s «lu» d«m Leb«« Heim». Heim hatte abgesehen von den Ntichthum des Wissens, der Ersahrunj vnd praktischen Tüchtigkeit jene rauh, schroffe Außenseite, unter der sich dai iedelste Gemüth barg. Niemand abei lließ sich dadurch beirren, den» Jede» lkanntc den edlen, milden Mensche», dei «ur aus Gewohnheit kurz angebundn war und so oft brummte EineS Abends kam Heim von seinei spät nach Hause. Es war in jNovember; Schnee und Regen ver Mischt, wurden von einem eisigkalter wnd schars schneidenden Nordwest ge «peitscht. Heim hatte, obwohl im Wa dennoch viel von dieser Witterung gelitten. Er kleidete sich um, warf sick »n die Sophaecke zunächst dem Ofen, «ahm nur wenig Speise zu sich und sagt« AN seiner Gattin: „Ich will mich zr -Bette legen, sorge, daß mich Niemant siört. Wer es auch sein möge, der mich Haben will, weise ihn ab. Ich bin ein Mensch und bedarf der Ruhe, wie jedei Ändere, und um so mehr, als ich meh, Kräfte aufbieten und verbrauchen mutz ialS die Andern alle zusammen! Gut« Macht!" Wenige Minute» später waren schon die Töne des lauten Schnarchens Be -weise, wie tief der gesunde Schlaf dei ManneS sei, der »nermüdet in dem Be jrnfe war, der leidenden Menschheit zr dienen. . Die Geheimräthin fühlte nicht das Bedürfniß deS Schlafes in dem Maße wie der Gatte. Sie saß noch lange bei der hellleuchtenden Kerze. , Ungesähr eine halbe Stunde vor Mitternacht pochte es heftig an die Thü, K>es HanseS. Der Bediente öffnete. Hr hatte Besehl, Jeden abzuweisen. «Es währte lauge, bis dir horchende Ge heimräthin den Schluß der Thüre wie der vernahm. Eine unerklärliche Un ruhe befiel sie und drängte, den Be dienten zu sragen, wer dagewesen. Er erzählte, ei sei ein armer Hand werker gewesen, dessen Frau den Herrn Geheimrath verlangt habe; er habe ihn Hum Doctor gesendet, der ja auch ein geschickter Aceoucheur sei. , Die Erzählung, namentlich der Um paud, daß der arme Mann heftig ge weint habe, erschütterte die Seele de» Geheimräthin und flößte ihr eine Un ruhe ein, die sie nicht beschwichtigen konnte. Vielleicht schweben zwei Men schen in Gesahr, dachte sie, und schlich sich in das Kabinet, wo der Gatte des wohlverdienten SchlaseS genoß; als sie ihn aber so ruhig und tief schlaf» sah, kehrte sie in das Gemach zurück; sie konnte eS nicht über sich gewinnen, ihn »u wecken. Vielleicht hilft ja auch der Andere, mochte sie denken, aber schlafen konnte sie trotzdem nicht. Eine Viertelstunde verstrich ohne Störung. Da vochte es wieder und heftiger al? zuvor. Dieses Mal ging die Geheimräthin, «hnend, eS sei der unglückliche Gatte Wieder, selber hinab. Er war eS wirk lich. „Ach," ries er, „der Doktor will nicht kommen und meine arme Frau stirbt. Erbarmen Sie sich, gnädige Krau," flehte er, „ich bin Vater von »leun Kindern. Erbarmen Sie sichl Hier nur findet die Armuth Zuflucht!" Diese Worte drangen wie ein glühend« Pfeil in ihre Seele. Sie ging hinaus trnd trat in das Schlafgemach „Heim," l'agte sie und legte die Hand auf den Arm des Schlafenden. Er fuhr aus «nd ries: „Was gibt's?" Die Gattin irrzählte, was sich zugetragen. „Das wird wieder eine Ammendummheit brummte Heim; er soll zu -einem Andern gehen. Ich will nun ruhen!" Er legte sich herum und kümmerte sich um nichts weiter. Die Geheim- Mhin beschied mit Kummer den armen Mann, der trostlos hinwegeilte. DaS ties empfindende Herz des Wei bes wird m-hr erregt vom Weh eineZ «verwandten GeschSpses. als das des rauhen Mannes. Die Geheimräthin laß auf dem Sopha und Thränen ran gen über die Wangen. Plötzlich ver klimmt sie im Schlafzimmer des Gatten «ein Geräusch. Sie trat schnell ein und «erblickte mit freudigem Staunen, wi> Heim sich rasch ankleidete. „Willst Du doch hingehen, fragte si, freudig. „Freilich", fagte er brum mend. „Das Gewissen, der fatale Quäl geist, läßt mir keine Ruhe. Ich wollte schlafen, aber da rief'S immer: Heim, geh'! Vielleicht ist Noth da! WaS Zoill ich denn da machen?" DaS An ziehen ging rasch. Er nahm brummend Hut und Stock. Der Bediente trug die möthigeu Instrumente und da dieser deS ManneS Wohnung wußte, entfernten sie sich schnell. Es läßt sich denken, daß die edle Frau, deren Gefühl so mächtig ergriffen war, «icht schlafen mochte. Nur eine Stunde chatte sie zu warten, da kam Heim wie der. Er triefte von Nässe, aber so hei ler hatte ihn die Gattin lange nicht ge sehen. Er kleidete sich um, bestellte «Thee und sagte, als dieser duftend idampfte: „ES war doch gut, daß Du Wich wecktest. Die Frau wäre gestor den. Jetzt ist Alles gut und der S«gen !der armen, aber guten Menschen thut mir wohl. Ich denke, der Quälgeist, das Gewissen, wird mir nun auch Ruhe lassen!" Nie schlief Heim, wie er selbst erzählte, besser als in dieser Nacht, «nd nie stand er heiterer und zufriede "vr wieder auf. Großmüthig. Zur Zeit der französischen Revolution verlangten die Machthaber von Jedem den vierten Theil seines Vermögens als eine patri otische Beisteuer. Diese Auflage wurde von den Säumigen executorisch einge trieben. Zu einem Pariser Bürger kam deshalb eine Execution und mahnte ihn an die Bezahlung. „Meine Her ren", sagte derselbe, indem er aus seine Frau zeigte, ich will ein Uebriges thun, ich geb' Ihnen die Hälfte", xz— Unser Schicksal /hängt manchmal an einem Faden einer Unterhaltung. Die SiSht«rl«. Durch die belebten Straße» der Vor» stadt S. ging eiligen Schrittes ein liiiigeS Mädchen in tiefer Trauer kleidung. Es war schon um die Nach inittagsstiuide des Weihnachtsabends, und eben erst hatte sie die mühevolle Arbeit vollendet, die heute noch als Ge schenk irgend einen Weihnachtstisch zieren sollte. I» die Thür eines hellerleuch teteii Jndustriegcschäftcs tretend, wurde sie von der Geschäftsinhabern! niit dein sreudigen Ausrufe der Erleichterung: „Endlich —Fräulein Margot!" begrüßt und für die fchöue Ausführung der ilrbeit in anerkennender Weise belobt. Durch ihr bescheidenes freundliches Wesen hatte sie das Herz der GeschästS vorsteheri» gewonnen, und als diese heute du-- blasse traurige Gesicht de» jungen Mädchen» sah, sagte sie, von Mitgefühl bewegt, ihr die Hand rei hend: „Möchte auch Ihne» die Weih nacht noch ei» wenig Freude schenken, liebeS Fräulein Margot, das wünsche ch von Herzen." Ein wehmüthiges Lächeln belebte flüchtig die seinen ernsten Züge, und freundlich dankend verließ sie »ach einem kurzen Gruße wieder den Laden, mit be flügelten Schritte» die Straße hinun tereilend, hatte sie bald das bewegte Treiben der Stadt hinter sich und nach kurzer Zeit daS Ziel ihrer Wanderung, den Friedhof erreicht. Ei» schmuckloses einsacheS Kreuz bezeichnete die Stätte, wo die ruhten, welche ihr aus Erden das Theuerste gewesen. Margot Feldmann war die Tochter eines Arztes, dessen menschrnsreundliche theilnehincndes Herz nur immer dachte de» Mitmenschen zu Helsen, ohne aus den eigenen Vortheil zu sehen. So hatte er zwar eine ausgedehnte Praxis gehabt, »ber bei seinem Tode seiner Frau und seinen beiden Kindern nur ein geringes Kapital hinterlassen, von dessen Zinsen diese ein sehr einfaches Leben führen mußten. Margot war damals kaum sechs Jahre alt, ihr Bruder Eduard zehn Jahre älter; dieser, eine schwärmerisch poetisch angelegte Natur, begabt mit einem Sinn sür alles Schöne und Hohe, mußte dem Studium zu seinem tiefen Schmerz entfagen und eine Stellung an einem Kontor annehmen. Vor einigen Fahren war der Bruder ein Opfer deS T.yphuS geworden und Margot mit ihrer Mutter allein übrig geblieben. Still und zurückgezogen lebten die Bei den, wetteifernd, sich durch gegenseitige Liebe das einsame Leben zu verschönern. Zu den wenige» Freunden, mit denen sie verkehrten, zählte die Familie des Kaufmanns Romberg, dessen Sohn Ar thur, mit Margot's Bruder aufgewach sen auch die treue Freundschaft verband, bis das Leben und der erwählte Beruf sie trennte. Arthur hatte sich dem Ma schinenbau gewidmet und war seit meh rere» Jahren aus Reisen, um seine Kenntnisse durch praktische Ausübung in größeren Werkstätten zu bereichern. Seit des Sohnes Tode war Margot der Mutter einzigstes Glück, wie auch ver vergötterte Liebling Mombergs, die den abwesenden Sohn schmerzlich ver mißten und durch das liebliche kindliche Wesen des jungen Mädchens ganz ver gaßen, daß der Himmel ihnen den Wunsch, eine eigene Tochter zu besitzen, versagt hatte. In diesen schönen Herzensverkehr hatte der Tod mit rauher Hand einge griffen und Margot die geliebte Mutter genommen vor kaum einem halben Jah re. Der Schmerz des jungen Mädchens war ein so grenzenloser, daß die alten treue» Freunde fürchteten, auch sie wür de demselben erliegen; aber die Jugend machte ihr Recht geltend und stille tiefe Wehmut!? war an Stelle der Heftigkeit des ersten Schnierzes getreten. Rnr heute, am Weihnachtsabend, am Grabe der Geliebte», kehrte die Größe des Verlustes mit ganzer Gewalt zurück. „O, Mutter, Mutter, warum hast D» mich nicht mit Dir genommen?" kam es leise über die bebenden Lippen, während ein ksiivulsivischeS Weinen de» Körper deS Mädchens erschütterte. Lange, lange währte es, bis die er regte Seele Ruhe fand; Dämmerung brach herein, und durch dunstige graue Nebelschleier brach röthlich gelber Licht schein. Wie aus weiter Ferne tönten Klänge von Chorälen und Glockengeläute an ihr Ohr, ihr war es, als würde sie der Erde entrückt und weit, weit hinwegge tragen an einen Ort voll seligen Frie dens und Glückes; ein Bild voll Ivun derbareii Lichtes und Glanzes zeigte sich ihrem Auge, und in diesem Bilde sah sie sich selbst und das liebe Antlitz der Mutter voll glücklichen Lächelns sie an schauend. , Ein Schluchzen in nächster Nähe schreckte Margot cknf zerronnen war daS wunderschöne Traumbild, und die traurige Wirklichkeit kehrte zurück; aber der Eindruck blieb in ihrer Seele, und um Vieles gefaßter trat sie den Heim weg an. Kaum hatte Margot ihr stilles Stäb chen betreten, als eine Botschaft der alten Rombergs zn ihr kam, sie warte ten mit dem Anzünden des Tannen baums aus ihr Töchterchen. Wohl hatte Margot beabsichtigt, heute mit ihrem Schmerze allein z» bleiben, sie wollte ihren lieben alten Freunden nicht durch ihren Kummer den Ab»nd verderben; l.ber die sreundlich dringende Einladung konnte sie nicht abschlagen, und so mach te sie sich denn auf den kurzen We.i, der ihre Wohnung trennte. Als sie in das behagliche Wohnzim mer Rombergs trat und ihr erster Blick aus ein von dunkeln« Bollbart um rahmtes. männlich schönes Gesicht fiel, das ihr erwartungsvoll entgegensah, da särbte tiese Purpurgluth das eben noch so blasse, liebliche Antlitz, uud daS Klopsen deS Herzens ließ sie kaum ver ständlich den „Guten Abend-Gruß" stammeln. .Nicht wahr, Kindchen, das ist eine Uebcrraschniig," rief freudig Papa Rom berg, „daß der Arthur gerade heute zu rückkam? Die schönste Weihnachtsfreude für uns Alle!" Arthur trat Margot entgegen, und ihr herzlich ein paar Williommensworte sagend, ließ er sie sich von ihrer Ueber raschung erhole». Während nun die Alte» das Zimmer verließen, um im Nebenzimmer die Weihnachtsbescheeruiig herzurichten, er zählte er ihr von seinen Reisen, sei nen vielen Erlebnissen. Und wie er numnehr ganz in der Nähe eine sehr schöne Stellung als Ingenieur in einer großen Maschinenfabrik gefunden hab« und hoffe, feine Eltern würden ihm dorthin folgen. Fest ruhten srine Au gen auf ihren belebten Zügen und als bei diesen Worten ein jähes Erschrecken über dieselben fuhr, da kam ihm mit raschem Entschlüsse der Muth, der schon vor seiner Abreise vor Jahren heimlich Geliebten Herz und Hand anzubieten. Sich z» Margot hinüberbeugend und ihr ties in die schimmernden, blauen Sterne blickend, sprach er leise: „Und Dn. Margot, die Du schon als liebliches, kleines Mädchen den wilden, ja wilden Burschen durch ein Schmei chelwort bezwungen, willst auch Du mit unsheii? Willst Du mein wer den in. l» Heim mir verschönern, mir das Leben versüße» durch Deine Liebe?" Da trat flüchtig das wundervolle Traumbild aus dem Friedhof vor Mar gots Seele, und ihr war es, als sähe sie das glücklich lächelnde, liebliche Mutter antlitz. Den Blick des Geliebten innig erwi dernd, sprach sie einfach: „Ich hab' Dich vou Herzen lieb, Arthur!" Arthur zog Margot an's Fenster und ze» Himmel zeigend fprach er bewegt: „Was Du verloren, will ich Dir durch treue Liebe zu ersetzen suchen; möge der Segen der theu'ren Geschiede ne» uns begleiten über unserem Erden psade." Als spät am Abend Margot in ihrem Zimmer das thränenumflorte Auge zum gestirnten Nachthimmel empor hob, da kam es dankend über ihre Lippen: „DaS hast Du, geliebte Mutter, da oben für mich erfleht—der Weihnachts traum ist die schönste Wirklichkeit ge worden." Der falsch« Ehemann. Unter den großen Processen des Mi telalters gibt eS einen, der durch sei» Eigenart eine ganze Anzahl Geschichts schreiber veranlaßt hat, ihn in ihre» Werken zu erwähnen und die Geschicht, von dem- „falschen Martin Guerre" ist in der That so interessant, daß wir ir» Kürze die Thatsachen dieses seltsame» Processes wiedergeben wollen. Im Jahre 1540 wohnte in einem Dorse in Languedoc in Frank reich, ein schönes Mädchen, Bertrand« RolS, einer wohlbegüterten Banern familie entstammend. Ein Jüngliu; au? AndayS im Baskenlande, der fit einst erblickte, verliebte sich in sie, hielt um ihre Hgnd an und verheiratete sich init ihr. Fünf Jahre lang lebte» sie glücklich zusammen, bis eines TageS Martin Guerre in Folge eine! Streites mit seinem Schwiegervater das Dorf verließ, ohne von seiner Frau Abschied zu nehmen oder ihr zu sagen, wohin er sich begeben wolle. Später erfuhr man, daß er zuerst nach Spanien gegangen war und dann nach den Niederlanden, wo er im Heere Karls V. Dienste nahm. Acht Jahre hindurch hörte Bertrande nichts von ihrem Manne und man nahm allgemein an, daß er im Kriege gefal len fei. Eines Abends, als Bertrande zu Hause war und zufällig Besuch hatte von dem Onkel und einer Schwester ihres Mannes, hörten sse draußen vor dem Hause mit einmal einen großen Lärm und die Rufe: „Er ist da! Er ist da!" Das halbe Dorf umringte eine» Mann, den Bertrande fofort als den ihren wiedererkannte. Sie warf sich in seine Arme und auch die Schwester nnd der Oheim umarmten den Heimge kehrten, indem sie ausriefen: „Das ist Martin! Himmel, wie ist das mög lich!" Und der Neuangekommene sagte: „Ja, ich bin Marti« und bitte Euch um Bevzeihung, daß ich Euch verlassen habe; nun will ich immer hier bleiben." Nicht nur die Dorfbewohner hatten ihn erkannt, auch seine Fra» und seine Verwandten hatten keinen Augenblick gezögert, ihn an ihr Herz zu drücken und doch war dieser Mann keineswegs Martin Guerre. Es war ein gewisser Armand du Tilh, ebenfalls im Baskenlande geboren. Gleich Martin Guerre hatte er bei dem spanischen Heere in den Niederlanden Dienste genommen und ivar in Antwer pen niit diesem bekannt geworden. Als Landsleute hatten sie schnell Freund schaft mit einander geschlossen und Mar tin, der ihm seine Lebensschicksale er zählte, hatte ihn dabei -auch mit den in timsten Einzelheiten seines Lebens be kannt gemacht. Zwischen Beiden bestand eine erstaun liche Aehnlichkeit und diese war es, die Armand auf den Gedanken brachte, aus dem Nutzen zu ziehen, was ihm fein Waffenbruder anvertraut hatte. Er faßte den Entschluß, nach Artigat zu gehen und sich sür Martin auszugeben, was er mit um so größerer Sicherheit ausführen konnte, als ihm sein Gtsährte gesagt hatte, daß er nie mehr nach sei nem Heimathsdorfe und zu seiner Frau zurückkehren werde. Auf diese Weise wurde denn der falsche Martin Guerre Herr im Hause seines ehemaligen Kameraden und lebt« mit dessen Frau jahrelang ungestört zu sammen. Im Laufe der Zeit wurde aber de, Oheim des Abwesenden durch verschie dene Eigenthümlichkeiten seines ver meintlichen Neffen stutzig gemacht, e, beobachtete ihn längere Zett argwöhnisch und kam auch bald zu der Ueberzeugung, daß sie alle von einem gewöhnlichen Be trüger hinter'S Licht geführt seien. Die Hintergangene Gattin inachte der Justiz selber Anzeige von dem Betrage. Eine strenge Untersuchung wurde an gestellt. Der salsche Gatte vertheidigte sich sehr schlau und jammerte vor den Richtern, daß er eine so lieblose Frau und böswillige Verwandte hätte. Ins besondere suchte er den Oheim von Mar tin Guerre anzuschwärzen, sagte aus, daß es dieser persönlich aus ihn abge sehen habe und nur Rache an ihm neh men wolle. Er erzählte seine Lebens geschichte, die Ursache seiner langjähri gen Abwesenheit und legte Rechenschast ab von dem Leben, das er in der Fremde geführt hatte. Er stellte den Antrag, Bertrande in einem Hause abzusondern, wo sie von den böswilligen Verläum dungen ihrer Verwandten befreit wäre, und wo sie sich von der Wahrheit seiner Aussagen überzeugen könne. ES wurden Nachsorschungen ange stellt in den Orten, wo Martin Guerre sich früher aufgehalten hatte und alle die Aussagen, die von den Zeugen ge macht wurden, stellten sich günstig sür den Angeklagten. Von den 150 Zeu gen, die vernommen wurde», erklärte etwa der dritte Theil, daß der Ange klagte Martin Guerre sei, sie erklärten dies mit »in so größerer Bestimmtheit, als sie ihn meistens schon von seinen Kinderjahren her kannten. Andere wieder erklärten, daß er Ar mand du Tilh sei, der ihnen ebenfalls von Jugend auf sehr gut bekannt sei. Die meisten aber sagten aus, daß die große Aehnlichkeit zwischen den Beide» es unmöglich mache, ein sicheres Gut achten abzugeben. Inzwischen erklärte der erste Richter den Angeklagten für schuldig und verur theilte ihn zum Galgen. Der Verur teilte legte aber Berufung ein bei dem Gerichtshöfe zu Toulouse, welcher an ordnete, daß er Bertrande und dem Oheim Pierre Guerre gegenübergestellt werden sollte. DieS geschah, aber der Gerichtshos war nicht im Stande, eine Entscheidung zu treffen. Eine neue Untersuchung folgte. Von den dreißig vernommenen Zeug»n erklärten zehn, daß er Martin Guerre sei, ebenso viel behaupteten, in ihm Armand du Tilh wiederzuerkennen, die Uebrigen ließen ihre Aussagen un gewiß. In diesem Dilemma war der Ge richtshof schon willens, sich zu Gunsten deS Angeklagten auszusprechen, als man vernahm, daß in Artigat wieder ein Fremder angekommen sei, der sich gleich falls sür Martin Guerre ausgebe. Man »ahm nun diesen in s Verhör, fragte ihn nach allen möglichen Einzel heiten und mußte zu der Ueberzeugung kommen, daß feine Antworten nicht bei weitein so überzeugend klangen, wie die des zuerst Vernommenen. Schließlich wurden die Beiden ein ander gegenübergestellt. Der Erste nennt den Ander» eine» Schurken, der durch Pierre Guerre gekaust sei, um gegen ihn auszusagen. Die Fragen der Richter, die sich hauptsächlich aus beson dere intime Einzelheiten erstrecken, wer den von Beide» korrekt beantwortet. Der Gerichtshos war ganz und gar »»schlüs sig, nach welcher Seite hin er seinen Spruch fällen sollte, als einer der Rich ter den Vorschlag machte, die Angehöri gen und die Zeugen mit den Beiden zu sammen zu bringen. Die älteste Schwester, die zuerst ge rufen wird, eilt weinend aus Martin Gu»rre zu nnd der Zurückgekehrte weint mit ihr. Dieselbe Scene wiederholt sich bei den andern Schwestern. Was die Zeugen anlangt, so erkennen sie fast Alle Martin Guerre. Endlich ivird Bertrande de Rolfs ge rufen. Sie geht geraden Wegs aus Martin Guerre zn und schließt ihn in die Arme. Armand du Tilh stand verlegen da neben, ihm ward klar, daß seine Sache nun verloren sei. Durch Urtheil vom 12 September 1560 entschied der Gerichtshof von Tvulonse, daß Armand du Tilh feine Schuld öffentlich bekennen solle vor der Kirche von Arrigae, daß er dann nur mit einem Hemde bekleidet durch den ganzen Ort geführt werde» solle, »m dann vor dem Hause Martin Guerres aufgeknüpft zu werden, worauf sein Leichnam auf einer Brandstätte in Ranch und Asche zergehen solle. So cndete dieser eigenartige Proceß, der in seinen Einzelheiten so merk würdig ist, daß man fast an der Wahr heit derselben zweifeln möchte, wenn nicht Alles als historisch richtig erwiesen worden wäre. Eine Familie n-R eliq »ie. Der. berühmte englische Staatsmann Fox war als junger Mann genöthigt, um einen Sitz im Unterhause zu er langen, sich persönlich bei allen Wäh lern des OrteS, den er vertreten wollte, vorzustellen und sich die Stimmen der selben zu erbitten. So kam er auch zu einem als sehr grob und übellaunig verschrieenen Pächter, der ihm statt aller Antwort aus sein Gesuch einen Strick reichte, mit den höflichen Worten: »Die ser Strick hat eine gute Anzahl Schufte aus dem Leben befördert, hängen Sie sich nun auch damit!" „O, behalten Sie ihn nur, lieber Freund," entgegnete Fox, „ick, möchte Sie um keinen Preis der Welt einer so theuren Familien- Reliquie berauben!" Seltsame Abweisung. Bettler: Ach bitte, lieber Herr, kosen Se nier was zu essen, ick habe seit jestern nischt jenosscn! Herr: I wat, wenn ick Ihnen och jetzt wat zu essen kose, morgen haben Se doch wieder nischt. Sein Grund. Frqu: Aber lieber Mann, Du wirst doch de» alten Rock nicht mehr anziehen, der sieht doch zu toll aus? Laß mich nur, liebes Frauchen, ich häng« einmal am alten, deshalb ySnge ich ja auch so an Dir! Weltweisheit. Heimlich klug ist besser, als unheimlich dumm. Für die Weihnacht»mahlz«tt. Schildkrötensuppe. Diese vortreffliche Suppe wird, wenn man nicht gerade Lordmayor von London ist, Schildkrötenftnsch bereitet. Man nehme Eßlöffel Mehl in 125 Gr. Butter brau», rühre es mit Bouillon an und koche es mit ei»er halben Flasche Ma deira »nd einer Messerspitze Cayenne pfeffer unter fleißigem Abschäumen und Absetteii zu einer klaren, gebundenen Suppe, wozu man etwa eine Stunde ge brauchen wird und in der man das zu Stückchen geschnittene Schildkrötensleisch einmal aufkochen läßt und mit den Schildkröteneiern nachgeahmte» Eier klvßchen anrichtet. Zu dieser treibt man süns hartgekochte Eidotter durch ein Haarsieb, rührt sie mit drei rohe» Eidottern, Salz und Muskatnuß ab, sormt mit der Hand, die man öfters mit Mehl bestäubt, haselnußartige Eier chen und kocht sie einige Minuten in ge salzenem Wasser. Aust ern pa st etch e n. Man thue die Auster«, nachdem die Bärte entfernt worden, nebst ihrem Wasser in kochend heißen, weißen Wein, bis sie steif sind, lasse aber ja nicht kochen und nehme sie mit dem Schaumlöffel heraus, gebe dann zu dem Wein etwas kräftige Bvmllon, Citronensaft »nd.Salz, bringe es zum Kochen und legiere eS mit eini gen, mit etwas Mehl verquirlten Ei dottern, so daß es eine recht seimige Sauce gibt, welche man nuu vom Feuer schiebt, die Austern und Kapern darunter wischt und kurz vor dem Anrichten in kleine Blätterteigpasteichen füllt. Eine große oder zwei kleine Austern genügen sür ein Pastetchen. Rindsfilet auf englische Art. Man brate ein schön gespicktes Rindsfilet in Butter und gieße, wenn es ge nommen hat, nach und nach etwas ko chendes Wasser daran: mache dann etwas braune Einbrenne (Mehlschwitze), rühre sie mit dem vorher abgeketteten Braten saste deS Filets an, gebe es durch ein Sieb und koche es etwas dicklich ein; fette nochmals ab und vermische die Sauce mit der doppelten Menge Jo hannisbeergelee; lasse damit einigemal auskochen, füge ein Stück sehr frischer Butter hinzu, wonach sie nicht mehr ko chen darf und, gieße sie in eine Sauciere. Den Braten umlege man mit geschabtem Ingwer und serviere sehr heiß. Blumenkohl mit Wiener Schnitzeln. Man nehme recht schöne, feste, weiße Blumenkohlrosen, lasse sie ganz und koche sie in gesalzenem, kochen chendem Wasser ab, thue sie in einen Seiher und stelle diesen über heißes Wasser, damit der Blumenkohl warm bleibe. Dann rühre man einen halben Eßlöffel Mehl mit kaltem Wasser sein ab und süge K 0 Gr. recht frische, in Stückchen zerbröckelte Butter «nd drei Eidotter hinzu, gieße von dem Blumen kohlwasser daran und rnhre es auf ge lindem Feuer zu einer cremeartigen Sauce, richte nun die Blumenkohlrosen dicht aneinander liegend an, daß sie nur eine einzige Rose bilden, gebe die Sauce darüber und serviere die Schnitzel dazu. Wiener Schnitzel. Man schneide aus der KalbSnuß handgroße und halb fingerdicke Scheiben, lege sie aus ein Brett und schlage sie mit einem hölzer nen Fleischhammer so stark, daß die Scheibe durchsichtig dünn wird, wobei man den Hammer immer mit etwa» Wasser benetzen muß, welches man sich in einem flachen Teller zur Seite stellt. Hierauf bestreue man die Scheiben mit ein wenig seinem Salz und brate sie in steigender Butter in höchstens zwei Mi nuten auf beiden Seiten. Beim Zer schneiden muß der Saft herauslaufen und sie müssen ganz zart sein. Schneepunsch. Man koche 1 Ic Zucker mit 1 I Wasser zum kurzen Fa den (kleine Perle), gieße es über die ausS feinste abgeschälte Schale und den Sast von drei Orangen und lasse es, fest zugedeckt, eine Stunde stehen; gebe eS dann, mit dem Sast von vier Citronen, durch ein Sieb in die Gefrierbüchse und stelle es auf Eis, süge kurz vor dem Servieren noch das Weiße von sechs sehr frischen Eiern hinzu und schlage nun das Ganze mit einer Schneeruthe recht kräftig, bis eS durchweg schau mig ist, thue zuletzt unter fortwähren dem Schlagen fechS Liqueurgläschen feinsten Rum hinein und serviere so fort in gehäuft angefüllten Champag nergläsern. FarcierterTrnthahn. Man hacke H K zartes Schweinefleisch mit 4 1c SpÄ sehr sein, füge die gehackte und durch ein Sieb getriebene Leber des Truthahns, sechs gehackte Sardellen, einen Eßlöffel Kapern, zwei verklopste Eier, vier Eßlöffel saure» Rahm, de» Sast einer Citrone und H bis j k in Fleischbrühe gedämpsp Trüffeln hinzu, verrühre es gut mit dem Trüffelsude und fülle Kiese Farce in den Truthahn, brate ihn mit Butter unter fleißigem Begießen zwei bis drei Stunden lang sam und serviere die abgeseilete und durch ein Sieb gegebene Sauce in einer Sauciere dazu. Aepfelfcharlotte. Man schäle ein paar Dutzend kleine Aepfel, schneide sie in vier Theile und nachdem das Kernhaus entfernt worden, jeden Theil der Quere nach in fechs Theile und dämpfe sie mit 125 Gr. sehr frischer Butter, 180 Gr. Zucker uiH 180 Gr. Aprikofenmarmelade, bis sie von der Hitze ganz durchdrungen sind, und stelle sie dann kalt. Bestreiche nun eine etwa handhoh», runde, «latte Form stark mit Butter und lszc sie mit dünnen, lang viereckige» Weißbrotschnitten ohne Kruste und in zerlassene Butter getaucht, sorg fältig aus, fülle sie mit den Aepfeln und belege sie oben auch mit Weißbrotfchnit ten, bespritze mit zerlassener Butter und lasse bei guter Hitze im Backofen (Röhre) eine halbe Stunde lang backen, wo dann da« Weißbrot schön gelb und spröde sei« muß und die Scharloktr nun ge stürzt und gleich servirt wird.. schenk««». Ein Katechismus des Schenken? Is! brauchte eben auch kemcni Ber'.eiei ernstlich bange zu sei». Denn das Schenken ist in vielen Fällen, wo es sirt nicht um prallische Bedürfnisse handelt, wo man nicht Jemandem gerade da leichte Sache, wie man fich'S gemeinig lich vorstellt. In der Regel schieß! man- iliiter. über und nebe» das Ziel, den Kernschuß hat man selten und di, ineiste» Uebcrraschuilgeil laufe» aus Ent täuschungen hinaus. Allerdings ist e« eine schwere Sache um's Errathen, sons! würden ja auch mehr Ternos gemacht werden, als die Lottodirektion jahraus, jahrein auszuzahlen hat; aber uock immer ist es oft leichter, eine Nummer, die der Waisenknabe zu erhaschen hat, zu ersinnen, als in'S Wunschkäininerlein eines Erwartende» einzudringen. Viel leicht käme man in schwankenden FSller am beste» dadurch aus der Verlegen heit, daß man in die Menge von Preis büchern und Katalogen, in welchen neue steiis unsere Firmen so Treffliches bieten nnd die einem besonders zu, Weihnachts-, also zur Schenkzeit mi> jeder Post in'S Haus fliege», aus's Ge rathewohl hineingrisfc und sich somit vom Zufall leiten ließe. Allerdings könnte eS dann pafsiren, daß dieser Zu sall dem Junggesellen eine Puppe, de, Schwiegermutter einen Stock, dem j»n ge» Mädchen die sämmtliche» Werk« von Zola und dem auf Freicr-Zfüßen gehende» jungen Mann ein Körbchen zuwendete. Also Hazard dari weder gespielt noch geschenkt werden. Praktisch oder nicht praktisch das ist die Frage; zweckmäßig oder über flüssig das ist das Räthsel. Kindel pflegen ihre süßen Mündchen darübel zu verziehe», wen» man ihnen zu ihrem Name»S- oder Geburtstage oder zu Weihnachten, kurz zu allen jene» gol dene» Zeiten, wo der geheiligte G«> brauch ihnen das Recht gibt, Etwas zu erwarten, eine Gabe reicht, die sie ge rade brauchen, etwa ein Paar Pelz stieselchen, ein »eueS Kleid, weil di« alten Stiefelcheir und das Kleidchen vom vergangenen Jahre bereits nahezu unbrauchbar geworden sind. Mit der unschuldigsten Miene von ver Welt kön nen sie dann in den weinerliche» Ausruf verfallen: „Das hätt' ich ja ohnedies bekommen müssen." Aber »och eine Pilppcnkossctte, noch ein „unnützes Ne cessaire", noch ein Porzellanservice und noch eine Küche das ist ihnen recht; das füllt die Kinderstube zur Verzweif lung der Mutter und des Stubenmäd chens, das jeden Morgen nicht weiß, wo es den KrimSkramS unterbringe» soll, bis an die Decke, und das süllt ihre be gehrlichen Herzchen aus. Aehnlich und nur durch de» Verstand »nd den dunklen Drang nach Nützlich keit einigermaßen eingedämmt, ist es ja auch bei den Großen und Alten. Der Luxus, die Pikanterie, das noch nichl Gesehene - das zieht an und erfreut, daS Alltägliche läßt kalt. Ein unprak tifcheS Tintenfaß, das, bevor man nur einen Tropfen Tinte herausbringt, zehn mal umgegossen wird, eine neuartig« Zigarettenmaschine, die de» Tabak.zer quetscht, statt ihn zu rollen, ein schweres Bierservice, dessen Gebrauch die Kraft eines Hausknechtes verlangt, ein Blei stift, der fo oft man ihn ansetzt, bricht das ist das Genre, das in den meisten Fällen und am nachhaltigsten imponirt. Kurz ist die Freude und lang der Katzen jammerl Eine Nrt zu schenken, die in, wir wollen nicht sagen, vordenklichen, nichl einmal vormärzlichen Zeiten, aber doch vor wenigen Dezennien noch stark im Schwange war, istsast gänzlich ver schwunden. Diese Art war namentlich bei den Damen beliebt, die „ihren Her ren" eine rechte Freude bereiten wollten. Die zärtliche Gattin stickte ihrem zärt lichen Gatten ein Paar Hosenträger, ein Hauskäppchen oder, wenn sie nichl davor scheute, dem Manne den Staar zu stechen, ein Paar Pantoffeln; du Schwester stickte dem Bruder eine Ci garrentasche und die Braut dem Bräu tigam ein Portefeuille mit ihrem, von Silber- und Goldfäden oval umrahm ten Bilde. DaS ist fast ganz außer Mode gekommen, und wenn heutzutage junge Mädchen im Geheimen durch die Geschicklichkeit ihrer Hände und durch ihre Ausdauer der Mutter eine Freude machen wollen, so wird'S eine elegante Tischdecke, der den Tisch absonderlich ziert und den die Gäste ebenso abson derlich bewundern, oder ein Dutzend Dessertserviettchen mit zierlichem Mono gramm. Und ist bei der Jugend der modern, Kunstsinn zu Hause, so werden Teller, Platten und Kästchen bemalt. Der in noch älteren Traditionen besangen« Papa schüttelt das graue Haupt, wenn iym zugemuthet wird, eine » I» Delfst oder Vieux Saxe bemalte Schüssel an die Wand zu hängen, denn für ihn hatte bisher diese Art von Porzellan ode, Majolika lediglich den Zweck, daraus zu essen, aber Mama hat sich nach Frauen art rasch in den Geist der neuen Zeil hineingelebt und sreut sich ungemein darüber, daß die Rococofigürchen aus dem Tellerrand so ausnehmend gelun gen, daß daS Köpfchen des kleinen Ratt lers Putzi oder Bijou auf dem Grund« deS Hundenürfcherls so ernst nnd der springende Pagat auf der Spielkassette so spaßig dreinschaut. Die Aufgabe deS Schenkens ist in den Maße complicirter nnd ihre Lösung schwieriger geworden, altz die Anspruch, an die offene Hand stark gewachsen sind und die Auswahl der Gegenstände in den letzten Jahrzehnten sich in'S Tau sindsache gesteigert hat. Buchhandel, Photographie,Holzschneidekunst, Kupfer druck, Heliogravüre alles arbeitet auf Weihnachten los, und was früher, Wik dkifpielSweisr ein Galeriewerk, nur dem Millionär zugänglich war, ist heute dem Mittelstände erschwinglich gemacht. So ist'S auch mit den Arbeiten derPla stik. Aür einige Thaler kaust mai ganze Länder und sür denselben B-etraa einen griechischen LieblmgSgott, und di, Gesammtwerke eines Mozart, Beethoven nnd Schubert, die dereinst nur im Be sitze von Bibliotheken, Fachgelehrten nnd besonders begünstigte Familien waren, sinden heilte erleichterten Ei» gang in jede bürgerliche Faiiiilienbibliv thek. Es schwinden Einem die Sinne, wenn man in einen inodern ansgcstalte ten Buch, Kunst- und Musikladen ein tritt: man weiß nicht, wovon man zu» erst geblendet wird, von den Werken, den Titeln oder den Einbänden! Da ist aber alles nichts gegen eine U.hr und gegen die Invasion und Umwälzung, die da? ursprüngliche „Nürnberger E>" aus dem Markt der Überraschungen der vorgebracht. Früher war die Uhr lediglich beim Uhrmacher zn finden. Der Uhrmacher verfertigte, verkaufte und reparirte sie Heute findet man die Uhr beim Juwe lier in einem Braeelet oder sogar in einer Broche und Busennadel, beim Stocksabrikante» in einem Pfefserrohre. im Schirmladen unter dem Griff eine» Parafols; man findet sie im Galante riemagazin in einem Portemonnaie oder einem Fächer, beim Silberarbeitei in ein Feuerzeug eingelassen, und we> weiß, ob nicht auch ein Pseisenschneidei aus den Gedanken verfällt, ein Minia turwerk an einem Meerschaumkops an zubringen. Wenn dann der bedächtig, Raucher auf die warme Uhr blickt, kanr er zugleich constatiren, um wie viel, Schattirungen der edle Kops tiefer an geraucht erscheint. Tie Pariser AnsstellungSzeit hat de Uhr eine neue Perspective erschlossen die Perspective in die Hosentasche. Man ist dort nämlich aus die Idee der falle», Alles was ein in FriedenSzeiter wohl ausgerüsteter Herr braucht, i» einem Bündel zu vereinigen: Messer Feuerzeug und Uhr. Dieses Bünde wird in die Tasche gesteckt und mittels! Sicherheitskettchen an dem äußeren Ta schenknops befestigt. Selbstverstänvlilt ist diese Ausrüstimg so unpraktisch als denkbar, aber sie ist modern und darun vom Standpunkte der Industrie auct berechtigt. Das Feld für's Schenke, kann ja nicht groß genug fei». See geprügelt« Tanzmeister. Eine an komischen Details reichha! tige Verhandlung fand jüngst vor den Bezirksrichter >n Budapest statt. De, Thatbestand ist folgender: Ani 10 September d. I. sühne der Altosene» Einwohner Eleazar Weiß das Fräuleii Sidonie Seemann zum Altar. Nach dei Trauung wurde im Brodischen Casine in der MokuSgasse ein großer Ball ge geben, welchem ISO Paare beiwohnten Eine ans sieben braunen Geselle» be stehende Zigeunerkapelle spielte den Tan zcndcn auf, welche sich unter der Leitun« eines direct engagirten Tanzmeister sorglos dem Tanzvergnügen Hingaben Die Zigeuner und der Tanzmeister wur den von den Gästen bezahlt. Die wich tige Function des Einsammelns würd, von zwei „Kranzelherren" besorgt. Un ter den Gästen fiel besonders ei» sorg sältig gekleideter und frisirter junge. Mann Namens Rudolf Trebitfch aus welcher mit bewunderungswürdige» Eleganz tanzte und fast jedes bei dem Balle anwesende Mädchen zum Tanz« ausforderte. Die Kraazelherrcu Sal»- mon Roth und Isidor Landauer Halter aus den jungen Mann ein Auge gewor feu. Sie nahten sich ihm zu wieder holten Molen mit dem Teller, wurde» indeß von ihm stets Überzangen. Schließ' lich riß den Beiden der Faden der Ge duld. „Hören Sie," redete ihn Roth an. „wenn Sie schon so wüthend tanzen, sl können Sie doch wenigstens mit Etwab für die Musik beisteuern." Der Ange redete, welcher eben eine hübsche Nähe rin auf Leben und Tod hofirte, faßte statt jeder Antwort feine Schöne »m dir Hüfte und mifchte sich unter die Tanzen den. Die Sammler ließen ihn indeß nicht los. Kaum war der Tanzzu Ende als Trebitsch von einem der Kränzke, malS an die Pflicht des Zahlens er mahnt wurde. Der so Apostrophirle hatte sich noch nicht von seinem Schrek ken erholt, als ein gewisser Jgnaz Rotb ihm einen wuchtigen Schlag aus seine schöne Frisur versetzte. Die beide» „Kränzler" fielen nun ebenfalls über ihn her und in einem Augenblicke lag der junge Mann mit zerschundenem Ge ficht und zerrissener Hose zum Entsetze» der Gäste aus der Erde. In nicht eben zarter Weife wurde Trebitsch aus den, Saal entfernt. Erst draußen fiel es ihm ein, sich um die eigentliche Ursache der erhaltene» Schläge eingehend zu erkundigen. .Wo rum haben Sie denn nicht sür den Tanz meister zahlen wollen?" lautete die Ge genfrage der noch immer Wüthenden. „Bin ich doch selber der Tanzmeister"' Die aus's Höchste verblüfften Künstler versuchten nun den geprügelten Tanz meister nach Möglichkeit zu besänftigen Ein Blick auf die zerrissene Hose ge nügte indeß, um Trebitsch in seinem Entschlüsse. Genugthuung zu nehmen, zn bestärken. Er klagte wegen Ehren beleidiguug, leichter körperlicher Ber lctzuuz und Beschädigung fremden Ei genthnm-?. Bei der Schlußverhandlung erklärte sich Trebitsch bereit, »Her die Vergangenheit den Schleier der Ber gessenheit zu Wersen, wenn man ihn» für seine zerrissene Hose 6 fl. 20 kr. er lege. Die Angeklagten zahlten die ge wünscht? Summe und Trebitsch ent sernte sich mit der Erklärung, ein gutes. Geschäft gemacht zu habe», da er sür die Hose blos 3 fl. gegeben hatte. Die Prügel scheint Trebitsch ganz vergesse« zu habeo. F a chm »n nis ch e» C on» p li ment. Artillerie-Lieutenant: „Aber gnädiges Fräulein haben Augen >en jeder Blick 'n Treffer!'