v «in statistischer Roma«. ln irgend einem verborgenen Winkel der Zeitung liest man: In dieser Woch?. wurden hier so und so viel lebendig ge boren, todt geboren, sind gestorben, ha ben sich verheirathet, endeten durch Selbstmord. Das Auge hastet Kichtig auf diesen Angaben, dir im nächsten , Augenblick vergessen Md. WvS küm- merii uns i>ie nackten Ziffern, die doch Mjo viel Fncnde und Lew in sich bergen. MBieUeick-t würde es uns mehr intereffi '' Ten, wemn wir Angilben über den wirth schaftlichen Fortschritt oder Rückgang 'der einzelnen Haushalte bekämen, wenn Hu lesen wävr, diese Anzahl Unterneh mer können ein-: Mehreinnahme von meiner Gesammtsumme x verzeichnen, jene Anzahl einen Verlust in folgendem Gestimmtbetrage. Auch Krankheitsta bellen gibt es, ein Coutrolbuch der lei denden Menschheit. Und doch erschei nen in allen diesen NachweisnnZen noch lange nicht die Factoren der Einzel schicksale erschöpft. Arbeitsmühe und Arbeitslast, Verschwendung nnd Ent behrunA, Vergnügen und Abspannung, Neigung und Entsagung in allen Ab stufungen, Kummer nnd Aerger, Gedan ienleben uud geistige Stumpfheit, diese durch Ziffern kaum zu begrenzenden äußern uud innern Eindrücke, spielen gleichfalls eine große Rolle in unserm Dasein. Die Statistik steht hier mei stens vor verschlossenen Pforten. Und trotzdem reizt eS uns, auch in diesen fragen eine Gesetzmäßigkeit zu er langen. Jonathan Holmay, der Sohn eines echten Mnkce und einer nach Amerika eingewanderten Deutschen, hatte die Glücksumstäude seiner Eltern dazu be nutzt, auf deutschen Universitäten Stu dien zu machen. Insbesondere zogen ihn Medicin und Philosophie an, diese ungleichen Schwestern, die nur in der Sprödigkeit gegen ihre Bewerber wett eifern und ihr tiefstes Wesen stets wie der verschleiern. Der rechnende Kops des Vaters und die phantasievolle Na tur der Mutter kamen üi Jonathan ab wechselnd zur Geltung. Da fiel es ihm eines Tages Plötzlich bei, alle seine Le bcnscrjcheinnngen ziffernmäßig zusam menMassen, der Statistiker seines Ick zu werden. Logisch geschult, wußte er, daß er es hierbei mit dlirchaus subjektiven Beob achtnngen zu thun haben werde. Allein er wollte wenigstens versuchen, sich wü ein anderes, sreiudes Subject gegen überzutreten, dem mindestens kein See lenvorgang verschwiegen wird oder ver borgen bleibt nnd das jede Selbsttän schung auszuscheiden trachtet. Fürwahr ein heroischer Entschluß, sich der Pen diefer unaufhörlichen Eigcnschan zu nn terwersen, da der Mensch doch am lieb steil sein Innerstes vom Licht abkehri und in das Unbestimmte hineindäm »nert. Ja, Jonathan schreckte soga, nicht vor dem Vorsätze zurück, mit sick psychologische Exvcrimente natürlich mir solche, welche das Da sein nicht gesährden oder zn schwer, Leiden und Uuauuehmlichkeitcn ansla im. Seiner starken Willenskraft sich de wußt, gedachte er in dieser Weise sich das Material zur Beurtlieilung der Frage „Mensch" zn verschaffen, um es später säuberlich ordnen und wissen schaftlich verwenden zu können. Der naturalistische Forscher sängt mit seinem Ich an das war der Grundsatz, dem er seine geistige Thätigkeit unterwerfen wollte. Er machte sich zum statistischen Objeet. um eine naturwissenschaftliche Grundlage zu erlange». Dabei hütete er sich vor Berallgemeinerungen, vor geistreichen Einfällen, thörichte!? Vor meinungeu nnd launischen Nachgrübe leien, vor schulmüssigen Wortspielereien »nid übertriebenen Feinheiten der Aus legung. Er blickte geradeaus wie ein Maler in deu Spiegel, der sein Eigen bild anf der Leinwand festzuhalten und - das kleinste Fältchen seines Wesens zn erlausche» sucht, das ihm bisher gleich giltig geblieben. Jonathan legte sich ein „Tagebuch der » Eelbsterlebitisfe" an, die sorgfältig ge gliedert und gesondert wurden. Da fand man eine Abtheilung für Physische Eindrücke, wie z. B. Wiedererwachen des Hunger und Durftgefuhls zu diese» und diese» Stunden; kleine Indispo sitionen, grössere körperliche Störungen; Arbeits- und Zerstreuungswirkungen; Schlaszeit u. f. w. Ferner eine Ab theilung für seelische Erregungen: Freude, Aerger, verbunden mit Puls zählungen, Blutwärme - Messungen durch den Panshygmographen. Das lässt sich hier nur in Umrissen andeuten. Thatsächlich enthielt das Buch einige Dutzend Hauptrubriken und eine viel sache Anzahl von Unterabteilungen sowie nähere Ausführungen in Aniner luiigen, Notizen u. f. w. Er betitelte dieses genaueste Polizei register aller wahrgenommenen Berän Gerungen von jit örper und Geist: „Le bensbuch des Jonathan Holmay." Beispielsweise sah man in der Längen-- rnbrik 7 Uhr Morgens folgende Quer «bthcilnngen ausgefüllt: „Soeben auf gestanden, beabsichtige mich zu reinigen ilnd anzullciden. Blutwärme Gr. Celsius, 87 PnlSschläge in der Minute, ongcnchmes Hantgefühl, Muskclfpan „ung für SN Gegengewicht: fröhliche Stimmung ohne besonderen Gegenstand, freier, arbeitslustiger Kopf! trotzdem Gähnen nach dreiminutigcr und süiif einhc.lbminntiger Panfe. Verfrühtes Hereinbringe» des Frühstücks ohne Er regung einer Aergerniß bei mir. 7 Uhr 10 Min.: Beginn des WascheuS. Seife abhanden gekommen. Verzögerung hierdurch ruft erste leichte Verstimmung hervor. Bcrstimmungsdruck Diese Noitzen waren stenographisch eingetra gen. Man kann sich denken, daß diesel ben sich bei wichtigern Anlässen häufen mußten. Doch ein hartnäckiger Sinn wie der Jonathans bewältigt noch schwierigere Aufgaben. Am Ende des Jahre? zog ? r die allgemeine Bilanz aller Eindrücke, summirte die Lust- und Unlustgefühle, de» erworbenen Gedaukenbefitz, die ver schleuderte» oder schlecht angewandte« Stunden, die Ablenkungen durch äußert Dinge und Personen. „Kein Vorfall war zu klein, in'ö LebenSbuck, mußt' er hinein." Dazu gesellten sich die Jah res Photographien und die MonatS nachweise über Körpergewicht n. s. w. So trieb es Jonathan nun beinahe zwei Jahre. Wechsel des Aufenthaltsortes und der Studien, Reisen und Zwischen sälle aller Art, denen er keineswegs pe dantisch auswich, wurden systematisch verbucht und änderten nichts an der Methode der Selbstbeobachtung. Hätte Holm die Beobachtungen bis ,'.i seinem Lebensende durchcfesührt, so vürdc er das erste branchbare Material ür eine naturalistische Biographie ge chassen haben, die schließlich doch höber gestellt werden muß als ein naturalisti scher Nomon. Bei Erkrankungen dürste !r >a dem behandelnden Arzt di« Ein ragungen überlassen und an andere Hindernisse dachte er nicht. Da kam dre Legende der Li-beSsehn ?ucht plötzlich in seine innere Welt, wie ?in Schulmädchen, das neugierig den Schreibtisch des Vaters durchstöbert. ,Ind siehe da, mit der schönen Ordnung wd sorgfältigen Verbnchnng war es vorbei. Die „Dokiiniente des Menschen" zerietheu in ein Durcheinander. Eigentlich hatte sich Jonathan das Zrwachcn der Li-beSempfindung als >i»e besonders interessante Aufgabe sei »cr statistischen Beobachtungskunst vor zestellt und deshalb diese» Zeitabschnitt hinauszögern wollen, bis cr vollkommen in der Methode geschult sei. Doch der Husall zog ihm den Strich durch die iliechnung, daß cr aus einer Dampsschiff iahrt Fräulein Ella kennen lernte, deren Füßchen ihn nicht zur Klarheit kommen ließ, ob ihre Angen grau oder blau, ihre Locken blond oder brau» seien. Diese Abnahme des Farbensinnes wurde nicht ausgewogen durch eine Schär sung seiner anderen Beobachtnngswerk zeuge. Gewiß, der lieblich helle Klang ihrer Stimme, das fast kindliche Geläch ter entzückte ihn; doch vergebens suchte er die Tonlage zu fixireu. Und auch die vollen und doch sein geschwungenen For men gefielen iliin, ohne daß er die Maße schätzen und vergleichsweise beurtheilen konnte. Vielmehr schien sich bei ihm ein anderer Sinn einzustellen, welchen er nach quälendem Grübeln mir als einen „in nern Geruch" zu bezeichnen wagte, ohne daß seinem exacten Geiste diese Hypothese genügte. Fräulein Ella war die Schwester eines srühereu Studiengenossen Jona thans, eine fröhliche und etwas schel mische Rheintochter, die nacki erfolgter Vorstellung ihm ein Glas ihres heimath lichen Weines eredenzte und eine Un summe süßer Thorheiten dazu bot. Wie sollte der Statistiker das muntere, launig hin- und bcrjpringende Gespräch irgend wie unterbringen in seine Rubriken? Er wurde wegen seiner Einsilbigkeit geneckt. Als er die Pulsschläge an dem Hand gelenke zu zählen suchte, um wenigstens einiges Material zu sammeln, entdeckte Ella diese Procedur und überschüttet! ihn mit lachenden Einfällen, deren er sich in der schlechten VeriheidigungSstellung der Verlegenheit uicht zu erwehren ver mochte. Er gestand sich schließlich, dax dieser Tag für sein „LebenSbnch" keim geordneten Wahrnehmungen bringer würde. Leichter hätte er die weißen EirruS-Wölkchen gezählt, die am blauen Himmel flatterten, oder die Sonnen strahlen, die sich in den leicht bewegten Wellen badeten. Es ging ihm die Ah nung auf, daß das Herz seine eigen« Sprache habe, die sich in die Ziffer spräche nicht übertragen läßt. Er er fuhr, daß es eine mystische Dämmerung der Seele gibt, die er sich lange genuo wcggcscholic» und die trotzdem mit ihren Tranmbi'.dern Einzug dielt in sein In neres, welches die statistischen HilsStrnp pen in wilder Fahnenflucht preisgaben, Aber fchön war die Sache doch und Jonathan tröstete sich schließlich da rüber, daß in seinem LebcnSbuch ein weißes Blatt übrig bleiben würde, das er höchstens mit einer gewisscusersor schenden Randglosse ausfüllen konnte, Er wurde allmäblich angeregter und an DaS Problem der Vererbung hatt« nur zum Vorspiel der beiden Lebewes-m gedient, jetzt begann das Problem dei Anpassung. Und diese andere Form des NaturwaltenS trat in verlangenden Blicken, sehnsüchtigem Schwellen dei Brust, iu zaghaften Berührungen im! Strömung der Nervenclektricität immci deutlicher hcrvor. Der Bruder Ellas, der eben sein Referendar Exumen be heimlichen Spuk mit Vergnügen. Wai doch Jonathan ein wohlsituirter Zu knnsts-Schwager, der seine Schwestei glücklich nnd ihm Darlehen machei Als die Sonne hinabstieg nnd sick hinter die Pnrpurgardiuen zurückzog um allmählich zu entschlasen, schlug sick der schlaue Bruder Plötzlich abseits, um aus dem Verdeck zweiter Classe eiuen Die SchissSlatcrncn wurde» angeuinde! und im Westen sah man im lichten Abenddttnst das goldeue Mainz ausstei gen. Die meisten lehnten an dein Bort und sahen träumerisch müde in da- Wasser oder zu den vorbeiziehende» Usern und Auen hinüber. Manche wag tcn sogar, eiu melancholisches oder hei teres Lied anzustimmen. Nur di Kellner schritten mit feierlichen Amts mieiien auf und ab, um Flaschen, Glä ser und Teller einzuräumen. Nacht schmelterlinge flogen über KZ?se den Laterne» z« und einer verfing sick sogar im Haare EllaS, die absichtlich sich etwas ängstlich geberdete. Da gab der statistische Satan, der sich niemals «ine Menschenseele entgehe» läßt, Jonathan einen absurden Gedan ken ein. Statt den flatternden Nacht schwärmer aus den Locken zu befreien und dabei Ellas Köpfchen leise an seine Brust zu drücken, nahm der Beobach tungS-Sklave einen Handthermomcter ans der Tasche «ud legte ihn an den entblößten, schön gerundeten Arm des empfindsam angeregten Mädchens. Was thun Sie da? fragte die niedliche Kleine erschrocken. Ich möchte in diesem Momente Ihre Eigenwärme feststellen, antwortete der in die alte Thorheit zu rückfallende Barbar. Aber rheinisches Blut hat auch Zsrneswuth. Stuf Ellas Wangen flammte eine unheimliche Nö the, die ebenso rasch der Blässe wich. Und im gereizten Tone sagte sie: So, Sie wollen gern constatiren, das? ich zu viel Wein getrunken. Sie gehören viel leicht einem Mäßigkeitsvereine an. Nun, seieu Sie getrost, wir Rheinlän deriimen trinken und lieben nur soviel, wie wir vertragen. Jetzt suche ich mei nen Bruder auf. Sie griff schnell Sonnenschirm nnd Plaid ans und war verschwunden. Jo nathan machte ein verdutztes Gesicht nnd steckte den Thermometer wieder ein. Er empfand das ganze Unbehagen desjeni gen, der eine große Dummheit began gen. Das Dampfschiff war an der Lan dnngSbrücke. Wo ist Jonathan und wie gefällt er dir? fragte der Bruder Ella. Laß ihn laufen, wohin er will. Er ist ein Narr nnb ein Pedant zugleich. Solche Männer kann ich nicht aus stehen. Zinn, wie du willst. Er wäre kein übler Schwager geworden, seufzte er gebungSvoll der Bruder. Ob Jonathan nach diesem nnheil vollen Tage fein „Lebensbuch" fort, geführt hat, kann ich nicht mittheilen Gesehen hat es bei ihm in späterer Zeil Niemand. Berül?mte Männer im Zchlasrs6e, In Paris hat sich ein junger Photo graph an eine Unternehmung gewagt deren Gelingen ihm bald in allen Haupt städten Nachahmer schaffen wird. E> hat die berühmtesten Männer des Ta ges in ihren Studirzimmern, gleichsam bei der Arbeit, belauscht und abcouter feit, in Schlafrock nnd Pantoffeln, mi! der Feder, dem Stift, der Rolle in der Hand. Die Sammlung stillt nicht nm das Verlangen der Zeitgenossen, ihren Lieblingsdichtern, Schriftstellern und Musikern n.ihezutreteu, sie wird ein werthvolles Material für die Zukunft abgeben, und einmal angefangen, wird sie jedenfalls fortgesetzt werden. Da ist zuerst Alexander Dumas in einem ge ränmigen, eleganten Zimmer, das jeden falls nicht auf einen Bücherwurm schlie ßen läßt; deun außer einer Reihe dicker Bände, die wie eine Encyklopädie ans sehen und die hinter dein Stuhle des Dramatikers auf dem dnrch die Täfe lung gebildeten Regal aufliegen, ist im ganzeil Raume kein Buch zu sehen. Hof fentlich hat der Dichter noch ein befon deres BibliothelSzimmer. Fehlt es in seinem Atelier an Büchern, so gibt es um so mehr Bilder; sie bedecken in gol denen und schwarzen Rahmen alle Wände, von der Holztäfelung bis zur Decke, Porträts. Landschaften, mytholo gische und historische Darstellungen. Sie geben den frenndlichsten Hinter grund für die behäbige, etwas melan cholisch angehauchte Gestalt des Dich ters, der nachdenklich am Schreibtisch sitzt, in einer nachlässigen Gewandung, die einige Aehnlichkeit mit einem Mönchshabit hat. Der Kopf gleicht ganz dem des Vaters, wie wir ihn anS den SechSziger-Jahren im Gedächtniß haben. Nur, so meint ein Schildere! dieser Bilder in der „Ncnen Freien Presse", schaute Dumas siors frohge muther drein, und ein Lächeln ninfpielte den Mund, daS beim Sohne fehlt. Die Löwenmähne und der buschige Schnurr bart, die starken Augenbrauen, die aus gebildete Stirn, der auf breiten Schul tern auffitzende kurze Hals sind bei Valer und Sohn dieselben. Der höl zerne, mit kreisrunder Lehne versehene Stuhl steht vor einem Tische, der mit der Zeit zu klein geworden ist, denn ein zweiter, ganz ähnlicher ist angeschoben und trägt die mit peinlicher Sorgfall geordneten Papiere, wie denn das ganze Zimmer die größte Ordnungsliebe und feinen Schönheitssinn verräth; ungün stige Beleuchtung zwang den Photogra phcn. das Dichterzimmer sammt seinem Inhaber bei Magnesiumlicht aufzu Aehnlich erging es ihm bei Pasteur, der mit dem Rücken gegen daZ mit Ja lousien verdunkelte Fenster sitzt. Er gibt sich als kleiner, dicker, gutmüthiger Herr mit schon weissem Haare, den spä testen Bildern Napoleons des Dritten nicht unähnlich. Sein Studierzimmer wäre ganz Salon, wenn nicht ein Schubladkasien, der Präparate enthält, und auf dem die Büste ChevrculS steht, durch seine genau bezeichneten Etiketten den Berräther spielen würde. Ganz wnnderschön siud die zwei Bil der aus dem Hanse GonnodS. Im ersten sitzt er componirend au einem Schreibtisch, dessen oberer Theil ver schieb! ac ist und sich angenblicklich in ein Klavier verwandeln lasst. Die Hand auf dem Notenheft, wendet der Componist des „Faust" dem Eindring ling ein liebes Greiiengesicht z», das unter dem Sainmetkäppchen mit dem dichten weissen Bollbart das Antlitz eines alten Freundes zu sein scheint. Auf dem zweiten Bilde steht Gonnod an der Orgel, den verklärten Blick nach oben gerichtet. Die Orgel, mit einem schönen Ehnstuskopf geschmückt, nimmt den oberen Theil des ein, zu dem teppichbelegte Stufen ei»' porführcit. In Franoois CoppeeS Poetenstüb ihen sieht es weniger großartig, aber dafür um so behaglicher aus. Des. Dichters Arbeitstisch ist zum Kamin zerückt, ein EiSbärfell bedeckt den Bodni, tausend hübsche Sachen stehen ausThch and Uaminjims. Ter Dichter hat den Zdealkops des Akademikers, »inn und Oberlippe glatt rasirt, aus der Stirn gestrichenes Haar, die scharf gezeichnete Nafe und die starr entwickelten Muskeln um den Mund. Sein Auge schweift in die Ferne. TaS nächste Bild enthält ein? Samm lung von Alterthümern. Elfenbein- Reliefs, aus Birnbaum geschnitzten Bischöfen, Eloisonne-Tellern, Silber bechern, mit Juwelen besetzten Schmuck sachen. Marmor-Reliefs, Waffen und hundert seltenen Gerätschaften. Da sitzt Edmond Pailleron, ein eleganter, etwas blafirter Herr, dem seine Kunstschätze mindestens so werth sind wie seine Schriften. Bei Alphonfe Daudet si«d die Bücher «nd ein riesiger fäulengeiragenerSchreib tisch die wichtigsten Gegenstände im Zimmer. Der Dichter sitzt vor einem prächtig geschnitzten Renaissance- Schrank. das etwas müde Haupt mit der bekannten gelockten Haarmähne in die Linke gestützt, das Ange zu Boden ge richtet. DaS schöne Gesicht ist noch so suödruckvoll wie srüher, doch sind die Jahre nicht ganz spurlos an ihm vor übergegangen. Am gespanntesten ist man wohl mit stecht auf Zola. Der hat fich'S in fei lem Zimmer am allerbehaglichsten ge dacht. Breite DivanS mit schwellenden bissen laufen an den mit Teppichen be hängten Wänden herum. Ein mit einer ?icken orientalisch-» Decke belegter Schreibtisch von wahrhaft riesigen Di - mensionen ruht auf massiven Mahagoni fäulen, deren lange Reih- dem Zimmer etwas vom Charakter eines Tempels verleihen. Den Kamin verkleidet ein schönes schmiedeeisernes Gitter, daS viel leicht einmal den Balcon eines Erkers geschmückt hat, aus einem kleinen Bücher schrank steht eine Büste Aefops, nnd vor dem Schreibtisch ein mächtiger sanimet bezogener Rvcoco-Fautcnil. Man sieht, der berühmte Romancier nimmt das Schöne uud Bezneme, wo er es findet, und läßt sich darüber, ob sich die Sachen untereinander vertragen, keine grauen Haare wachsen. Zola siebt viel jünger aus, als seine fünszig Jahre glauben ließen; das Haar tritt stark vou der lachen Stirne zurück, die schwarzen Brauen beschatten ein paar durchdringende Augen, die mit dem Zwicker bewaffnet sind, der kurzgcschnit tene Vollbart läßt einen energischen Mund durchblicken. Im HauSrock, au den Füßen helle Mikadoschnhe, hat sich's Zola zur Arbeit bequem gemacht; aber trotz nachlässiger Haltung und nachlässi ger Kleidung ist Zola die schneidigste Figur unter allen, die uns im Bilde vorgeführt werden. Ans von Mnfikerlexicon. Aus dem Mnsikerlexicon des Profes sors Tastengreifer hat ein Spaßvogel in der „W. Pr." eine Anzahl von Le bensbeschreibungen berühmter Ton lünstler veröffentlicht, von denen wir unseren Lesern einige nicht vorenthalten wollen: Bach, Johann Sebastian, verdankt seinen Ruf hauptsächlich dem glücklichen Zufall, daß er den Auftrag erhielt, zu einer berühmten Gounod'fchen „Melo die" die Begleitung zu schreiben. In unbegreiflicher Selbstüberschätzung gab er letztere ohne die Melodie als Prälu dium mit anderen kleinen Stücken zu sammen unter dem Titel „Wohltempe rirteS Klavier" heraus, fand aber fchon wegen des sonderbaren Titels bei den Verehrern des ölaria" wenig Absatz. Seine Passionen gelten als nobel; unserer Zeit fehlt aber begreif licherweise das Verständniß dafür. —> Seine zahlreichen Söhne hießen zum Aerger der Musikhistoriker gleichfalls Bach. Ezernh. Karl, ein Mann von boshaf ter Gemüthsart, der keine kleinen Kin der leiden konnte und deshalb beständig Etüden schrieb. Seit feinen: im Jahre liiü7 erfolgten Ableben ist man mit der Zählung dieser Etüden beschäftigt, aber noch nicht damit fertig geworden. Diese fabelhafte Fruchtbarkeit erklärt sich nur durch seine unglaubliche Fingerfertigkeit in der Eomposition. Natürlich sind fast alle feine Noten nach oben gestri chen, da er stets Hals über Kopf arbei tete. Wagner, Richard, hat außer fei nen sämmtlichen Werken auch die nach ihm genannten Wagnerianer hinterlas sen, was nicht schön von ihm war. Dieselben wissen ganz genau, was der Meister sich bei jeder Note, ja sogar bei den Pansen in seinen Kompositionen gedacht hat und erklären dies auch An dersgläubigen mit der größten Bah reiltwilligkcit. Bei der Instrumenta-, tivn leitete Wagner das menfchenjrennd liche Bestreben, die Musik auch Schwer hörigen zugänglich zu machen. Doch auch für das Auge sorgt er durch glän zende Schaustücke; im „Siegfried" läßt er sogar einen Drachen „steigen". Seine Ansprüche an die Darsteller sind sehr verschieden; in mancher Rolle genügt ihm der größte, in einer anderen nur der kleinste „Mime". Weber, Karl Maria von, hatte sehr große Hände, wo durch er sich bewogen fand, in feinen Klavierstücken mit Deeini-nfpannungen um sich zu werfen. Sonst recht talent voll, besonders für die Oper. Leider hat er sich verleiten lassen, in feinen „Freischütz" eine so abgedroschene Me lodie wie den „Jungferukranz" aufzu nehmen. Hinan Sgegeben. Doetor (zu einer Patientin): „Darf ich mir die Frage erlaube», Madame wie alt sind Sie?" Dame (empfindlich): „Merken Sie sich, mein Herr, dass eine Frau nur so alt ist, wie sie aussieht!" Doetor: „Unmöglich Sie müssen iünaer sein.'" Zwei Wetten. , Mr. Brooker, in den weitesten Krei- > lcn unter dem Kosename» Hühnerköuig bekannt, weil er die bedeutendste Ge flügelzucht in Pennsylvanien betrieb, setzte nicht allznhäusig seinen Fuss auf das Pflaster des fündigen New AorkS; ereignete sich jedoch dieser Fall, dann ließ er auch ein paar Dollars springen. Tiefer Versicherung gab Mr. Brooker kbenfo häufig wie unbescheiden gegen Jedermann Ausdruck, aber lautete der Nachsatz er wolle etwas für fein Held haben. Dann spielte die Summe leine Nolle. Mit solchem Wahlspruche gewappnet, erschien er von Zeit zu Zeit auf dem Schlachtsclde des Vergnügens. Und dabei war Mr. Brooker eine ganz prächtige alte Haut. Wie er jetzt fo in dem prunkvollen BefuchSzimmer von Windfor-Hvtel saß, behaglich ausge streckt, mit dem Raffinement eines er fahrenen Hühnerzüchters, und eine leb hafte Unterhaltung mit einem höchst di stingnirten jungen Mann führte, da konnte der oberflächliche Beoachter ein breites Lächeln um seine nicht minder breiten und rafirten Lippen bemerken, wie eS sich sonst an jener Stelle mir nie derließ, wenn Br. Brooker einen zehn Pfund schweren Kapaun in der Hand wog. Dies darf am Ende nicht Wunder nehmen. Der diftinguirte junge Mann, dessen Bekanntschaft Mr. Brooker Tags zuvor gemacht hatte, war ein vorzüg licher Gesellschafter, und zwischen seine zahlreichen Bonmots und sonstigen Schnurren flössen ganz beiläufige Be merkungen durch, aus denen hervorging, daß er der einzige Sohn eines abscheu lich reichen Minenbesitzers war. der keine Miene verzog, wenn er seinem lebensfreudigen Sprossen einen noch so schweren Check senden mußte. Er hieß Legrou. Mr. Brooker fand den Um gang mit dem aristokratisch aussehenden jungen Mann äußerst charmant und suhlte sich auch nicht wenig geschmeichelt ob der vornehmen Bekanntschast. An Veld fehlte es ihm allerdings auch »icht, aber vielleicht etwas an Schliff, obgleich fein Diamantknopf auf der Brust, ein bischen kleiner als ein Hüh nerei, vom schönsten Feuer erstrahlte. In so seine Gesellschaft geräth der Mensch nur, wenn er Glück hat, sagte sich Mr. Brooker in vergnügtester Stimmung urid zeigte sich bemüht, auch seinerseits den Witz leuchten zu lassen, indem er dem Gegenübersitzenden mit liller Kraft ans das Bein schlug und jovial meinte: „Sie sind ein neuer Kerl, Mr. Leg ion, und es freut mich wirklich, daß Sie mir über den Weg gelaufen sind. Ich mag diese Art Schuurrpseifereien, wie Sie sie erzählen, gar zn gern leiden, nur schade, daß die Geschichte von kur zer Dauer sein wird, aber immerhin heute haben wir Montag, also —" „Heute ist Dienstag," widersprach der „Unsinn, heute ist Montag alle Wetter, wissen Sie denn nicht, in wei ther Zeit Sie leben?" „Sie irren, Mr. Brooker!" „Ich nnd irren!" verfetzte der Hüh nerzüchter gereizt. „Ich wette!" sagte Mr. Legron, doch 'am, hielt er innc und fügte weltmänni schen ToneS hinzu: „Nein, das wäre keine reele Wette, ich bin meiner Sache zn sicher." „Nun, was wetten Sie?" erkundigte sich Mr. Brooker, den die vornehme llebcrlegenheit des Anderen noch erboster machte. „Zehn Dollars," entgegnete fein Wi dersacher, ohne sich einen Augenblick zu besinnen. „Jawohl!" rief der Hühnerzüchter eifrig, ging anf den Lefetifch zu und kam mit einer Tageszeitung zurück, welche er triumphireud in Mr. LegronS Hand drückte. „Ueberzengen Sie sich selbst, wer ge wonnen hat," sagte er. „Unmöglich," meinte der Geschlagene verblüfft, indem sein erstaunter Blick von dem Nopfe des Journals zu jenem des Hühnerzüchters glitt. „Ich scheine in der That vierund zwc.nzig Stunden zu rasch gelebt zu ha ben." Tan» griff er mit großem Gleich- M'.lth in die Hosentasche, entnahm der selben ein stattliches Bündel Banknoten und händigte den Betrag der verlorenen Weile Mr. Brooker ein. „Junger Mann, ich hoffe, Sie ziehen l ierans eine Lehre, welche von den wohlthätigsten Folgen begleitet sein wird", sagte dieser mit väterlichem Wohlwollen, indem er seinen Gewinn nnstnch nnd eiu zufriedenes Schimm 'eln zn verbergen suchte, denn obgleich Mr. Brooker anderer Lente Geld keines wegs nöthig hatte, so machte eS ihm doch viel Vergnügen. „Bah", lächelte der Minenbentzers sohn, „das Wetten ist nun einmal meine Leidenschaft, trotzdem es mich schon heillos viel Geld gekostet hat. Versage Dir kein Vergnügen, schrieb mir un längst mein Papa, als er erfuhr, daß ich eine sehr hohe Wette verloren halte, aber laß von dieser üblen Gewohnheit es handelte sich um fünftausend Dollars." „Pappenstiel!" rief Mr. Brooker in Keller Bewunderung aus, denn der junge Mann gefiel ihm jetzt noch besser, e.IS vorher, nnd er bedauerte insgeheim blos, dass sich die Wette nicht höher de lauien hatte. Ja, eS gibt noch Leute, dle das liebe Geld von sich werfen. Mr. Legron schien sich indessen feines Verlustes gar nicht mehr zu erinnern, denn er begann jetzt von hundert ande ren Tinge» zn sprechen, von Frauen, Pferden, Cigarren und was dergleichen mehr. Er war ein Lebemann jeder Zoll, der von seinen zahlreichen Erleb nissen so pikant zn berichten wusste, daß sein Zuhörer mit dem »ngetheiltesten Interesse lauschte. Mr. Brooker liebte diese Art von Erzählungen ungemein. Er wollte eben mit feinem Fanteuil noch etwas dichter heranrücken, als eine elegante, jnnge und hübsche Dame ein trat und sich derart an dem Lesetisch niederließ, daß sie den beiden Herren den Rücken zuwandte. „Fein, he?" flüsterte der Hühner züchter und konnte nicht nmhin, seinen Nachbar mit dem Ellenbogen anzu stoßen. „Sehr niedlich kennen Sie sie?" entgegnete Mr. Legrou. ,Nein und Sie?" „Leider auch nicht aber sie gesälll mir!" „Glaube ich, doch da heißt eZ, Finger davon lassen, mein Junge." „Nun, nun, das niüßte sich erst zei gen eine Annäherung in der lauter sten Absicht —" „Schön gesagt, aber Sie müssen dem Mädchen doch zuerst vorgestellt werden." „Gar nicht nöthig." „Ach, das soll Ihnen ein Anderer glauben." „Soll ich Ihnen den Beweis dafür liefern?" „Redensarten, lieber Herr." „Gut, Sie werden das Wort zurück nehmen!" rief der junge Mann gereizt. Gleichzeitig erhob er sich und ging ela stischen Schrittes auf den Lefetifch zu, wo die junge Dame faß. Dort ange langt, räusperte er sich, um die Aufmerk samkeit der eifrig Lesenden auf sich zu lenken, machte dann eine leichte Verben gung nnd suchte ein Gespräch anzu knüpfen. Der Versuch schien indeß sehr geringe Aussicht auf Erfolg zu haben, denn die junge Dame ließ es nicht an Zeichen unliebsamen Erstaunens fehlen, welche stch allmälig zu vollkommener Entrüstung steigerten, und als Mr. Legron trotz alledem die von ihrer Seite so nnge wünfchte Begegnung noch immer nicht abbrach, sondern eifrig in feiner Be werbung fortfuhr, da fprang sie empört von ihrem Sitze auf und verwies den Zudringlichen mit den Worten: „Mein Herr, behelligen Sie mich nicht länger durch Ihre Anwesenheit, oder ich werde den Schutz des Gesetzes an rufen !" Das war allerdings ziemlich deutlich gesprochen, nnd Mr. Legron sah sich genöthigt, wie ein begossener Pudel ab zuziehe». Gesenkten Hauptes trat er den Rückweg au, und Mr. Brooker, der den ganzen Vorgang mit großer Span nung versolgt hatte, versuchte die ge drückte Stimmung des jungen Mannes zu mildern, indem er ihn mit dem zart fühlenden Ansrnfe empfing: „Na, daS war eine ordentliche Bla mage!" „Mit Nichten!" versetzte der also Ge tröstete ärgerlich. „Wie, Sie wollen abstreiten, daß Sie ganz wunderbar abgeblitzt sind?" fragte der Hühnerzüchter mit seltener Energie, denn er war eS von seinem Federvieh her gewöhnt, nicht lange leiden zu sehen, wenn es einmal sein mußte, und dieser verwegene MinenbefitzerSsohn hatte gleichfalls eine Herzenswnnde bekom wen, vou der er sich sein ganzes Leben lang nicht mehr erholen würde. Des halb wollte ihm Mr. Vrooker lieber ohne Weiteres den Todesstoß versetzen, aber er strich ihm deshalb nicht über den stopf, wie er es sonst bei seinen Hüh nern that, sondern sagte bloS: „So bin ich noch nie gegen eine Ecke zeraiint!" „Dennoch —" wagte der junge Mann ?inzuwcrsen, uud plötzliche Purpurröthe überzog fein Antlitz, in welchem jede MnSkel vor innerer Erregung spielte. „Jetzt thun Sie nur nicht mehr dick, das hat aufgehört," unterbrach ihn Mr. Lrooker mit aufgeblasenen Backen. „Dennoch, sage ich," begann der An dere neuerdings, „brauche ich nnr zn wollen, und das Mädchen gehört mir, denn, scheu Sie, hier liegt das Ge heimniß, ich bin unwiderstehlich für Zranen." „Das habe ich schon gesehen", höhnte ?er Hühnerzüchter. „Das Mädchen wird meine Frau," fuhr der andere fort, ohne sich beirren zu lassen, „wann immer eS mir be lieben wird, heute, morgen, in einer Stunde!" „In einer Stunde?" wiederholte Mr. Vrooker in Begleitung eines überlege zenen Lächeln und trommelte auf seinem achten Änie. „In einer Stunde!" wiederholte Mr. Legrou, sich bar irritirt durch den fortgesetzten Widerspruch und begann leise mit deu Zähnen zu knirschen. Er schien unter der Macht einer plötzlich erwachten Leidenschaft zu stehen und fügte mit zitternder Stimme hinzu: „Wollen Sie wetten?" „Wetten?" sprach der Hühnerzüchter mechanisch nach und gleichzeitig wurde es ihm klar, dass der unglückliche junge Mann einen Anfall seiner unheilbaren Wettsucht bekommen hatte nnd sein mil der Sinn beschloss in Blitze Seile. ihn diesmal nicht so '.eichten Kaufes ziehen zu lassen. „Jeden Betrag!" fügte er deshalb rasch hinzu. „Hnildert Dollars", hauchte Mr. Le gron, und seine Augen funkelten un heimlich. „Fünfhundert Dollars", rief der Hühnerzüchter, hiugeriffen von Geld gier. „Abgemacht," kam es von den Lippen des Anderen, und einen Augenblick lang maßen sich die Beiden, wie es Fanst kämpser zu thun pflegen. Dann folgte der geschäftliche Theil der Wette. Man kam überein, de» beiderseitigen Betrag legen und diesen mit den Bedingungen der Wette vertraut zu machen. In we »igen Minuten war die Angelegenheil geregelt, und die Beiden kehrten in das Besuchszimmer zurück. Mr. Brook« nahm wieder seinen vorherigen Platz im Fanteuil ein, während Mr. Legrou bleichen Antlitzes an sein Wagstück ging. Die junge Dame saß noch immer in ihre Leclüre vertieft am Lefetifch. Als sie ihren vorherigen Peiniger neuer dings vor sich erblickte, stieß sie einen unterdrückten Schrei aus und machte eine gebieterische Geberde des Hinweg weisens, doch der Minenbesitzerssohn blieb wie angewurzelt stehen. Ein tie fer Seufzer entrang sich seiner Brust, und nun solgteu Worte voll melodischer Innigkeit, dann und wann unterbrochen von leidenschaftlichen Ausrufen. Die junge Dame schüttelte zwar unwillig den Kopf, konnte aber nicht umhin, einen mitleidigen Bück auf das bewegte Ant litz des netten Unverschämten zu werfen, der diesen winzigen Erfolg mit derarti gem Geschick auszunützen verstand, daß kr im nächsten Moment neben der sprö den Schönheit saß, und sein schmeicheln der Flüsterton ihr Ohr aus unmittel barer Nähe traf. Verlieb!.: haben Fortschritte auf diesem Gebiet erzielt werden, doch Mr. Legron mußte ein un gewöhnlich großer Künstler in der Um strickung von Fraueuherzen sein, denn noch war keine halbe Stunde vergangen, seit ihn die junge Dame entrüstet weg zewiesen, und schon hatte er jetzt ihre Hand ersaht und trotz aller Abwehr an seine brennenden Lippen gesührt. Mr. Brooker begann es aus mehrfa chen Gründen aus seinem Beobachtungs posten sehr warm zn werden, und er tonnte die Augen nicht genug ausreißen, um dem raseuden Tempo der sich vor ihm abspielenden Licbcsfccne zu solgeu. „Es ist doch nicht mehr schön, was der Kerl für ein Glück bei den Frauen hat,"sagte sich der Hühnerzüchter, dessen gute Laune eine merkliche Abkühlung er fahren hatte, „aber b>S zur Trauung hat es doch seiue guten Wege, oder könnte es ihm wirklich gelingen?" Mr. Brooker sollte übrigens der quä lenden Zweifel bald ledig sein, denn Mr. Legron stand jetzt aus, bot Verjün gen Dame galant den Arm und schritt mit ihr schnurstracks aus den Hühner züchter los. „Mein Herr," redete er diesen an» „erlauben Sie nuS, daß ich Sie als be währten Freund meiner zukünftigen Gattiu vorstelle und Sie gleichzeitig bitte, als Zeuge bei unserer Trauung zn fnuktionireu." „Das ist ja nicht möglich!" rief Mr. Brooker höchst ungehalten. „Ist es nicht möglich ?" fragte Mr. Legron die junge Dame, welche in hol der Verwirrnng ihr Köpfchen an feine Brust fchmiegte. „Und die fünfhundert —" wollte der Hühnerzüchter fchnierzlich bewegt fort fahren. doch der junge Mann wies ihn mit einem vernichtenden Blick zurecht. „Wovon spricht der Herr?" erkun digle sich die glückliche Brant neugierig. „Er spricht von dem Jubelchor, den fünfhundert Engel anstimmen werden, weil wir uns gefunden haben", belehrte sie Mr. Legron und drückte den ersten Kuß auf ihre Korallenlippen. * Wenige Stunden später saß der Hüh nerzüchter wieder in dem prunkvollen Besnchzimmcr vom Windsorhotel. Dies mal allein. Das junge Paar und feine fünfhundert Dollars waren nicht mehr da, sondern ans der Hochzeitsreise be griffen. Mr. Brooker war sehr übler Laune. Ein ihm bekannter Herr trat ans ihn zu und erkundigte sich nach sei nem Wohlergehen. „ES »st sehr warm", entgegnete de, Hühnerzüchter mürrisch und verstummte, doch dann ergriff ihn mit einem Mal» der Wunsch, sein ungewöhnlich kostspie liges Erlebniß einer anderen Menschen« brnst anznvertranen, nnd er begann zu berichten. Der Andere hatte die Ge fchichte kanm zu Ende gehört, als er in ein schallendes Gelächter ausbrach und ries: „Er soll dieses Kunststück schon sieben nndzwanzigmal zu Wege gebracht ha beu!" „Also ein siebemmdzwanzigfacher Bi gamist !" schrie der Hühnerzüchter räche - durstig. „Mitnichten, er heirathct eben im mer wieder seine eigene Frau! Geht Ih nen nun ein Licht auf ?" „Und seine Minen, von denen er so viel sprach?" „Das ist sehr einfach! In diesem Falle waren eben Sie die Mine, Mr. Brooker!" Der Hühnerzüchter fragte nicht Wei ler, sondern ballte blos die Fäuste und reiste zu seinein Federvieh zurück. Dies mal hatte er etwas für sein Geld ge habt. Wer hat das Belocipet» erfunden? Die Crfinduu des Ve locipeds, wenigstens die erste Anregung dazu, scheint älteren Datums zu sein, als man gewöhnlich anzunehmen geneigt ist. Bisher hielt man den von dem ba dischen Forstmeister Karl von Traue zu Saucrbronn 1817 hergestellten zweirä derigeii Wagen zum Selbstfahren, nach feinem Erfinder Draisine genannt, für den Borläufer des Belocipeds. Dage gen bringt fchoil die Kgl. priu. Berlini sche (Hände und Spener'fche) Staats- und gelehrte Zeitung in ihrer Nummer vom 25. März 17L4 folgenden aus Grätz, !». März, datirlen Bericht: „Herr Philipp Ignatz Trexlerallhier, hat nun schon den zweiten Wagen fertig, mit welchem man ohne Pferd eben so ge schwind fährt, als ihn ein im Trapp laufendes Pferd ziehen könnte. Dieses Pirutsch hat zwei Räder, welche der Fahrende nach und nach mit den Füssen zu trete» hat, um sich auf dem geraden Wege z» erhalten und wenn er sich wen den oder umkehren will, so ist hierzu wieder eine andere Maschine angebracht. Der erste Wagen wurde für Li) Dukaten verkauft." Hiernach ist Trexler der erste Erfinder der Idee, des nachmaligen Stahlrosses. Es ist auch nicht unmög lich, dass der badische Forstmeister von der Eonstruktion des Trexler'schen „Pi rutsches" Kenntniss gehabt hat. —T ro st thut dem schwerge prüften Herzen wohl, guter Rath gibt ihm neue Hoffnung; die That aber gibt beide?: Trost und Rath.