewahrl.
Der Name des EmpsängerS war hier
nur durch die Formel markirt: „Ew.
Wohlgeboren empfingen", wie gewöhn
lich bei derartigen NotiS, die im Ge
schäft selbst fofort beglichen werden.
„Nun?" Die Gattin wird ungeduldig.
Herr M. aber, dessen Gedanken noch
immer nach einer annehmbaren Ausred»
herumlaufen, thut zunächst weiter nichts
als lächelt wieder. Ja, er lächelt,
während- ihm Aerger und Wuth die
Kehle zuschnüren.
Plötzlich erhebt er sich. Da ist ihm
etwas Großartiges eingefallen. .Ei,
«>." sagt er mit spöttischer Stimme,
„da» sieht ja aus wie Eifersucht! Ich
hätte mein Weibchen wahrhaftig sür
klüger gehalten. Ersten» würde ich
doch ein so compromittirendeS Blatt,
wie die Rechnung hier, nicht in meinem
Schubfach aufbewahre» und dann, mein
liebe» Kind, bin ich nicht mehr jung
genug, um sür ein Promenadeneostüm
LOO M. zu bezahlen!" Frau
AgneS Marie zuckte erregt die Schul
tern. „Vielleicht darf ich dann missen,
wem dieses Papier gehört, wenn eS
Dir nicht gehört?" „ES gehört
Felix!" „Felix?" „Ja wohl, dem
Felix, diesem leichtsinnigen Verschwen
der! Vor einigen Tagen war ich bei
ihm, um wieder einmal nach dem Rech
ten zu sehen. Und was meinst Du
wohl, das da auf einem eleganten
Rauchtischchen lag, srei und aller Welt
zugänglich? Ja, diese Quittung. Ich
machte ihm natürlich große Vorwürfe,
denn ich war sehr böse. Aber der
Junge, Du kennst ihn ja, nahm die
Geschichte von der leichten Seite und er
klärte mir, er sähe darin kein Unrecht.
Da »ahm ich das vorpus ävlioti
mit, um eS Dir zu zeigen und Dir einen
Begriff zu geben, welch' ein liederlicher
Strick Dein geliebter Neffe ist. So,
nun bist Du hoffentlich zufrieden!"
Frau Agnes Marie sagte nichts mehr.
Diese Erklärung war allerdings so
plausibel als möglich. Sie hatte den
Felix niemals für einen Ausbund von
Tugend gehalten, und er selbst halte oft
lachend sich dieser oder jener Eroberung
gerühmt. Die Dame nickte ihrem Gat
ten zu und ging in ihr Zimmer hin
über, um sür das Restaurant, wo man
gemeinschaftlich zu foupiren pflegte,
Toilette zu machen. Als sie sich allein
befand, war ihr recht kläglich zu Muthe.
Also aus der Schweizerreise wurde wie
der nichts. Sie hatte kein Glück mit
diesem Wunsche.
Andere Frauen hatten eS viel besser
als sie. Da war bei den Männern
immer irgend eine Achillesferse zu ent
decken, die dann zur Unterstützung der
«rtiger Gesuche benutzt wurde. Aber
riedrich Joseph bot nirgends eine de
ckte Stelle zum Angriff. Er war klug
and tüchtig und jedem Gegner gewach
sen, deshalb liebte sie ihn auch über
illes, aber eine kleine menschliche
Schwäche, die nur ihr bekannt gewesen,
hätte sie ihm gar zu gern verziehen.
Bierundzwanzig Stund:» später machte
Herr M. einen Besuch. Er klopfte an
die Thür seines Neffen und trat ein.
.Lieber Junge," begann er, „ich muß
he»te Deine Gefälligkeit in Anspruch
nehmen!" Felix strich sein blondes,
elegantes Bärtchen und schaute den
Onkel erwartungsvoll an. „Mir ist da
nämlich durch einen hm durch
einen ganz verteufelten Zufall die quit
lirte Rechnung über ein Damenkoftüm
in mein Schubfach gerathen, Frau Ag
nes Marie hat sie entdeckt und mir blieb
in der Nothwehr nichts anderes übrig,
»ls zu sagen, daß diese Rechnung
Dir gehört!"
„Donnerwetter!" rief Felix und
sachte, „das nenne ich einen Onkel, ich
sühle mich durch Dein Vertrauen außer
ordentlich geehrt. Also die Rechnung
zehört mir. Bitte, weiter!" „Wenn
Du uns nun nächsten» besuchst und wir
beim Nachmittags - Kaffee sitzen, dann
hast Du weiter nichts nöthig, als in
Gegenwart meiner Frau zu sagen:
.Onkel, gib mir die Rechnung wieder!"
Uuf diese Weise bin ich freigesprochen,
salls noch irgend ein Zweifel in der
Seele Deiner Tante übrig geblieben
sein sollte!" „Bah." sagte der Neffe,
.ich bin orientirt. DaS soll bestens be
sorgt werden. Du kannst Dich fest auf
nich verlassen. Aber nun komm und
laß uns ein Glaß Sekt trinken, ich muß
Dir ein paar funkelnagelneue Anekdoten
erzählen!" Und so schritten sie bald
ilrin in Arm der Weinstube zu, wo über
interessante kleine Mittheilungen aus
der Sport- und Theaterwelt die satale
Rechnung sehr bald vergessen war.
Zwei Tage später ist Neffe Felix bei
seiner theuren Tante zum Kaffee. Man
sitzt behaglich plaudernd um den Tlsch,
die Henen rauchen »nd Frau Agnes
Marie macht die liebenswürdigste Wir
thin. Plötzlich sagt Felix sehr unver
mittelt: „Du, Onkel, sei doch so gut
und gieb mir die Rechnimg, die Du
neulich von mir mitgenommen hast!"
Herr M. will hastig aufstehen, aber die
Dame des HaufeS, welche in den Ge
sichtern ihrer Herren etwas zu lesen
glaubt, das wie ein Einverständniß
aussieht, und die von einer Ahnung
durchzuckt wird, bittet ihren Gemahl,
Platz zu behalten. „Stc«e doch jetzt
nicht die Gemüthlichkeit, Du kannst ihm
die Rechnung ja nachher geben!" Und
man plaudert weiter. Agnes Marie
namenllich ist unterhaltender denn je.
So versließt ein halbes Stündchen. Da
erhebt sich die Hausfrau, verlaßt das
Zimmer und kehrt bald daraus zurück.
In der Hand hält sie ein weißes Blalt.
„Hier, lieber Felix," sagte sie zu ihrem
Neffen, „ist Deine Rechnung. Ich habe
sie gelesen und finde solche Ausgaben
unverantwortlich!" Herr M. begreift
nicht, wo seine Frau in der Eile das
Papier herbekommen hat, aber es sollte
ihm bald klar werden. „Die Rechnung
gehört Dir doch, Felix?" fragt die
Taute. Der leichtsinnige junge Herr,
dem der Onkel leider nicht gesagt hat,
daß es sich um ein hochelegantes Gesell
schasts-Kostüm von rothem Sammet
handelt, blickt flüchtig auf die Faktura.
„Natürlich," ruft er lebhaft, „es ist die
meiuige. Ich bedaure, geliebtes Tant
chen, daß ich Dir vielleicht einen kleinen
Aerger bereitet habe, aber die betres
senve Dame, eine junge Schauspielerin,
im Theater, bat mich so dringend
na, und ich bin doch kein Barbar!
Ich sage Euch, da» schwarze Seideu
kleid stehl ihr entzückend! —„Ein schwar
zes Seidenkleid?" will Herr M. rufen,
aber er besinnt sich und nimmt das
Blatt aus, das der phantasiereiche Neffe
einstweilen aus den Tisch gelegt hat.
Da sühlt Friedrich Joseph seine Stirn
seucht werden, —die Rechnung, die er in
Händen hielt, gehört seiner Frau.
Der arglose Nesse hat durch seinen Ue
bereifer die Schuld des Onkels enthüllt.
!ll» ein Stündchen später die beiden
Batten endlich allein sind, sprechen sie
zunächst kein Wort. Endlich sagt Frau
Agne« Marie: „Mann machen wir
also die Schweizer Reise?" „Diesen
Sommer," beeilt sich Friedrich Joseph
zu erwidern, und rückt seine goldene
Brille. Lächeln konnte er dabei nicht,
der arme Mann mit der entblößten
Achillesferse, denn das Lächeln war ihm
vergangen.
«in moverner Kreier.
„Also meine älteste Tochter kriegt eine
Billa, meine jüngere ein HauS in der
Stadt." „Was brauch ich e Villa, ich
«emm lieber das HauS in der Stadt."
Studiosus (zu seinem Schneider):
„Herr, wenn Sie Einen so ost mahnen,
da möcht' Emen, wirklich alle Lust zunr
Schuldenmachen vergehen!"
Leise Nndentung.
„ Aber ich bitt' Sie, Herr Pro
fessor, vier Mark sür eine Nachhilsstunde
dei Ihnen sind' ich doch recht hoch!"
.Ja, billigere Stunden gibt es schon
aber wenn sie Jlir Bub' wo anders
»immt, fürcht' ich immer, erfüllt bei mir
durch!"
Die Ente alSHutschmuck.
Eine hundert Jahre
»fte Pariser Sveisekarte im Besitze des
Berliner Kunst-Antiquariat» von Mai
zeigt, wie üppig man 1791 in Paris
trotz aller RcvolutionSstürme lebte.
Einem deutschen Diplomaten imponirte
damals die Reichhaltigkeit dreser Speise
karte derart, daß er sie aus seinem Gast-
Hause zum Andenken mit in die Heimath
»ahm und unter Glas und Rahmen
sassen ließ. Diese Karte enthält meh.
eere Hundert Nummern und beginnt mit
der stattlichen Zahl von vierzehn Sup
pen. Unter diese« befindet sich eine
„Gesundheitssuppe"; es sehlt auch nicht
die „Julienne", sowie Brot-, Kohl- und
Kartoffelsuppe. Des weiteren finden
«vir die verschiedensten Gerichte. Sauer
kohl ebenso gut, wie Trüffeln in Cham
pagner. Der berühmte Küchenmeister
aus der Zeit Ludwig XIV., Bechamel,
dessen Kartofsel-Ziibercitung noch heute
beliebt ist, paradirt aus der Karte mehr
fach mit Gerichten, z. B. mit „Pasteten
ala Bechamel". Fremd sind uns die
damaligen.Häsename», mit Ausnahme
des Roguesort. Unter den Likören
wußte man schon I7VI das Danziger
Goldwasser in Paris zu schätzen. An
genehm bescheiden Ware» damals die
Weinprcise, Hochfeiner Chablis z. B.
ist mit zwei Franke» ausgezeichnet.
Kanzelhöflichkeit. König
Jakob I. von England verließ einst sei
nen gewohnten Spaziergang, um
einen berühmte» Prediger zu hören.
Als dieser den König eintreten sah, ließ
er seinen Text sollen und begann gegen
das lasterhaste Fluchen loszuziehen.
Der König, der wegen seines steten
Fluchens bekannt war, fragte nach de
endigtcr Predigt den Geistlichen, weS.
halb er nicht bei seinem ursprünglichen
Texte geblieben sei. Der Prediger
antwortete: „Da Ew. Majestät Ihren
Weg der Predigt wegen verlasse» haben,
so konnte ich nicht weniger thun, als den
meinlge» verlassen, um Ew. Majestät
entgegenzukommen."
Ein idealer Chef. Prin
jipal: Maier, warum machen Sie so
kleine Buchstabe»? Haben Sie denn
gar keinen Sinn für etwas Höheres?
Sin »Stze verschachert.
Der Chinese ist Geschäftsmann vom
Scheitel bis zur Sohle, Der HandelS-
und Schachergeist steckt im ganzen Volt,
und Nichts genießt Achtung, wenn es
keinen Geldwerlh repräfeniirt. Diese
Anssassung durchdringt daS gauzeVolkS
leben ohne Ausnahme, und spielt sogar
auf ein Gebiet hinüber, daß seiner Na
tur nach jede Geldspeculation auszu
schließen scheint, nämlich die Religion.
Hier äußert sich der chinesische HanvelS
trieb in einer sür Andersdenkende be
lustigenden Weise. Einmal ist China
das einzige Land, in welchem die
Priesterkaste, die Bonzen, die niedrigste
Stellung unter allen Ständen einnimmt.
Sie sind zu schmutzigen, unwissenden
Bettilpfassen herabgesunken, denen kaum
mehr auvertraut wird, als die Reinhal
tung und Aufsicht der Tempel.
Amüsant »st auch die Art, wie der
Chinese betet. Er glaubt natürlich,
wie manche andere Völker, daß die
Länge des GebeleS über dessen Werth
entscheidet. Andererseits ist ihm aber
auch Zeit Geld, und da das Beten direct
nichts einbringt, so würde er mit lan
gen Gebeten zu viel Zeit verlieren.
Da kam ein tluger Kops aus de« köst
lichen Einiall der Gebetmaschinen. Auf
einem Rädchen, welches mittels einer
Kurbel in schnelle Umdrehung versetzt
wird, haspelt sich ein aus einen langen
Papierstreisen geschriebenes Gebet ab,
welches etwa eine Stunde dauern würde,
wenn der Beter eS hersagt. Statt des
sen dreht der Andächtige nach Entrich
tung einer kleinen Gebühr an den Tem
pelschatz daS Rad einige Sekunde» um
und die Arbeit ist gethan. Getröstet
und mit gutem Gewissen zieht der Sohu
Kohis sürbaß.
Lei Söyr in M-Ilstriißr.
Einen lebendigen Beweis dieser chine
sischen Verschmelzung von Schachergeist
and Religion erhielten die New Yorker
oor einem Jahre durch das erbauliche
Schauspiel der Ausstellung eines chinesi
schen Götzen in dem bekannten Chine
sentempel der Mottstraße. Ein gewis
ser Li Fong Pao, der Besitzer einer
Waschan'.alt de» Hoboken, halte den
etwa sechs Fuß hohen und mit großer
Kunst ans Porzellan hergestellten Gott
»ns China importirt und dessen Echtheit
den Zweiflern gegenüber durch glaub
würdige Urkunden nachgewiesen. So
erlangte der Porzellanyötze, der in sei
ner Gestalt lebhaft an die in der Rok
kokoznt so beliebten Pagoden mit den
ewig nickenden Köpfe» erinnert, in, Tem
pel volles Bürgerrecht. Doch durste
die Andacht vor ihm nur gegen Ein
trittsgeld verrichtet werden.
Ein Kassirer zog mit strenger Miene
von jedem Beter 25 Cents sür jedes
rinsache Gebet ein, und ein Betrad, ans
welchem ein berühmter Segen aus Nan
king abgehaspelt werden konnte, erhöhte
noch den Glanz und die Weihe des
Götzen. Was dieser eigentlich vorstellen
sollte, ob die buddhistische Dreibeit des
Fvhi, oder irgend einen Nationalhel
den, darüber zerbrechen sich die Wenig
sten den Kopf. Der ursprünglich rein
pmttheistische oder vielmehr völlig
itheistische Brahmadicnst ist in China
bald zn einem öden, poesielosen Fetisch
dienst entartet, in welchem eS von den
lächerlichsten Abstraktionen wimmelt.
ES wäre daher nicht unmöglich, wenn
dies Bild beispielsweise etwa den Gott
der Reinigung mit den Untergöttern der
Seife und des Chlorkalks darstellt.
In einem Jahre bat der Götze seinem
Eigenthümer das hübsche Süinmchen
von 4V(X) Dollars eingebracht. DaS
begeisterte einen anderen Zopstrnger zu
tinem Kausangebot von Dollars,
and kürzlich bat der Götze seinen Herrn
zewechsett. Menscheugunst ist wandcl
bar, dachte sein tluger Eigenthümer und
strich vergnügt den blanken Kaufpreis
iu.
Wahre Liebe Sir Robert
karclay, welcher das britische Geschwa
der in dem Tresse» aus dem
Zrie-See besehligte, war durch die
oährend des Kampfes erhaltenen Wun
den furchtbar verstümmelt worden; er
hatte de» rechten Arm und ein Bein
»rlvren. Kurz vor seiner Abfahrt von
England hatte er sich mit einer jungen
Dame verlobt, die er zärtlich liebte.
Da er nun wohl fühlte, daß er nur
»och ein Wrack war, so sendete er gleich
»ach seiner Rückkehr in sein Vaterland
kiaen Freund zu seiner Braut, welcher
sie von seiner Verstümmelung benach
richtigen und ihr zugleich im Namen
garclays melden solle, daß er unter
besagten Umständen bereit sei, sie ihrer
Verpflichtungen gegen ihn zu entbinden.
.Sagen Sie ihm," erwiderte das edle
Mädchen, .daß ich mit Freuden die
Seinige werden will, wenn er nur noch
so viel Körper übrig hat, um seine
Seele zu halten."
Logisch. Wie kommt es, daß
Philosophen oft die häßlichsten Frauen
Weil man bei einer schönen
Frau alle Philosophie vergißt.
Naschingtliede.
Fasching, tolle, herrliche Zeit käm',
ach, nur nicht so oft das Aschermittwoch
weh hinterdrein!
So, wie die Resi, arbeitete doch keines
von den vierzig Mädchen, die in dem
„Atelier sür Tamenconsection" die Na
del sührten. Die Fleißigste ivar sie
und dabei kreuzbrav. Wenn die Colle
zinnen sie nur „die Madonna" nann
ten, so wußten sie warum, aber leiden
mochten sie die Resi darum doch Alle,
war s!e doch so herzensgut und allezeit
lustig und zufrieden. Und hübsch war
sie auch, das bemerkten die Herren gor
wohl/ die wie gebannt stehen blieben,
znweilen anch mit eiligen Schritten sie
eine Strecke weit rersolglen, wenn sie
des Abends iu flinkem Lauf ihrer Woh
nung zueilte.
braunen Augen nach dem Stück blauen
Himmel über dem Hofe schauten? Tann
flogen die Gedanken über das große
München, über die Ebene und den
Fluß, und ließen sich dort, wo die
Berge aussteigen, aus einer grünen
Wiese eilig nieder.
Auf der Wiese im Sonnenschein
sprang jubelnd ein Kind, ein herziges
Mädel, das sast aus die blonden Flech
ten trat, die ihm über den Rücken hin
gen. Mit Augen blau wie Vergißmein
nicht schaute es in die Welt, und den
Mund, den kleinen rothen Mund, den
mußte man küssen. Ganz genau wie
eins der Englein, die in rosigen Wollen
ans dem Altarbild daheim um die hei
lige Jungfrau flattern, sah es ans das
Annerl! Wie lieb sie es hatte die Resi,
als wäre es ihr eigen Kind. Und das
war es ja beinah auch. Wie sie gerade
zwöls Jahre alt war. war die kleine
Schwester geboren worden, nnd noch am
gleichen Tage hakte d?e Mutter die Au
gen geschlossen. Da hat sie es ans die
llingen Arme nehmen müssen und, selbst
noch ein Kind, hat sie an dem Annerl
alle Mnltersreudc und alles Mutterleid
kennen lernen. „DaS Kind", das war
bald ihre Welt, ihr Leben, und wie der
Vater sich auch auf's Sterbebett legte,
da konnte er getrost sagen: „Resi, Du
hütst mir das Annerl!"
Wie ihren Angapsel hat sie daS liebe,
herzige Geschöps gehütet, bis die bittere
Trcnilungsstulide kam. Daß sie kom
men müsse, das sah daS Mädchen mit
dem klugen Kops und den klaren Angen
wohl ein. Was sür ein Glück konnte
ihr da draußen auf dem Dorfe blühen?
Die Burschen sind auch nicht anders, als
die Sladtherren. Zum Lieben und
Sitzenlassen ist so eine blutarme Dirn
gut genug, aber mit dem Heirathe» hat
es gule Weile bis in die Ewigkeit. Da
hatte sie es ivie eine Fügung des Him
mels angesehen daß die Münchener
Familie in die Sommerfrische gekvin
me» war und die Frau Professor sie
in ihr Herz geschlossen und mit in die
Stadt genommen hatte. Wie die srennd
liche Dame plötzlich starb, da hatte sie
genug gelernt, um in ein Putzgeschäst
einzutreten, wo sie in verhältnißmäßig
kurzer Zeit zur ersten Arbeiterin vor
rückte.
Mühselig war ihr Dasein, aber
was that'S! Immer wieder veränderte
sich die Zahl por den Nulle» in ihrem
Sparkassenbüchelein, und so ost sie eS
hervorholte, jubelte eS in ihrem Her
zen: „Das Kind soll es gut haben, das
soll sich nicht so plagen!"
Freilich alt wurde sie auch bei der
Arbeit, sie ging schon in'S sicbeiiuiid
zwaiizigste! Immerhin! ein junger
Wittwer, ein kleiner Beamter vielleicht
findet sich schon noch, wenn das Annerl
versorgt ist!
Ganz ohne Liebe wollte sie ja auch
nicht dnrch'S Leben gehen, wenn sie auch
die leichtsinnige» lustigen Geschöpfe „die
Madonna" nannten. Sie hatte auch
warmes Blut und ein Herz, das häm
merte.
Da war ihr der Maler, der Ferdi
nand mit dem schwarzen Schnurrbart
und den Brandaugen in den Weg getre
ten, einmal, zweimal und immer wieder.
Sie hatte ihn so grob abgefertigt, wie
noch Keinen, und wer davon gelaufen,
als sei die Sünde hinter ihr her. Fürch
tele sie sich etwa vor sichselbst? Warum
zuckte sie zusammen, wenn sie ihn in der
Ferne sali, warum schnürte ihr etwas
die Kehle zu, wenn der Atelierklatsch
seinen Namen brachte?
„Das ist ein Gefährlicher!" lautete
das Urtheil der Erfahrenen. Es mußte
wohl so sein! Resi Hütte eine schlimme
Zeit durchzumachen, sie wußte nicht,
warum, sie war krank, sie wußte nicht
woran.
Damals überkam sie eine Sehnsucht
nach „dem Kind", die nicht mehr zu
stillen ivar. Und als sie eS gar nicht
mehr ertragen konnte, da setzte sie sich in
den Zug und Holle ihu herein, ihren
blonden Schatz. Jetzt hatte sie, wonach
sie verlangte, ein Wesen zum Herzen
und Küssen, und eS wurde ihr wieder
ei» wenig leichter nm's Herz.
Ein bischen erschrocken war sie schon,
als sie das Annerl wiedersah. In die
Höhe war es geschossen und sah sast
über sie hinaus, aber zart war es noch
immer und so holdselig wie das Eng>
lein aus dem Altarbild.
Weit draußen vor München bei einer
alten Frau, die halb taub und blind
war und dringend einer Unterstützung
bedurfte, hatte sie das Annerl unterge
bracht, Mit keinem Schritt sollte es
hereinkommen in die schlimme Stadt,
da draußen sollte er wohl gehütet uns
geborgen sein, der .goldige Schatz".
Sonntags fuhr Rest hinaus, und eS
war dann der schönste Wochenlohn,
wenn sie den Kopf, den jetzt die schweren
goldenen Flechten wie eine Krone um
gaben, so recht innig an s Herz drücken
konnte. Was noch von Finsterem in ihr
nistete, das flüchtete bei dem herzhasten
Lachen der K leinen.
Als sie einmal mit dem letzten Pferde
bahnwagen von draußen hereinfuhr, da
ereignete sich, was sich nicht hätte ereig-
nen sollen. Der Maler stieg ein. Sie
wollte aufspringen und hinausstürzen,
aber sie fand nicht die Kraft. Er war
so höflich, so scin-licbenswürdig, daß
sie ihm schon antworten mußte auf seine
schönen Reden. In seiner tiefen, wei
chen Stimme mußte das liegen, was sie
berauschte, was ihr die Kraft aus dem
Körper fog. Wie er das fagte: „Gute
Nacht, Fräulein Resi und auf Wie
dersehen !"
„Richt aus Wiedersehen, nicht aus
Wiedersehen!" betete sie wohl hundert
Mal in der frlgenden Nacht.
Und doch: auf Wiedersehe»! An der
Straßenecke hatte er sie erwartet. Mit
seiner bestrickenden weichen Stimme re
dete er auf sie ein. Sie solle doch mit
ihm die Redontc besuchen. Sie habe
kie einen Ball besucht und werde eS nie
thun. Ein, Mal, ein Mal sei ja kein
Mal! er wolle ihr morgen ein Kostüm
schicken, sie könne es sich ja immer noch
überlegen. Der armen Resi wirbelte
es im Kopfe.
Wirklich sand sie am nächsten Tage
einen Korb in ihrer Wohnung vor und
darin„eine Spanierin", gelberAtlas mit
Schwarz; Schuhe, Stiesel, Schleier und
Fächer, Alles war dabei. Wie sie in
das Kostüm kam, sie wußte eS nicht.
Plötzlich sah sie die fremdartige Erschei
nung und schlug die Hände vor'S Ge
sicht. Aber sie schaute doch wieder hin
und wunderte sich, wie fchön sie fei.
Krampfhaft riß sie an den Haken, das
Gewand loszubekommen, das ihr auf
dem Leibe brannte. Zu spät da
rollte schon ein Wagen.
Ein Riesensaal mit Hunderten von
Lichtern, Hundcrlen von lachenden, joh
lenden Menschen, ein Trompeten und
Rasseln und Dröhnen es war ein
wilder Traum, Mitten durch das bunte
Gewühl flog Resi, eine Resi, die sich
nicht kannte, die meinte, aufjubeln zu
müssen mit den Geigen dort oben, sprin
gen zu müsftn mit den Harlekins, die
eben erst geboren war, die zum ersten
Male fühlte, wie das Blut durch die
Adern lief.
Dunst verhüllte die Gasflammen, als
sie in einer rothausgeschlagenen Nische
Platz nahmen und der Champagner im
Glas vor ihnen perlte Gierig stürzte
Resi den kalten prickelnden Goldsast
hinab, den brennenden Durst zu stillen.
Es sauste und brauste durch die Luft,
wie Orgelton kam es daher. Da war
ihr K opf an seine Brust gesunken. Und
wie seine heißen Lippen die ihren be
rührten, da hatte sie die Augen fest ze
fchlofseir. Mochte die Welt in Trümmer
gehen!
Jetzt lebte die Resi. Sie begriff gar
nicht, wie sie eS bis jetzt vermocht ohne
ihn, den Schönsten, .den Besten, den
Liebsten!
Sie, das kluge sorgliche Mädchen,
fragte nicht mehr, was werden sollte.
Wenn eS mir morgen ist. w ; er sie
nur lieb behält, wenn sie nur l.iueiii
schaucn kann in die schwarzen Augen
«nd an seinem Halse hängen darf.
Einmal stand sie mit ihm an der
Isar. Unter ihnen schoß der reißende
Fluß dahin. Ta war ihr, als wanke
das Geländer, an welches sie sich lehn
ten, und sänken sie hinab in den Fluß.
Wie in süßer Trunkenheit schloß sie
die Augen. So mit ihm versinken, o, wie
väre das himmlisch!
Oester als srüher fuhr sie hinaus zu
dem Annerl und inniger noch drückte sie
die blonde Schwester an's Herz, als
habe sie ihr ein Unrecht abzubitten O,
die sollte auch glücklich werden, aber
anders, ganz anders als sie! »
Ferdinand halte viel Talent, aber er
konnte nicht „auskommen". Mit herber
Bitterkeit äußerte er sich oft über sein
künstlerisches Mißgeschick. Da war
einmal Gelegenheit geboten, sich einen
Namen zu machen. Eine Preiskonkur
renz war bezüglich des St. Agnes Al
lares in der neuen Kirche zu H. ausge
schrieben. „Die jugendliche Heilige,
das Lamm haltend, inmitten der sie
umspielenden Flammen, die ihr nichts
anzuhaben vermögen" sollte den Vor
wurf bilden. Mit wahrem Feuereifer
ging der junge Maler an die Arbeit.
Aber bald machte seine freudige Zuver
sicht einer tiefen Verstimmung Platz.
„Im Kopfe habe ich es," rief er ost,
„aber ein Modell vermag ich nicht zu
finden. All' die saden Fraven tauge»
nichts, da läßt sich die kindliche Unschuld
nicht hineintragen."
Mit jedem Tage wurde seine Laim«
schlimmer? Einmal zerschnitt er all'
seine Versuche mit dem Messer.
„Ich werde verrückt, wenn ich'S nicht
finde!" schrie er wild und ließ seinen
Kops auf den Tisch sinken.
Da brach das Eis, da mußte Resi eS
sage«, so hart und lange sie gekämpft.
Was war auch Schlimmes daran, wenn
das Kind zn Gottes und der Heiligen
Ehre gemalt wurde? K onnte sie ihn so
leiden sehen, den theuren Mann ?
„Ich schass' Dir das Modell, Ferdi
nand—ich hab' Dir ein Geheimniß mit
zutheilen : ich muß es, weil ich Dich so
unendlich lieb habe. Du wirst K einem
den Schatz verrathen, den ich Dir zeigen
will!"
Und nun erzählte sie ihm von dem
Annerl.
Das war ein Jubel, als der Maler
draußen die Skizzen fertigte, und das
war ein Jubel, als er mit dem süßen
Heiligenbilde auch wirklich den Preis
errang.
„Dir gehört er zur Hälfte, Du gute,
liebe Resi!" rief er einmal über das
andere und wollte sie fast erdrücken vor
Liebe und Dankbarkeit.
Das war der glühende Rachmittag
der Liebe, dann kam der Abend; die
arme Resi Mußte nicht, warum noch wie.
Erst war er zum Stelldichein zu spät,
dann einige Male gar nicht gekommen.
Und kam er. so war er so auffallend ge
sprächig und lustig, wie früher nie.
Im Englischen Garten war es. Mehr
als eine Stunde hatte sie vergeblich ge
wartet, endlich traf er ein und begann
sofort von tausenderlei gleichgiliigen
Dingen zu reden. Sie hörte nichts, sie
sah ihm nur starr in'S Gesicht.
„Und eine» Kuß bekomme ich heut«
Richt?"
„Ach so!"
Er hatte das Küssen vergessen! T»
wurde es ihr mit einem Mal sonnen
klar. Bedeild trat sie zurück, und weih
wie eine Leiche stand sie vor ihm.
„Du hast mich nicht mehr lieb? Du
magst eine andere. Sag' es doch, sag«
eS!"
„Ach was. Unsinn!" Er hatte sonst,
wenn er eines Verhältnisses müde war,
sehr wenig Umstände gemacht. „Ans
ist es, mein Kind!" hatte sonst dii
knappe, entscheidende Phrase gelautet.
Aber vor der Resi hatte er gar viel Re
spect und eine gewisse Scheu. Aber wie
sie jetzt so hestig in ihn drang, da würd»
er doch böse »nd ries:
„Und wenn es so wäre?"
„Es ist so, eS ist so!" und in wilde,
Verzweiflung stürzt Resi davon. Wi«
wahnsinnig länst sie und hält nicht an.
öis sie an der reißenden Isar, an jene,
Stelle steht, wo sie einst mit ihm zu ver
sinken glaubte.
„Hinab, hinab!" Da aber scheint
ihr „das Kind" aus den Wellen zu stei
gen, sie besinnt sich und todtmüd«
schleicht sie nach Haus.
„Es war aus", und die Rest wa,
nicht das Mädchen, das Versuche machte,
das zerrissene Band wieder zu knüpfen.
Die Welt war ihr öde, daS Leben ein«
Last geworden. Sie hätte eS kein«
Stunde getragen, wäre „das Kind"
nicht gewesen und die Erinnerung. Je
den Tag, jede Stunde durchlebte sie nock
einmal, jedes Wort NMrde wieder ge
sprachen, jeder Kuß wieder geküßt
Was um sie vorging, sah sie wie iir
Traum. Ein Erwachen waren nur d«
Stunden „draußen". Das Annerl
war so selbständig geworden, so lustig,
so zufrieden. Jetzt war sie es, die d>«
Schwester an sich zog und küßte unt
herzte.
Wieder war der Fasching da. Kann
ein Jahr, und was hatte Resi besessen
und verloren, erlebt und erlitten! Wa 4
war ihr der Fasching mit seiner toller
Lust!
Eines Abends war sic ihrer Stuben
nachbarin Paula behislich gewesen, ih»
tt'ostüin für die Redoute anzulegen.
Als „die Zigeunerin" davongesaust,
blieb sie noch im Zimmer, nm diesei
wieder in Ordnung zu bringen. Ein«
Menge Tinge, darunter auch ein altei
! fleckiger brauner Domino, lagen zeo
i streut auf dem Boden umher. S«
nahm ihn auf, aber vermochte nicht wie
der ihn wegzulegen. Es war, als hätt,
mit der Berührung die Sehnsucht zr
! sehen, zu wissen sie unwiderstehlich er>
saßt. Er war dort sie wußte eS,
! Wenn sie ihn sehen würde, ihn und du
! Andere, dann würde d«H Haß sich woH
, endlich einstellen, könnte sie ihn heraus-
reißen ans dem Herzen und frei werde«
von der Qual. Mitten im Zimme!
stand sie, die Ma?ke in der Hand, vor
dem Gedanken wie von gierigen Kralle»
fester und fester erfaßt.
In derselben Nische saß sie dann w»
damals, und durch die Larven spähte,
die Augen aus nach ihm. Uiiablässi,
wogte die bunte Menge vorbei, Tau
sende von Gestalten wirbelten vorüber,
ihn erblickte sie nicht. Da bemächtigt«
sich ihrer auf einmal eine unsagbar«
Freude: er ist nicht da. Sie ivollte aui>
springen von ihrem Sitze, aber sofori
sank sie wieder zurück. Dort flog- ei
vorüber, in seinen Armen eine schlank,
Spanierin. O, sie kannte das Costürir
gelber Atlas mit Schwarz. Wie sii
sich an ihn schmiegte, wie er zu ihr nie
derschaule. Die Beiden verstanden sich
dies Weib liebte ihn, wie sie ihn geliebt'
Jetzt hatte sie gesehen und doch.bliet
sie wie gebannt sitzen. Stunden vertan«
nen, sie bemerkte eS nicht. Da endlich
kam er wieder mit seiner schlanker
Gesährtin gerade ans die Nische zir
Sie nahmen Platz, der Champagne,
wurde gebracht.
„Aber nimm doch die La>we ab
Schatz."
„Meinst Du?"
Und die Larve siel.
„Jesus Maria, das Kind!" schri,
das Weib aus. Man Hütte es weithir
hören müssen, hätten die Trompete»
nickt so furchtbar geschmettert. Un>
wieder und wieder schrie es die Resi,
wie sie durch die verschneiten Straße«
rannte: „Vater im Himmel, und ich
hab' sie verlaust, verkaust um die salfch«
Lieb', das Annerl, das KinZ "
Die Isar rauschte, das Wasser schof
dahin, sie kannte die Stelle wohl.
Am Gebüsch war ein Fetzen von den
braunen Domino hängen geblieben.
Gute Antwort. Herz»;
Bernhard von Weimar, nachdem er sict
IVZI vom Bündniß mit den Schwede?
losgesagt, schloß eine Allianz mit Frank
reich. Kardinal Richelieu strebte dar
nach den Herzog zum Vasallen Frank,
reichs zu erniedrige», indem er ihm de»
Feldzngsplan vorzeichnete. Ja, es ging
so weit, daß auch der Pater Joseph dv
Tremblei, der Liebling des Kardinals,
hineinredete, wenn Richelieu mit Bern
So auch, als eS sich um die Belagerung
der Festung Breisach handelte. Pate,
Joseph wagte eS, dem Herzog mit den
Finger auf dem Festungsplan die Stel
len zu weisen, wo er Bresche schieße»
und Angriffe unternehmen sollte. De,
Herzog, der eine Zeit mit gerunzelie,
Stirn zugehört, brach endlich los: „Dae
ist Alles recht gut, wenn man nu-
Festnnge» mit der Fingerspitze nehmet
könnte!" Er lehrte den beiden Prie
stern den Rücken, verließ das Zimmer
ging zur Armee ab und nahm Breisach
das bis dahin für uneinnehmbar gegol
ten, mit Sturm.
Gedankensplitter. Bu
den Steinen, mit welchen die Mitwel,
auf große Männer wirst, baut nich!
selten die Nachwelt Denkmäler ihre»
Größe!
Unter Dichtern. Nun
wie geht's Freund? —lch sterbe lang
sam, gestern hat man wieder ein Stück
von mir begraben.