2 m vino Er saß neben ihr an. der langen Sylveslertasel. Und da. er ein flott« Etüden! und sie ein pköchtigeS Mädchen war, tran! er ihr „Volles Herz und leeres Glas! S« haben Sie es zu verstehen, wenn ich nur trinke." Und sein Herz war so übervoll, daß ei die Donau, so sie Wein statt trüben Wassers sührte, HKtte austrinken mögen, j „UmGotteSlrÄlen, lieber Herr Otto" —in ihrer Anyst um den übermüthigen Burschen war ihr das .lieber' und .Otto' entschlüpft „trinken Sir nicht so viel, «s wird Jh«en schaden. Ihre Angen leuchten sch«> so eigenthümlich. Schauen Sie mich nicht so an: man wird ja aus uns aufmerksam. Wie kann nur ein «enlinstiger Mensch so maßlos sein. Beherrschen Sie sich mir zu Liebe." Sie wurde seuerroth, schüttelte energisch den Kopf und setzte rasch hinzu: „Was geht'S mich übrigens an, blamiren Sie sich nur immerhin." „Ihnen zu Liebe aufhören? Nie! Gerade das Gegentheil, und gerade aus diesem Grunde. In den Augen liegt die Seele, in meiner Seele sind nur Sie. Meine Augen spiegeln sich in der goldigen Fluth des Weines, ich sehe Sie wie in einem Nahmen darin, nnd «un muß ich Ihres Bildes habhaft Werden. Ich setze an und trinke; das berückende Bild ist verschwunden. Und nun will ich vernünftig trinken. Aber Zkaum sehe ich em volles Glas vor mir, lockt wieder Ihr Bild aus demselben. Und so kämpf« ich den Kamps wider Sie bis zu dem letzten Wein tropfen." Sie lächelte über diese Weinlegende. „Sehen Sie, meine Logik hat Sie bezwungen. Ueberdies ist diese Folge richtigkeit meines Denkens der beste Beweis, daß ich meiner Sinne vollstän dig mächtig." Aber er trieb diesen Bilderkultus zu weit. Das Bild seiner Nachbarin tanzte nicht mehr aus der „goldigen Fluth", sondern sie selbst schien ihm auf ihrem Sitze hüpfende Bewegungen zu machen. Nun schloffen sich ihr die anderen Tafeltheilnehmer an und plötz lich raste Alles wie im Ringelspiel um ihn. Er hielt sich krampshast auf feinem Sitze fest, kalter Schweiß trat auf seine Stirn, sein frisches Antlitz überzog Todesblässe. Im Dusel des Rausches wurde er sich seiner Lage bewußt; er hörte ringsum zischeln, spöttische, abfällige Reden laut werden. Nur die, die mit ihrem Wein bildniß dieses Unheil angerichtet hatte, nahm sich seiner an. „Herrn Walter ist übel geworden. Er hat mir schon früher über Kopfweh geklagt, nur wollte er durch fein Fort gehen nicht die Stimmung der Gesell schaft verderben." Und während sie so den abscheulichen Verdacht der Trunkenheit von ihm ab zuwälzen suchte, labte und erfrischte sie ihn, bis er einigermaßen zu sich kam. Als er merkte, was geschehen, gelang es seiner Willenskraft, die letzten Spuren des plötzlich über ihn gekommenen Zu standes zu zerstreuen, und mit dem dank baren Blicke eines Kindes flüsterte er noch blaß, aber lächelnd seiner Nach barin zu: „In viao vsriws. Die wahre Liebe schrickt auch vor dem Rau sche des Nächsten nicht zurück. Was der Trunkene empfunden, wird Ihnen der Nüchterne nie vergessen. Darf ich mit Ihren Eltern sprechen? Ich ge lobe, nie wieder" hier machte er eine kleine Pause „über den Durst zu trinken." Und Gott erhielt ihm einen anständi gen Durst. Zur Beruhigung. Kommt ein Verweis im Amt dir unge legen, So bleib hübsch klug und laß' dich nicht ausregen: Denn der ihn gab, hat mehr geärgert sich, Als du vielleicht das tröste dich! Vor nunmehr etwa sechs zig Jahren erhielt ein Stabsofficier das Commando einer Festung im Elsaß, nnd diensteifrig und für die Soldaten be sorgt, begann er sich mit jeder Einzel heit des Dienstes bekannt zu machen. Bei einer seiner Inspektionen fand er eine Schildwache ohne sichtbaren Zweck neben einem wurmstichigen und in Trümmer sollenden Staket, das eine» Hof ohne nachweisbare militärische Be deutilng in zwei Theile abtrennte: der Commandant erkundigte sich beim Major nach der Nothwendigkeit, hier eine Schildwache auszustellen; man antwor tete ihm, daß sie immer da gewesen sei, und daß sein Vorgänger schon sie dort gesunden und beibehalten habe. Das war kein Grund um den hartnäckigen Commandanten zu befriedigen, muß man endlich Nachforschungen anstellen; man durchstöberte die Registraturen,alte Papiere, Tagebücher, die sich in der Fe stung finden, und entdeckt endlich, daß vor 3S Jahren jenes Staket, welches damals einem militärischen Zwecke diente, wieder hergestellt uud angestri chen war. Die Schildwache sollte ver hüten, daß die srische Oelsarbe berührt werde. Seitdem war der Posten —35 lange Jahre —an dieser Stelle geblie ben, und 3 Soldaten aus je A4 Stunden gerechnet, hatten etwa 40,000 Mann die Oelsarbe bewacht. Ein Radi cal mittel. Jw Theater belästigt ein Herr seinen Vor oermann, über dessen Schulter er sich unausgesetzt lehnt. Blicke und Bewe gungen sind wirkungslos. Da zieht der gedrängte sein Schnupftuch und sährt seinem Hintermann damit gegen die Nase. Wüthend schnellt dieser zurück: ,WaS soll das heißen, mein Herr?" .O, Verzeihung, ich dachte, das wär' meine Nase!" Auch ein Berus. „Was macht Ihr Sohn, welchen Berns hat er gewählt?" „Er wartet jetzt auf eine brillante Partie. Ver gute «ameras. Glockenklang? Ja. morgen ist dn erste Tag des neuen Jahres. Henne Sccseldt stand vom Fensterplatz auf unt ging mürrisch und zwecklos in dai Zimmer hinein. Gleichgiltig streifte« ihre Blicke dabei die hübsche, anhei melnde Einrichtung, die noch von de« Aussteuer ihrer verstorbeneu Mutte, herstammte, in Gedanken trat sie vor den hohen Pseilerspiegel, der schon so viel« verschiedene Bilder wiedergegeben hatte. Einst auch das einer schönen, strah lenden Henny, die erwartungsvoll in gewartet, in welcher Gestalt sich ihr da§ Glück wohl nahen würde. —- Sie hatte garnicht gewußt, daß es ih> Leben lang neben ihr gewandert, mil ihr anserzogen war; daß es ans ernst haften braunen Augen oftmals sorschent iu die ihren geblickt hatte, und daß es Walter Hein hieß und ihrPflegebrude» war. Erst an jenem Sylvesterabend, als der junge, neugebackene Doktor ins Zimmer gestürzt war mit einem Veil ch:nstrauß in der Hand ach, welch« Qual, sich das wieder zu vergegenwär tige» und doch welche Süßigkeit zu gleich, noch einmal die Worte zu hören, in denen der unbewußt geliebte Mann die Festglocken geklungen, die neue Hoff nung, neues Leben in glückliche, wi« bedrängte Herzen sangen- Unter dem weihevollen Geläut waren dann Vater und Mutter gekommen unt hatten mit tiefer Rührung das einzig« Kind in die Arme genommen und den Herzensbuud mit dem lieben Pflegesohr gesegnet. Und heut? Draußen war ei srostig, grau gewordener Schnee lag au: den Straßen, durch die ein scharfei Wind pfiff die Glocken läuteten wi, sonst das Fest der Hoffnung ein. abei sie klangen dumpf wie Sterbeglocken, di> »och einmal für alles ertönten, was da« einfame, alternde Mädchen besessen uut verloren liebende Eltern, Glück unt Jugend. Mit Bewußtsein blickte sie noch ein mal in den Spiegel nnd schüttelte mi bitterem Lächeln den Kopf. Nicht alt, aber auch nicht mehr jung ein kaltes, stilles, ernstes Gesicht mi tranrig blickenden Augen, ein strenge» Zug um den einst so lieblichen Mund der sich mit den Jahren noch mehr ver tiefen und heftig ableugnen wird, das dieselben Lippen, die er auch jetzt uu giebt, einst heiß und senrig küssen konn ten.— Es ist schon lange her, sagte Hennt mit bebender Stimme und juckende» Lippen. Und nach kurzem Wehren setzt Hennt sich alljährlich wie heut in das seruste, dunkelste Eckchen ihres Wohnzimmers und läßt die T«ge der Rosen und vi« darauffolgenden der Dornen an sicl borüberziehen und in ihrem Herzen jauchzt und weint die verlorene Jugend Walter Hein war ein stattlicher unt tüchtiger Mann geworden, nachdem ei ein ausbrausender, begeisterungsvollei Jüngling gewesen. Er hatte allezeit viele Freunde gehabt, aber nie einen so guten Kameraden, wie seine Pflegeschwe ster Henny. Freilich war er ja ihl Lehrer gewesen, aber das hatten beid« im Lause der Zeit vergessen er pflegt« oft, wenn ihn einer ihrer Einfälle >r Erstaunen setzte, kopfschüttelnd auszu rufen: Und das ist ein Mädchen! ES gibt doch nur eine Henny. Unt sie? AIS sie als reizendes, einziges Töchterchen reicher, 'sie vergötternde« Eltern in die Gesellschaft geführt wurde und die Männer sich ihr zu nähern ver suchten mit Schmeicheleien, thörichtem Hofmachen und meistens wohl auch mil ernsthafter Bewunderung ihrer reizvol len Person sie konnte oft mit lassenen Blicken die ganze Gesellschaft mustern und innerlich dabei denken: Wie Walter ist keiner unter alle». Und da»» kam der Schluß des lah res heran und nach mehrjähriger Tren iiuiig kehrte er in das Elternhaus zurück Am Morgen des ersten Januartages empfing sie ihn allein sie sprachen nicht, ihre Blicke richten innig ineinan der, und als sein Mund endlich Wort, fand, waren es warme Liebesworte unt die Bitte, sein guter Kamerad möchte sich ihm nun sür das Leben anvertrauen. Dann kamen selige Wochen vol selmsuchtsvoller, jugendlicher Träume voll Ueberschweuglichkeit, grenzenlose« Anbetung des Geliebten—aber wa war nur das? Inmitten des Frohge sühls des Besitzes saßte es sie plötzlick war immer der gleiche, herzlich, lieb zärtlich, aber die leidenschaftliche Thor heit des Gefühls fehlte ihm. Liebt« er sie etwa nicht? — In kurze», bangen Augenblicken durchschoß sie die Frage aber Wunsch und Selbstschätzung gäbe« ihr bald die srohe Zuversicht wieder. Einmal hatte sie ihn geradezu gefragt da hatte er gelacht, sie einen Heißkops genannt und gemeint, trotz aller andere lautenden mannhasten Aussprüche müsse naturgemäß die Liebe der Fran eine heißere, ausschließlichere sein, ali die des Mannes, weil sie nicht durch Beruf, öffentliches Leben u. s. w. be grenzt sei. „Was ich an Liebe zr geben habe, gehört Dir, mein Kamerad, und Du wirst mit der Zeit diese treue, innige Zuneigung höher stellen lernen, als das unruhige Flackerseuer, nach den: Du zu verlangen scheinst. Das ist mir versagt." Wehe ihr, daß sie ihm geglaubt, daß sie tiescr nnd fester an ihm hing, so daß das. was kam, sie fast den Verstand ge kostet. Ihre Base Gertrud kam ins Haus Die Waise sollte bei den Eltern bleiben Walter.verbunden sein würde. Sie wa« ein schönes, leichtlebiges, lustiges Ding. jede;««»» scherzte mit ihr, jedermann lieÄt« sie. Auch Henny Widerstand ihr nicht Sie begriff sie in ihrer ernsten, pflicht treuen Art wohl nicht, wenn sie tausend Dinge vornahm, durcheinander wars und liegen ließ, wenn sie ihr gemeinsa mes Zimmer in die tollste Unordnung brachte, lachend Besserung versprach, und es am nächsten Tag ärger trieb als zu vor, aber sie verzog sie wie die andern alle. Nur Walter machte eine Ausnahme. Er beobachtete sie oft kopsschüttelnd, er machte einmal einige scharfe Bemerkun gen über ihre geichästige Unthätigkeit. und dann ließ er sie unbeachtet. Es schien ihm schwer zu werden, mit ihr zu spreche», wie anch ilir, der Redegewand .ten. in seiner Gegenwart oft die Lust zum scherzen verging und sie mit scheuen, ängstlichen Blicken sein Gesicht streifte und ausznathmen schien, wenn er sich ent fernte. Henny versuchte zwischen den lie ben Menschen zu vermitteln, aber sie mußte es ausgeben, so schroff wies ihr Bräutigam sie ab. Und die Wochen vergingen. Henny ward unruhiger uud geschäftiger, die Zeit ihrer Hochzeit nahte, und sie war mit Walter etwas weniger zusa.nnien mit sonst. Aber seine Veränderung mußte ihr doch auffalle», seine Einsilbigkeit, seine Lauheit, die dann durch eine aus fallende Zärtlichkeit ersetzt wurde. Er sah krank aus, und seine Augen blickten müde. Da fragte sie eines Tages ihre Mut ter erregt, was es wieder zwischen Ger trud und Walter gegeben habe. Ger trud weiue, wolle aber nicht antworten, und Walter liefe im Zimmer umher und sage gar nichts. Henny jedoch schüt telte den Kops und sagte, sie wolle nach sehen. aber im Gegensatz zu den leichten Worten, die sie anssprach, preßte ein nnendlich schweres Gefühl ihr Herz zu sammen und langsam ging sie die Treppe hinunter zum Wohnzimmer. Sie trat leise ein, ihr Bräutigam konnte sie nicht sehen und sie hatte Zeit, sein Gesicht stumm zu betrachten. Ein tiefes Ent setzen durchströmte sie. Wie sah das liebe, srische Gesicht so gramvoll und verstört aus, wie düster und gequält blickten die braunen Augen er seufzt« schmerzlich und brütete dumps vor sich hin. Da kroch wie eine häßliche Schlange der Argwohn, nein, ein? Ge wißheit über ihr Herz. Von Leiden schast durchflammt, trat sie vor ihn hin. und wie ein heiserer Schrei entrang es sich ihren Lippen: „Walter, Dn liebst Gertrud?" Der Mann blieb sitzen— er sah mit demselben trostlosen Gesicht »us und murmelte ein tonloses „Ja". Dann eine endlose Pause —alle Qual, alle Sehnsucht der kommenden Jahre sind nichts gegen den zerschneidenden schmerz dieser wenigen Minuten. „Und nun?" sragte Henny endlich. „Laß mir Zeit/ sägte Walter, „ich muß davon los kommen, und Du, mein zuter Kamerad, wenn Du erst mein Weib bist" er bricht ab und blickt unsicher an ihr vorbei. Empörung und Scham ersticken sür einen Augenblick in ihr die Liebe. „Das wagst Du mir zu bieten, Du, der Du jede» meiner Ge danken'kennst. oh" ein leidenschaftli ches Schluchzen läßt sie nicht weite« sprechen. Da springt er aus, nimmt trotz ihres Widerstrebens ihre Hände und sagt flehend: „Du hast recht, ich -rniesrige uns beide mit solchen Wor ten so bitte ich denn, gib mich srei und laß mir nur Deine treue schwester liche Freundschaft." Sie hatte ihn freigegeben. De müthigung, verschmähte Liebe, Verbitte rung und Haß hat sich ties in sie ver steckt uud Worte sprechen gelernt, di« alle, selbst ihre Eltern zu täuschen ver standen; von der herzlichen Freund schaft, die sie und Walter immer für einander empfunden, die sie mit heiße ren Gesühlen verwechselt und von deren Richtigkeit sie sich durch Gertruds Da jwischenkunst glücklicher Weise zur rech ten Zeit überzeugt hatte. Sie verstand llnbesangenheit zu heucheln, auch ihrer Läse gegenüber, die ihr mit ströhmen den Thränen um den Hals flog denn ihrer Vermittlung war es ja zu dan ken, daß sich so plötzlich ein überreiches Blück über sie ergoß. Bis sie das HauS verlassen, blieb die neue Verlobung geheim. Walter mußte auch erst sich eine lohnende Kundschaft erwerben er nahm tiesbewegt Ab schied von Henny, die ihm nur kühl Vlück wünschte und die Erwartung aus sprach, ihn nie wieder zu sehen. Dumps und still hatte sie darnach ihr Lebe» vertrauert. Nie wieder war einem Mann die Gelegenheit geworden, sich ihr zu nähern, als treue, sorgsame Tochter pflegte sie ihre Eltern, die mit »er Zeit der Tochter Leid empfanden und trostlos und vergeblich Abhilfe juchten. Mit Walter war jeder Ver kehr allmälig abgebrochen; man hörte nur zufällig einmal, daß seine Frau un »irthschastlich und unverständig, und die Ehe eine unglückliche sei. Die Mutter hatte dann versucht mit Henny darüber zu spreche» und nicht ohne eine zewisse Befriedigung, aber sie unter nahm es nicht zum zweitenmal, denn Henny hatte auf das Bestimmteste ver sichert, daß sie durchaus keine Vorliebe mehr sür die Personen habe, die ihr eine so schwere Kränkung zugefügt ha ben. Arme Henny, in den Nächten weinte l«e lange, lange Stunden, und ihre A»- zen verloren darüber frühzeitig den Vlanz und die Jugend ging vorüber in hoffnungsloser Trauer. Sie schloß sich in Niemand an, und als die Eltern las war ihr recht was sollten ihr indere. die alle mehr oder minder ein roheS Leben kannten. Für sie war illeS dunkel; alles Glück, alle Freude yatte sür sie in den wenigen Monaten chrer so jäh abgebrochenen Verlobung »usgehört, war versunken unwieder bringlich dahin waS danach kam, war dunkel und grau, und so nur konnte und mußte es bleib««, bis sie die verblichenen Äugen schloß. So war aus de« jun- gen, blühenden Mädchen fast eine alte Flmgfer geworden, ohne daß sie selbst es gemerkt. Die Tage vergingen in gleichmäßiger, peinlicher Ersiillung der kleinen Pflichten, die sie sich selbst ans erlegt und in de» Nächten träumte sie zuweilen von JUgeiid und Glück. Da, vor wenigen Wochen war sie aus ihrem Dahinbrüten aufgerüttelt wor den. Man hatte ihr einen Bries mit einer allzubekannten Handschrist ge bracht. Wie sie diesen Mann geliebt hatte Thränen stürzten ans ihren Slngen, als sie die lieben krausen Buch stabe» sah, als sie de» Namen „Walter Hein" unter dem langen Schreiben las. WaS konnte er von ihr nach so langen lahren noch wollen? Sie wurde blaß and roth, als sie e-Z las Worte voll überzeugender Wahrheit, schlicht, trau rig und doch hoffnungsvoll. Sie rich teten sich an den guten Kameraden von ehemals. Es ging ihm, Walter, sehr schlecht. Seine Fran war sei« einem Jahre todt—er vielbeschäftigt nnd seine oier Kinder vernachlässigt und ohne Liebe. Denn er, der nicht die Macht gehabt hatte, Gertrud glücklich zu ma hen, getraute sich mit dem Herzen auch nicht an diese armen, kleinen Geschöpfe heran, die verschüchtert und ohne Liebe Er könnte ihr nicht AlleS mittheilen, was ihm aus dem Herzen läge, schrieb er, aber wie er geistig in ständiger Be jiehung zu ihr geblieben wäre, so hoffe er auch troi) der laugen Zeit und allem, was zwischen ihnen läge, auf Verständ niß bei ihr. Sie sollte seine flehentliche Litte, noch jetzt sein Weib zu werden, »icht zurückweisen. Weiter konnte Henny nicht lesen. Erst hatte ihr Herz stürmisch geschlagen nnd Heller Jubel, sast wie in den serneren Jugendtagen strömte heiß in ihr aus, über dann trat sie an den Spiegel und musterte erbarmungslos ihr verblühtes, blasses Gesicht, blickte in die scharfen, freudlosen Augen ihres Spiegelbildes and damit stieg ein wilder Grimm in ihr auf. „Du, Du hast mich zu dem gemacht, was ich bin, ein verbittertes, alterndes Mädchen, Du, dem meine ganze heiße Liebe gehörte, und jetzt, nun Du nicht zus noch ein weißt, wagst Du es, mir den Schatten des Glücks zu bieten, das soll und ganz mir zukam." Und sie vertiefte sich in die bitteren Nedanken und tötete die leise Sehnsucht nach ihm, seinen Kindern und einem Heim und schürte den alten Zorn, daß er zu hohen Flammen aufwallte und in diesem Augenblick jedes weichere Ge jühl erstickte. Und in dieser Stimmung schrieb sie dem harrenden Mann einen kühlen, höflich ablehnenden Bries. Das war ihre Rache sür die verlorene Zugend, und sie war süß! Aber blieb sie das auch? Nein, nein dann vergingen einige Tage. Eine eigenthümliche Unruhe ergriff Henny. sie traf die Festvorbereitungen sür ihren ileinen Haushalt, sie las, arbeitete »der es kam ihr alles so zwecklos vor. „Für wen thue ich das alles für mich und immer für mich," sagte sie. lind dann legte sie die Hände in den Zchoß und träumte vor sich hin. In chrcm Kops summte es, die Augen »rannte» ihr. Ich werde krank wer den, dachte sie angstvoll, das macht die llusreguiig mit der abgethanen Sache. Abgethan? Klang nicht die flehende Nitte des einst so heißgeliebten Mannes vieder und wieder in ihren Ohren? Gesellten sich nicht noch Kinderstimnichen »azu, die ihr zärtliche Kosenamen >aben? „Nein, nein, Dn kommst zu spät, Versuchung ich bin einsam geworden »urch seine Schuld nun will ich eS luch bleiben." Aber nicht lange, und sie verwarf anch >as- Bittere Reue breitete sich in ihr »lS zwecklos, nur für sich, zum Schaden, hatte sie dem noch einmal zö gernd sich nahenden Glück die Thür ge Viesen, nun war unwiederbringlich Einsamkeit und ein versehltes Leben ihr Zoos.— So war die liebliche Weihnachtszeit »ergangen, der letzte Tag des alten ZahreS ins Grab gesunken, und als sie »us ihre» Träumen erwachte, leuchtete >er Morgen des neuen Jahres sreund iich lächelnd durch die Scheiben. Bitterlich weinend saß sie in ihrer kcke und lauschte den Neujahrsglocken, »ie einmal schon so gutverheißend sür je verklungen waren. Diesmal hatten sie wieder ein Glück, Venn auch im Herbst ihres Lebens, ein iäuten sollen. Und heiße Sehnsucht «ach dem. was sie vor kurzem noch chroff zurückgewiesen, floß in ihr über, ind daS Herz wollte ihr brechen. Sie >erbarg das Gesicht in beiden Hän >en und hörte nicht, daß die Thür sich tffnete. Alles ist still, nur ihr Schluchzen »ernehmbar und der ferne Glockenton, »er hilieindringt. Aber dann breitet ein süßer Frühlingsdnst in dem Ge nach sich ans Veilchen I Er dringt iu der Trauernden, daß sie erstaunt msblickt, und da, da Milte» >m Zimmer steht ein kleines Rädchen und sieht anS ernsthaften »raune» Augen aus die Aufjauchzende. Mit einem dicken rosigen Händchen reicht sie ihr einen großen Beilchenstrauß mtgegen und aus den sie umschlin genden Armen mit süßem, schüchternem Nesichtchen ausblickend, plappert sie, wie nan es ihr vorgesagt: „Ich bin Papas Züngste und bringe einen Neujahr - »ruß: .Die Veilchen all' soll ich Dir weih'n, llnd Du sollst unsere Mutter sein." Und durch die geöffnete Thür schrei et das alte, verlorene Glück, und Henny iiegt ihn« entgegen, und auferstanden Lt die alte Liebe, die alte Kameradschaft ind die alte Hoffnung. Und draußen länten die Glocken glück »erheißend zum neuen Jahr! Fataler Druckfehler. Er ?and bekümmelt am Fenster und dachte iber sein trauriges Laos nach. Wieder Aeuermann Schlauchftube» zwei Stuhern seine Thätigkeit während eines Brande« handgreiflich erklärt. Erster Stutzer: „Heda, Sie. Feuer bezwinger, eS ist wohl auch kein Spaß, bei so einem ordentlichen Brande?" Zweiter Stutzer: „Beschreiben Sie un>: doch das mal ein bischen näher, wie et da hergeht, Mäniieke». die Hauptsache dabei wird wohl daS Löschen von inne« sein!" Schlauchhuber: „Nichts leichter ali das, Verehrtestcr! nehme» wir also an. es ertönt das Feuersignal. Das geht: Bum bum bum! sehe» Sie. unge sähr so." Dann geht's Heidi, hast Du nicht ge sehen, wie ein Schnellläuser nach de« Brandstelle, wo man halbtodt, schweiß triesend ankommt." „Nachdem dies geschehen, Heißt'S gleich die Leiter hinauf, trab trab trab!" „Hat man nun einen Ueberblick ge wonnen, dann fest den Schlauch in die Hand (nimmt sein Bierglas) das Mundstück zum Gefecht klar und rifch rasch Ptsch Schichsch! geht der Strahl »ach allen Seiten hin." „Dann geht'S eine Etage tiefer l steigt aus den Stuhl) hier liegen zwei Stu denten im Rausche, die müssen gerettet werden: das Fensterkreuz los! klopp klapp ist mit dun Beil Rath geschafft und man ist drinnen." „Nun kommt da« Schwierigste. S« Heu Sie. die Kerle sträuben sich, sie schimpfen gerade fo wie Sie. da heißt's, Geistesgegenwart besitzen Schrum I" „Sehen Sie. so wird's gemacht bei einem Brande und dann erst denkt man schen von innen Profit mein« Herren!" Sylvester! Natürlich, der Tag ist gerade dazu gemacht, um über Sylvester plaudern zu können. „Hans, Junge, weißt Du, was Sylvester ist?" „O ja, Papa. Sylve ster ist—" „Na, heraus damit!" „Sylve ster ist, wenn wir bis zwölf Uhr aufblei ben dürfen und Punsch zu trinken krie gen und Pfannkuchen essen, und und —" „Nun, nnd?" „ und wenn Anny Blei gießt," platzte der Junge heraus. „So, so, wenn Anny Blei gießt; ist das Alles, was Du vom Sylvester weißt?" „Ja, Papa". Ich war ärgerlich; der Junge mußte weiter nichts, als vom Esse», Trinken und Bleigießen am Sylvester. „Hier, mein Söhnchcn, lies dies einmal vor." Hans nahm das Buch und las: „Sylvester ist der Name zweier römi scher Päpste. Sylvester I. ward 314 auf den päpstlichen Stuhl erhoben —" Ich sah den Junge» mißtrauisch an. Sylvester? römische Päpste! Da war ich schön reingesalle». Ich wollte mei nem Jungen den Begriff vom Sylve sterabend klar machen uud nun kam er mit römischen Päpsten. „Na, lies nur weiter!" „ erhoben. Er starb am letzte» Tage —" Ah, ich athmete aus; am letzten Tage; das war schon etwas, „ an« letzten Tage des Jahres 335, und es sührt der Abend dieses Tages noch jetzt seinen Namen." Gott sei Dank, da kam es endlich. «Siehst Du nun. wie dumm Du noch bist, HanS?" „Ja. Papa!» „So, das siehst Du wenigstens ein; geh' hinaus und lerne den Satz vom Papst Sylvester l. auswendig. Heute Abend sollst Du ihu mir vorsagen. Hans ging, um bedeutende Kenntnisse reicher, hinaus. Ich möchte wohl wis sen, ob sich viele heute mit jenem alten Papst beschäftigen. Der Junge thut mir eigentlich leiv. Er hat sich so hüb sche Begriffe vom Sylvester-Abend zu recht gemacht, und nun soll er dieselben umstoßen und neue an deren Stelle setzen. Und hatte er denn gar so Un recht? Ich möchte wetten, unter Hunderl Menschen werden wenigstens sünszig die Antwort geben: Sylvester ist, wenn Nachts um Zwölf Hüte eingetrieben werde», Radau und Gejohle aus de» Straßen herrscht, P> t Neujahr gern sen wird uud der mmendc Morgen Unmassen von Heringssalat verschlingt. Ach was, der Junge at in seiner Art ganz Recht. Punsch die Losung des letzten Abends im Jahre; wohl dem, der welchen hat. Mit Punsch soll der letzte Tropfen von Bitterkeit hinwegge spült werde», den das vergangene Jahr gezeitigt hat und mit Punsch soll das jung herausziehende Jahr begrüßt wer den. Ach, «n diesem Jahr wird kein Punsch und kein anderer Sylvestertrank genügen, um alle Bitterkeiten des ver gangenen Jahres fortznspülen. Es war ein böses Jahr. Wir sehen es gern schwinden zu jenen grauen Jahren, welche waren. Und trotz alledem ist es nicht arm gewesen auch an erhebenden, stolzen Ereignisse». Was knüpft sich Alles daran! Blüthe» froher Hoffnun gen, aus Thränensaat hervorgesproßt. Möge das junge Jahr sie hegen und pflege», jene Blüthen, und kein Rauh reis sie vernichten. Das ist die freudige Hoffnung, mit der wir in die Pforte des neuen Zeitraumes eintreten! Sylvesternacht. Es naht heran die Mitternacht. Indeß mein Sinn, still brütend, Auf schlummerlosem Lager Dem neuen Jahr entgegenwacht. Wie nieine Pulse schlagen! Und immer mnß ich lauschen: Mir ist, als hört' ich rauschen Ten Riesenstrom der Zeit O. so unendlich weit, Und wieder doch so nahe! Gedämpft wie sernes Läuten, Wie ferne Hammerschläge, Der Brandung fern im Takte Verbrausend« Cataralte. So hallt es mir im Haupte, So hallt es mir im Ohr! Du irrst! Nicht Hammerschläge Sind es. nicht serneS Läute«, Nicht serner Fluth, im Takte Verbrausende Catarakte, Und nicht des Stroms der Zeite» Verrauschen und Verrinnen Des eig'nen Blutes Welle, Kreisend in Deinem Haupt, Ist's, was bei nächt'gem Sinne» Dein Ohr aus weiler Ferne Dumps zu vernehmen glaubt! Sei's denn des BluteS Welle Die dumps im Ohr mir rauscht! 's ist doch die Zeit, die schnelle, Die ihrem wilden Jagen In meinem Herzschlag lauscht! Denn Nur weil Pulse schlagen. Und nur weil Herzen pochen. Und nur weil Hirne kochen. Wird in der Welt gesprochen. Das Wort vom Strom der Zeit: Und nur im Geiste gründet Das Meer, in dem er mündet, DaS Meer der Ewigkeit. Tie Mkstt tu Sftin». Trotz seiner Schwärmerei sür flü sternde Winde nnd das melodische R>e sein der Bäche, trotz seiner Liebe sür die schmeichelnden Töne der Laute, ist der Chinese so sührt eine Studie H. v. MoltkeS in der „K. Z." aus der unmusikalischeste Mensch der Welt. Er liebt die Musik so. wie er Essen uud Trinken liebt, als etwas, das »uu einmal zum Dasei» gehört, aber ohne Unterschied, ob sie gut oder schlecht ist. Musik ist ihm Begleitung zum Lachen. Schwatzen und Frölilichkei« nnd er gesteht das in einem seiner schön sten Sonette. „Doch ohne Musik sind wir nicht fröhlich." Seine musikalische Begabung jedoch ist gleich Null. Ob die Laute, sein Lieblingsinstrument, gestimmt oder ungestimmt ist. dafür hat er kein Ohr wenn nur das verworrene Getön, das er Musik nennt, an sein Trommel fell pocht. Das Lauteschlagen, so wie es die Chinesinnen betreiben, ist leicht uud einfach zu erlernen. Sehr selten sind im Lande die Laute Künstlerinnen, von denen der Dichter Li-tai-pe in einer seiner Ballade» singt: Und als sie in'die Saiten griff, Rauschten die tiefen wie die Fluid. Die oberen flüsterten leise. Vielfach wird in chinesuchen Dichtun gen die Laute verherrlicht und die Frau, deren zarte Hände ihr weiche Töne entlocken. Und wohl ist eine schöne Chinesin mit ihrer Laute ein an ziehendes und fesselndes Bild. Aber die Frauen, die diese Knust öffentlich ausüben, sind fast immer bedanerns werth, sie sind verlassene, geschiedene oder betrogene Gattinnen und fristen ihr Leben ln glänzendem Elend. Auf den Blumenbooten des Kantonslusses oder Kiaugstromes erblickt man häusig des Abends beim Mondenschein diese Künstlerinnen in bunte, schimmernde Seide gehüllt neben ihrer Laute leh nend. Wirst man ihnen die klein« Münze, den „Eash", zu. so greifen sie in die Saiten und wild oder zart er klinge» sie durch die Nacht. Diese Blu menbootc oder FlußhotelS sind phan tastisch und reich ausgestattet, sie dienen dem vornehmen Chinesen - oftmals als Häuslichkeit. Freunde, die er in sei» Haus nicht führen mag, empfängt und bewirthet er dort. Das Mahl würzt Gesang und Spiel. Je vornehmer und mächtiger der Gast Wirth, desto üppiger die Gewänder der lkünstlerinne», desto reicher mit Perlen durchflochten das schwarze Haar, desto weißer gepudert die gelbe» Gesichter, desto lächelnder die rothen Lippen. Aong-GongS und Trommeln lasse» ost ihre» wilde» Lärm im himmlischen Reiche der Mitte ertönen, hauptsächlich bei den Anbetungs- und Opferfcste». Slm lauteste» »nd unermüdlichste» am Tage der Mondanbetung, welche in edem Jahre einmal stattfindet. Man will durch die ncrvendurchdringcnde» klänge des Gong -Gong und der Troni mein den Kaiser Ming-Äong zu seinen flichten rufen. Der Sage nach war er ein gelehrter Herr, der Vieles er gründen wollte. Der Mond war ihm cäthfelhaft, das Rätsel mußte er lösen. Darum trat er eine Himmelsreise an, rwn der er heute noch nicht znrückgekehn ist. Gong - Gong und Trvmniclinusik liebte er über Alles, am Tage der Mondanbetnng erinnert man sich daran und bringt dem guten, gelehrten Kaiser Ming-Wong auf dem Monde ei» Ständchen. Seifenblasen. Tie Aerzte und die Dichter gleichen sch nicht selten darin, daß sie den Leute» starke Schlasmittcl verschreiben. . Im Tode sind sich alle Menschen jleich; das vermögen die promphafle sen Grabsteine nicht zu widerlegen, so zern dies auch ihre Stifter haben möch ten. * Die guten Schriftsteller sind selten; »as Publikum aber, welches gute Schriftsteller zu lesen versteht, mangelt säst gänzlich. * Der Uebellhäter ist den meisten Men schen gleichgiltig und nicht der Rede Verth; wer aber durch seine Vorzüge iich über andere erhebt, der wird gehaßt »nd beklatscht von allen Seiten. Wenn Einer sich leichtfertig rühmt, hin gehe manches an ihn gerichtete lLort zn dem einen Ohre herein und jum andern wieder hinaus, dann sollte !r doch dübsch vorher bedenke», daß dies »us einen Hohlkopf schließen läßt. Ein poetischer Aber i laude. Wenn im Stamme der Se »eka-Jndianer ein Mädchen stirbt, wird tili Vogel eingesperrt, bis er ansängt, seine Stimme zum Gesänge zu prüfen. Dann setzt man den Vogel auf das Nrab der Verstorbenen, trägt ihm vrüße. Küsse und Zärtlichkeiten an sie »us, öffnet den Käfig und läßt ihn frei. l)ie Indianer glauben, er werde die Klügel nicht zusammen legen und die klugen nicht schließen, bis er in'S Land ser Geister gekommen, die Geliebte und verlorene gesunden und ihr die mit »egebeaen Aufträge überbracht habe. Ks geschieht, daß einer Todten dreißig Ks sünszig Vögel nachgesendet werden Stilblüthe. . Barba wssas Bort war durch den Tisch ge »achsen: die untere Hälfte ringelt sich »in Boden entlang, während die obere, dalb im Schlafe noch, traurig den Kopf Rüttelte und langsam eine Thräne nach ter anderen sollen ließ." Er: Schon wieder ein ,eues Kleid, liebe Emma? Du hättest eigentlich einen Romanschriftsteller hei rathen sollen. Sie: Wie so denn?— Kr: Dem hättest Du sortwährend zu aeuen Ausgabe» verholsen!