Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 23, 1890, Page 6, Image 6

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    k
Tie Aamttientant».
E «««,-
Ob Tantch?» Christine auch einm>i! '
gewesen? Nach den R'.mrgcseher
»st es wohl anznnehmen. Aber
die sie kannten, schien eS fast unglaub
lich, das; das riinzelige alte lüngkerchcr
mit der b!end:nd weigenHaube und den
Changeant - Seideakleide, das sie bei
allen feierlichen igrtegeicheiten trug, ein
mal ei» junges Mädchen gewesen sei!
könnte. Sie selbst Kesann sich seltri
daraus. Und doch Ivar es vorgekoin
wen. das; Wizi, die graue Katze, dn
auch leiner jung gesehen, erstaunt ihr«
schläfrig b'.iuzrndcn Augen aus die
rin richtete, weil derren Lippen einer ,
langsame!, Sannerwalzer summten un!
dabei d»e Füße in den großen Filzpan
tosselii am dem Schemel im Takte dazu
tromme!»ca. Mizi nahm das sehr übel.
Sie war gewohnt, daß die Nadeln ohn«
musikalische Begleitung ihren Tanz uir
den Faden tanzten.
Arl»«l war stets geung vorhanden,
daß letztover keine Unterbrcchnng erlitt.
Wollte« doch alle die großen Karls un!
Fritzen imt gewaltigen Socken und di<
kleinen Kärtchen und Fritzchcn mit hand
grosv« Babystrümpsen versorgt sein.
Brüdern, Schwäger», Nesse» und Nich
ten, ihnen allen hals Tante Christian«
aus die Socken.
Sic war die älteste von vierzehn leib
lichen Geschwistern. Füns Brüder und
acht Schwestern waren nach ihr geboren
worden, kröitige Jungen und hübsche,
theilweiseichöne Mädchen. Christiane,
die Erstgeborne, war nicht schön, nicht
häßlich, sie tvar klein nnd unbedeutend!
man dachte nicht daran, ihr liebes aber
nichtssagendes Gesichtchen anzuschauen,
knrz —sie war immer das Christianchen,
über das man so leicht hinaussah, das
immer und überall nebenher und neben
bei ging. Alle im Elternhaus hatten
die Äeltcste gerne, sie wurde nicht etwa
.zurückgesetzt i wenn sie am Nähtisch saß
oder iii der Küche hals, während die An
deren scierten, so hatte Niemand sie da
zu gezwungen eS war eben selbstver
ständlich, daß sie »nmcr bei der Arbelt
war und überall aushals.
Als die Mädchen heranwuchsen nnd
aus den „Bürgerball" gesührt wurden
—der Vater war Kleinkausinann —da
wagte man schon ein Stück Geld daran,
für Mari? und wie die Anderen hießen,
rin schmnckcS Mull oder Tarlatankleid
.zu sertigen, an dem Christianchen Tag
und Nacht mit gcröthelen Wangen, ein
lustiges Licdchen singend, wenn Mü
digkeit sich einstellen wollte, arbeitete,
lind kam der Be.ll heran, so hatte dil
Netteste gerade noch die nöthige Zeit,
sich ein etwas verblichenes Garderobe
stück der Mutter herzurichten.
Neben der Mutter saß sie dann auch
im Ballsaal nnd sah mit liebevoll wohl
wollendem AnSdruck in dem kieincn run
den Gesiche den Schwestern nach, die im
Saale dahinslogen. Wenn einer der
Tänzer aus Höflichkeit auch Cbristian
rhen um eine Tour bat, da strahlte sie
vor Freude nnd dankte demselben bei
ihrem ungeschickten Knix gar herzlich
dasür, daß er an sie gedacht. Bekam
Schwester Marie, was häufig der Fall
ivar, im Laufe de-Z Abends ihre Mi
gräne, oder vielmehr ihr Kopfweh, wie
man es damals noch gut bürgerlich
nannte, so brachte sie ohne Zögern die
Patientin nach Hause, während die An
deren lustig weiter galoppirten und
walzten. Und waren Alle schon zur
Nnlie und sie noch der Mutter beim
sie dieser noch einen dankerfullenden
Knß: „weil es gar so schön gewesen!"
Tie Brüder zogen in die Welt hinaus
nnd die Schwester» wurden von Freiern
weggeholt. T>e übersahen Alle die
kleine Schwägerin sie ivar auch gar
so klein. Sie hat an all' den Braut
schleiern gestickt und am Hochzeitsmor
gen den Bränlcn den Kranz sestgcsteckt,
neidlos, wälirend schwesterliche Thränen
in den weißen Schnee des Geivandes
sielen. Während die klebrigen zur
Kirche sichre», leitete sie die Herrichtung
der Hochzeitstafel: am Abend, wenn
das Fest verrauscht, zählte sie Weißzeug
nnd Silbernach, nnd am nächsten Mor
gen sand man alles wieder in schönster
Lrdunng.
Einmal ist eS in der kleinen flachen
Vrnst nnch unruhig zugegangen. Ei»
junger Arzt hatte im Hanse Wohnung
genommen man hakte, da nur noch
die kleine Panline außer Christiane bei
ven Cltern war, viel übrigen Play ge
wonnen. Er war stets sehr sreuiidlich
Kezeu Christiane und versäumte nie,wenn
er sie im Borübergehen an ihrem Ar
beitsplätze sitzen sah, mit wohlwollend
stem To >e zu sagen:
.Immer jlcißig, Fräulein Chri
stiaue?"
Mit wie innig dankbaren Blicken sie
ilin da anfchaute! Es lani vor, daß
ihr dabei der Faden riß, ja es geschah
Tages trat er zu ihrem srendigen Er
staunen bei ihr ein nnd setzte sich zu ihr.
Er hielt ihre Hand sest, die sie ihm ent
gegen gestreckt. So hat es nie mehr in
der Brust Ehristiauchen gehämmert und
qeklopst, wie in diesem Augenblick.
Tann batte der Doktor zu reden begon
nen. Er hatte ihr gesagt, daß er Pau
line von ganzem Herzen liebe und von
dieser wicdcrgcliebt werde. Sie, die ja
alles vermöge, solle ein vorbereitendes
gutes Wort bei den Eltern einlegen,
damit er sicher und ohne Besorgniß bei
diesen um die Hand der Geliebten an
halten könne.
Christianchen hatte einen kurzen
Schrei ausgestoßen sie hatte sich auch
gar so schlimm in den Finger gestochen;
ein großer rother Blutstropfen fiel aus
die weiße Leinwand in ihren Schooß.
Ter Schmerz preßte ihr sogar eine
Thräne »'S Ange, aber schon lächelte sie
über ihre Ungeschicklichkeit und versprach,
eine warme Fürsprecherin zu sein. Und
das ivar sie. uud bald fielen wieder die
Thräncnperlen in den 'Brautschleier,
Dieses Mal recht, recht v .ele.
Bald nach dieser legten Hochzeit im
C'llenihouje starb der Aater.
Die (Seschwi'tn: Goaren hinansgegan
ge», oder an A'.wttt fehlte es Christian
cken doch nicht. Die Pflege der krän
kelndcn Muttrr nahm sie sehr in An
spruch. und de.nn hatte sie so viel für die
Geschwister draußen zu thu». Kaum
hatte der Storch sich irgendwo angemel
det, so sah man Jäckchen und Nöckchen
vo» puppenhafter Dimension an Tante
ChristiancheuS Arbeitstisch entstehen;
kein Stammhalter wurde geboren, der
nicht seine erste irdische Umhüllung ans
den Händen der Familientante empnng.
Kaum eine Woche verging, in der sie
nickt im Namen der Mntter zu einem
GebnrtS- oder anderen Feste brieslich
Glückwünsche darbviiigen mußte: dann
war das Familienbuch zu führe», das
Tante Christiauchen feit Langem ange
legt halte. Mit ihrer schönen festen
Handschrift trng sie da jedes denkwür
dige Ereigniss ein. Sanber war da jede
Hockzeit, jede Geburt, jeder SterbesaU
verzeichnet.
Nnr ei» Tintenfleck verunzierte die
Familienurknnde. und der sand sich
unter dem Datum von PaulinenS Hoch
zeit: Christiane hatte gleick gezirterl
bei dem Eintrag und da war das Unglück
passirt. -
Scklimme Stunden erwarteten sie am
Kranken und Todtenbette der Mntter,
an dem sie allein, nur wenig getröstet
dnrck die teilnahmsvollen Schreiben dei
Geschwister, stand.
Nicht so ruhig, wie Christiane sich ge
dacht, sollte das Leben werden, das sie
nunmehr nach dem Tode der Mutter
sühkte. Es begann sür sie die große
Faniilienrundrelse, die den Nest ihres
Lebens sast ausschließlich in Ansprach
nahm. Wenn irgendwo in der Familie
zwei hilfreiche Hände nöthig, so ver
schrieb man sich Tante Christianl,en.
Wenn man sie eines TageS in ihrem
großen Randmantel, der altmodischen
Kapuze und den großen Filzschul,en, die
Changeantkleid sorgfältig verpackt war >.
in ein.'», Hanse erscheinen sah. so konnte
man sicher sein, daß dort der Storch
vorübcrgcslogen war. Den ersten
schrei jedes FamiliensprosscS hörte
Tante Christianchen. Aber nicht nur
wo die Jungen kamen, auch wo die Al
te» gingen, da wurde sie schleunigst ge
eusen. Schon manches gebrochene Auge
hatte sie mit ihrer Hand geschlossen und
manches Bartuch ausbreiten helfen,
war sie nicht mehr nothwendig, fo ging
sie ans den großen Filzschuhen so st»u
davon, wie sie still gekommen.
Kaum war sie zu Hanse angelangt
und hatte Mizi, die sie in Pension ge
zeben, lierbeigeholt, so tras anch schon
-nieder ein Schreiben ei», das etwa
lautete:
„Liebe Schwester!
Die Kinder haben das Scharlach
sieber nnd wollen nur von Dir ge
pilegt sein. Thue uus doch den gro
ßen Gesäßen und komme josort."
and Tantchen packte und reiste.
Ihre letzte Reise machte sie bei Schnee
ind Ei- im Januar: dabei holte sie sich
ihre erste Krankheit, die dann auch ihre
letzte sein sollte.
Sehr leidend kam sie zn Hause an
ind mühsam schleppte sie sich nun vom
öett znm Sessel am Fenster und vom
Zessel zum Bett.
Man war in der Familie über Chri
stianchenS Erkrankung ebenso bestürzt
,ls betrübt. Bon allen Seiten erhielt
sie Schreiben, in denen min dem Be
zroßen Entsernung nnd die schlimme
Jahreszeit nicht besuchen könne, in der
ebhastesten Weise Ausdruck verlieh.
aut, daß Christiaucheu eiue gute liebe
zolle Pslege zu Theil werde» müsse.
.'lber wie? Karl konnte bei seine» be
illgcnieiue Scklnßgedankc.
Ta Christianchen sast ganz ohne ei
zeneMitlel war. so legte man eine nicht
Arbeiten konnte sie nicht mehr, aber
ie wußte sich Unterhaltung zn verschas
en. Dazu verhals ihr vor Allem ihr,
;roßer Rcliguicukaste». den sie ost öss
ring des BaierS »nd dort die große
TtaatSbroche der Vater im blauen
Zrack mit zierlichem Chapot auf einer
jeder Große und jeden Formats.
Da fanden sich Glückwünsche in krum
zien Linien uud große» betrunkenen
Hand. Dann endlose Briese von Er
wachseucn. In diesem schrieb Nichte
Bertha, daß sie »iirvr jungen Maler
liebe und in's Master gehe, wenn sie
ihn nicht znm Manne bekomme, Tant
chen solle doch Fürbitte bei den Eltern
thun: in jenem Nesse Konrad, dag er
heimlich bei einem Korps „activ" ge
wesen lind wegen Schulden die Univer
sitätsstadt nicht verlassen, Tante solle
doch Papa vorbereiten vielleicht ver
berge sie selbst einen rettendec Schatz in
einem Winkel ihrer Kommirse? Aus
jenem Bogen theilt Schwester Luise mit,
das, ihr Mann sich mit Specnlationen
ruinirt, Tantchen möge sich doch bei dem
ihr so wohlgewogenen Hauptgläubiger
in H. für sie verwenden n. s. w, n. s. w.
Christianchen weinte und lächelte,
während sie den Inhalt des Kasten-Z
beschaute; ost auch träumte sie über
demselben, während Mizi sich an ihren
Filzschuhen rieb und behaglich schnurrte.
Nicht selten blätterte Christianchcn in
dem Faniilieubuch, da und dort einen
lange» Halt machend uud in Gedanke!
versinkend.
Auf der Seite, wo der Tintenfleck sich
fand, ruhte die welke Hand, als die
Wärterin sie cingeschlasen, sest einge
schlafen um nicht mehr zu erwachen,
im Lehnstuhle sand.
Sie hatte auch im Sterben Nieman
dem Müke gemacht.
Auf die 'Nachricht von ihrem Ver
scheiden trase» von den Verwandten
Blumen in Menge ein. In Person
kamen nur wenige Leidtragende der
Weg war so weit, die Jahreszeit sür
daö Reisen so ungünstig!
Der Stein, der auf Christianens
Grab gesetzt wurde, war sehr einfach,
und ebenso die Inschrift:
Hier ruhet Unsere gute Christiane...
Wie wenig und wie viel!....
Dainenduellt in alter Zeit.
Zu allen Zeiten haben die Frauen
Aich andere Massen zu sühren verstanden
als die Blicke ihrer schönen Augen.
Zchon vor Jahrhunderten sind kampseS
muthige Damen aus der „Mensur" er
schienen, gegen GeschlechtSgenossinnen
sowohl wie gegen die Herren der Schöpf
ung selbst. In der frühesten Zeit des
Mittelalters kämpfte vorwiegend Weib
,legen Man». Das um Sil verfaßte
Äesetz der ripurarischen Franken ließ,
wie Alexander Nilter in den „Münch.
N. N." aussührt, einer Frau, die sich
über Beleidigung oder Mißhandlung
seitens ihres Mannes beklagte, die
Wahl zwischen einem Spinnrocken und
einem Schwert. Wenn sie, die Alage
bereuend, nun den Rocken, das Sinn
bild der Unterwerfung wählte, so mußte
sie vor ihrem Manne niederkuieen und
ihn mit den Worten um Verzeihung
bitten: „Mein süßer Herr, ich binDeiue
gehorsame Magd, thue mit nur, was
Du willst!" Diejenige aber, welche das
Schwert ergriff, entschied sich damit sür
einen «amps aus Leben uud Tod gegen
ihre» Mann. Wenn sie ihn tödtele,
so war sie in allen Chren Wittwe nnd
durste sich wieder vermähle»: über
wand er sie. so durste auch er sie tödten,
bat sie aber nm ihr Leben, so mußte
sie unter seine Herrschaft zurückkehren
und sich in Zukunft stelS unterwürfig
zeigen.
In späteren Jahrhunderten ging der
eilterliche Geist ost genug auch aus das
zarte Geschlecht über uud Brautome
oersichert: „Die deutschen Damen halten
nnter sich wirkliche Turniere mit sreilich
etwas zierliche» Lauzen ab nnd die Da
men in Bologna sechten ganz ernstlich
nnter einander." Das eigentliche Land
)er Damenduelle war lange Zeit hin
vurch Frankreich. Berühmt vor alle»
war in »euerer Zeit der Zweikamps
zwischen der Marguise de NeSle uud
zer Gräfin vou Poliguae zur Zeit Lud
wigs XV. Beide waren in den Her
zog von Richelieu verliebt, der seine
Äiliist zwischen den beiden Schönen
Heilte. CiueS TageS aber hatte er irr
stelldichein gegeben, sodaß die Neben
buhlerinnen bei dem Herzog unerwartet
aufeinander trafen. Natürlich kam eS
zu fcharfeu Auseinandersetzungen, die
le» Ohrläppchen ab, worauf diese zn
Loden stürzte, als hätte ihr die Migel
vaS Herz durchbohrt.
Tallemaut des Reaux machte ver
schiedene berühmte „Schlägerinueu"
aainhast, vou deue» hier die schöne Ma
same de Chatea» Gay >» erster Linie
zenaniit werde» soll, die, als sie ei
nen Liebhaber im Verdacht der Un
treue hatte, ihn zum Duell forderte uud
uunst zu brnlgen.
Mit einer Schußwaffe hätte die tolle
Dame übrigens vielleicht anderes
nch einer aiigeicheue» Dame gegen
über so zudringlich, daß drei Freunde
'er Beleidigten von dem vermeintliche»
:ineu nach dem anderen und kehrte dann
;anz ruhig wieder aus den Ball zurück
Fragliche Sprachkeunr
ttisse. Herr « zum neu engagirren
Diener!: Sprechen Sie französisch?
Duner: Hm. ja: 'S ist nur die Frage,
ob Sie'S verstehen.
Eine sptritu«n«Nscht Sitzung.
Frau Anna M., o>e Gattin dcZ Ban
/ierS Fritz M., saß um die dritte Nach
mittagSstuudo in ihrem Allerheiligster
und las einen Brief, der ihr soeben vor
der Stadtpost übermittelt worden war
Nachdem sie die Leclüre desselben beend:!
hatte, flog über ihre Stirn Heller So»
nenschein, um gleich dckra»f schlechten
Wetter zn weichen. Freude nnd Aergei
wechselten in MadameS Antlitz. Sn
hatte von einer hiesigen Freundin soebei
die Nachricht erhalten, das; Frau Va
le-Zea R. auf ihrem Landsitz bei Ne»
vor 14 Tage» an den Folgen de>
» indbettfieberS verschieden sei. Und dies
Nachricht war eS, welche die Stimmuilj
der Dame ia so hohe>n Grade beein
trächtigte. Vor zwei Jahrtu lebte di>
nunmetir verstorbene Frau R, ali
Fräulein BaleSka D. in Deutschland
nnd war in dem Hause derselbe» Dam
als Er, Weberin thätig, voil welcher so
eben die Todesnachricht an die Fral
Bankier gelangt war. Da die beidei
Familiru auf freundschaftlichem Fuß
verkehrten, so sah man sich gegenfeitii
häufig, und Fräulein BaleSca D. wußt
durch ihre reizende UnterhaltnngSgabl
und die technische Kuust, sich liberal
unentbehrlich zu mach?», nicht wenik
zu dem Zauber deS geselligen Berkeh»
beizutragen.
Freilich, ein übler Umstand war bc
der Sache, und Anna M., die eiuei
jungen, stattlichen Mann ihr eigei
nannte, war nicht die Frau, darübe!
hinwegzusehen. Fräulein ValeSca näm
lich repräjcntirte eine junge Dame voi
auffallender Schönheit uud einem Herr
lichen Wuchs. Alles Männliche, >va>
aus dem Parket der Gesellschast an ih!
vorüberftrciste, fing Feuer uud verzehrt
sich in Bemühungen um die schöm
Brandstifter»! in heimlichen Gluthen
Auch Fritz M., Frau AnnaS Gatte
wurdd von der Gemahlin beschuldigt
gegen die Funke», die aus BaleSca-
Augen sprühte», nicht gehörig verficher
zu sei». Der joviale Financier beschwoi
zwar bei allen Göttern seine Unschuld
aber Madame war nicht naiv genug, u»
sich bei Worten zn berubigeu. Schließ
lich nahm diese Eisersucht, unter de
Frau Anna qualvoll lilt, solche Di
mensionen an, daß alle Behelligten aus
athmeten, als Fräuleiu BaleSca eil
Eugageinent in Frankfurt a. M. an
uahnu Madames glühender Haß be
gleitete sie. Einige Wochen daraus ver
lobte sich die gesährliche Dame mit einen
amcrikauiichci, Fabrikbesitzer, dem sie eil
halbes Jahr später als junge F«au übei
den Ocean folgte. Jetzt hielt Frai
Anna deii Brief in der Hand, der ih
das plötzliche Dahinscheide.« ihrer srü
Heren Nebenbuhlerin meldete.
Aber dieser Tod kam ihr nicht er
wünscht. Wenn sie auch im erste«
Augenblick eine gewisse Gcnugthuuni
verspürte, sie halte sich dennoch inline
der Hoffnung hingegeben, das; eS ih!
früher oder später gelingen möchte (di
'New Yorker Herrschaft beabsichtigte
jedes Jahr einige Monate in Deutsch
land zn leben), einen Beweis für dii
Schuld ihres ManneS und der interes
santcn Amerikanerin zu entdecken. Jetz
hatte der Tod durch diese ihre Lieblings
idee einen Strich geinacht. Eine stund!
später faß Fran Anna ihrem Gatlei
beim Mittagbrot gegenüberi von de!
Nachricht, die sie erhalten, sagte sie zu
nächst nichts. „Höre," begann Friz
nach der Suppe, „gestern Abend hab
ich einen sehr interessanten Berein be
flicht!" „2o?" MadameS Augei
konnten nicht gleichgiltiger über dci
Tisch stiege» „In der That," sich!
der unverwüstliche Gatte sort, „ich hab
mich lrillant amusirt. Ich war bei der
Spiritisten zu Gast, von deren Bestre
bnngcn ja jetzt alle Zeitungen voll sind.'
„Ah—ich erinnere mich," Frau Am»
spießte gelangweilt ein Stück Fisch au
die Gabel. „Ja. und denke Dir ineil
Glück, eS ist uns gelungen. Herrn A.
ein ganz vorzügliches Medium, z» einei
Geheiinsitzung zn bewegen. Daselbs
werden die Geister der Verstorbenen zi
uns sprechen!" MadameS Züge verwau
Velten sich blitzschnell, von Interesse
tosigkeit keine Spur mehr. „Sprechen
sagst Dn? Die Geister werden selbs
sprechen?" Fritz lächelte überlegen.
„Liebe? N iii>, die Geister sprechen zl
uns natürlich mir dnrch eine MilielS
Person, ebe.i dnrch das ?>!edilim. Jl
der Regel bedienen sie sich, wie mir ge
stern erzählt wurde, der Hand deSsel
ben, um ihre Gedanken knnd zn thnn
Das Medium schreibt oder vielmebr dii
Geister schreiben durch das Medium
und so stellen schließlich ganz wunder
'>are Dinge auf dem Papier!"
glaubst Dii an diese Möglichkeit?"
„Weißt Dn". entgegnete Frit) behag
lich, „seit dem letzten Börse.ikrach halt»
lch alles sür möglich. Aber, ernsthasl
gesprochen, die Sache ist nicht so u»,
eben. Außerdem stehen ja ganz ein
sichtsvolle nnd gebildete Leute, wie ich
gester» bemerkte, auf der Seite dei
tuilg zulieigl, lvär sie vom Scheitel bi-Z
zur Soble nüchlern, klar uud verständig.
„Wer ist dieser Herr X.?" fragte Ma
dame »ach cincr kleinen Piuse.
einsgenossen genießt!" „Und wo
ivohnt er?" „Alle Wetter", bemerkte
Fritz, „Tu gehst der Geschichte ans de»
Grnnd: er wohnt ... .Straße Nr.. 1."
„Und wann und wo wird die Sit
zung stattfinden?" „Uebermorgen
Avend Punkt !> Uhr in der Wohnung
unser s Freundes, des Dr. I. l*
„Ich mache mit," rief Frau Anna, „iH
bin Feuer nnd Flamme!" »Aber iu
der Junggcscllenwohniing des Dr. I.!"
„Was thut's? Wir kommen doch,
die Geister z» besuchen." Fritz küßt«
seiner Gattin artig die Hand. „Du
hast Recht, mit Frauen soll man »ich!
streiten."
Gegen Abend dieses Tages nahm
Frau Bankier M. den Brief, den si«
erhalten hatte, steckte ihn in ein Eonvcrl
und schrieb sollende Zeilen dazu: „Liebe
Emma. Es gilt «ine Wette! Nächsten
Sonntag erfährst Du alles. Schick«
diesen Brief, den ich hier wieder bei
füge, nberinorgcn Mittag mit der Rohr
post noch einmal an mich ab, so daß ei
übermorgen Abend bei mir eintrifft.
Grus; und Knß von Deiner Anna."
Madame schloß das Eonvert und mach!»
Straßcntoilctte. In lZ Minuten staut
sie unten auf dem Trottoir, that dai
Eouvert iu den Postkasten und stieg
dann ans der anderen Seite des Fahr
dammZ in eine Droschke.
Am festgesetzten Abend zur bestimmter
Stunde waren in der Wohnung deZ
Dr. I. sechs Personen versa»»Mt,
Herr und Fran Bankier M., ein Pro
fessor L. nebst Gattin, ebenfalls Freund«
deö M.'schen Hanfes und schüchtern«
Anhänger des Spiritismus, dann de>
Dr. 1., der in liebenswürdigster Weis«
den Wirth machte, und schließlich das
Medium T. Dieser Herr hatte ein
bleiches, verkümmertes Gesicht, die An
gen hielt er fast beständig »icdergeschla
gen, so daß cS unmöglich war, einer
Ausdruck in seinen Züge» lvahrznneh
men.
Nach kurzer Pause, in der eine kleine
Erfrischung genommen wurde, schrit!
man zu dem eigentlichen Programm
dieses Abends, zu der spiritistischen
„Manifestation". Man plaeirte sich
um einen ovalen Tisch, stellte die Lamp«
in die Mitte und legte die Hände zwang
IoS auf die Platte. Das Medium thal
die Dauer einiger Minute» vollkommen
unbeweglich. Plötzlich ließ sich an der
Lehne des Stnhis, auf welchem Fritz
M. saß, ei» leises vibrirendes Mopsen
vernehmen. Erschreckt blickten Alle inij
Ausnahme des Herrn X. »ach dciü
Stuhl, von wo das uuhctinliche und
offenbar durch keine irdische Kraft her
vorgerufene Geräusch ertönte. „Di«
Geister sind erschienen", sagte das Me
dium mit leiser Stimme. Gleich daraoj
klopste es an verschiedenen Seiten dei
Tischplatte und besonders in der Näh«
des Bankiers waren die Klopftöne sc
anhaltend und heftig, daß diesen ein un
heimliches Gefühl zn besch!eichen anfing,
„Die Geister", fuhr das Medium inil
sortwährende Klopsen bei den« Herrn
dort drüben giebt mir die Gewißheit
davon!" „Also stellen Sie die Aerbin
dung her", rief Fritz in gedämpftem
Flüsterton mit schlecht geheucheltem
liebermnth. „Lieber Geist", fragte das
Medium, „hast Du uns etwas zu
sagen?" Drei scharfe Klopftöne käme»
als Antwort.
„Also Du sagst ja. Wohlan, theil«
nns mit. was Du willst!" Jetzt be
gann Herr L. die einzelnen Buchstaben
des AphabetS zu nennen, während im
Zimmer lautlose Stille Herrschic. Er
war schon bis zu T. gelangt, und noch
immer regte sich nichts. Dann kam U,
Alles blieb ruhig, uud nun das B. Bei
diesem Buchstaben klang ein wirbelar-
Tisches heraus. Als das Medium das
Alphabet zum zweite» Mal durchsragte,
klopfte es gleich bei A und da»» bei
L. Bei der dritten Lesung wnrden die
Buchstaben E. und S. von dem unsiche
ren Intellekt bezeichnet und bei der vier
ten und fünften das C. und das A, so
daß schließlich der Name BaleSca zwei
felsohne feststand. Und mit seiner
farblosen Stimme nannte das Medium
ten Kopftviie zusammengestellt, der Satz
ergab: „Balesca wird schreiben."
„Hat vielleicht einer der Anwesenden,"
fragte das Medium, „eine liebe Ver
storbene, welche BaleSca heißt?" Man
sah sich gegenseitig an uud schüttelte
die Kopse. Niemand wollte eine Va
leSca kennen. Nur der Bankier Fritz
M. starrte auS großen verwunderten
Angen ans das Mcvinm und entfärbte
Papier nnd einen Blcistist bitten?"
wandte sich Herr X. an Dr. I. Beides
wnrde gebracht und jetzt erscholl das
Klop'en wieder dicht »eben dcm Platz,
schcint doch," bemerkte das Medium,
„als ob der Geist zu Ihnen, Herr M.,
in Beziehung stünde, Icmien Sie kein«
ven Gemahlin scheu vorbeistreif.'e.
Das Medium nahm jetzt den Blei
stift in die Hand nnd legte diese lose aus
das Papier. In demselben Augenblick
hörte das Klopfen auf, aber der Arm
des Herrn X. gerieth in Zuckungen, die
Hand folgte, flog über de» weiße« Bo
gen »nd bildete dort zuerst undeutliche
tkritzeleien, dann aber in flüchtigen
Schristzügcn den deutlich lesbaren Satz:
„Warum verleugnest Du mich? Hast
Du Dritte BaleSca vergessen?" Fritz
war todteiibleich geworden, auf seine«
Stirn perlten kleine Tropfen. Aber
schon schrieben die von dem Geist gelei
teten Finger des Medinms weiter:
„Wende deine Gedanken nicht von mir,
oder erinnerst D» Dich nicht mehr all'
der süßen Stunden, die wir vor zwei
Jahren zusammen verlebt haben?" Als
vieser Satz den Anwesenden bekannt
wurde, war Herr M. einer Ohnmacht
nahe. Nur der kategorische Blick seiner
Gattin erhielt ihn bei Bewußtsein.
„Mir ist :>icht ganz wohl", sagte Ma-
Berzeihung, aber es wäre mir lieb,
wenn wir es für heute gut fein ließen.
Meine Nerven sind so leicht zn crschüt-
tern!" Man stand bereitwillig. auf,
gab dem Medium klingende Münze zum
Lohn und stellte für einen der nächsten
Tage eine zweite Sitzung in Aussicht.
Zum Schluß sagte Dr. I. zu Herrn T.:
„Ja, aber wer ist denn der Geist
ValeSca? Niemand unter nnS kennt
ihn?" —„Es wird sich noch offenbaren,"
murmelte das Medium, winkte geheim
nißvoll mit der Hand, machte eine Ver
beugung uud war verschwunden.
Eine halbe Stunde spätes befanden
sich Herr und Frau M. in ihrem Wohn
zimmer. Madame geht >a»f ihren Gat
ten zu, der eine merkwürdige Unruhe
zeigt, sieht ihm fest ins Auge und sagt:
„Valesca hat gesprochen, jetzt—beichte.
Ich ninsi alles wisse»!" Da greift Fritz
nach dem Strohhalm. „BesieS Aeun
chen willst D» ans diesem
allerdings sehe seltfamen Vorfall
einen Beweis gegen Deinen
treuen Fritz herleite»? Wer
sagt Dir denn daß Ba
leSca todt ist?" Frau Anna greifl
kaltblütig in die Tasche. „Hier, lies!
Soeben emosauge ich diesen Brief. Dil
Geister lüge» uicht!" llud der Gemahl
liest de» bekannten Brief, der die To
desnachricht enthält und den das Mäd
chen vorhin, als die Herrschaften anka
inen, abgegeben hat. Fritz ist vernichtet.
Noch w.ir kein Viertclstüudchcii verflos
fen, da wußte Madame alles, was zi
wissen nöthig war, und das war g?
Illlg.
Und an demselben Abend war eS, wl
Herr .V., dieses unschätzbare Medium
cineu Brief au feine Braut ins fchlefifch
Gebirge schrieb, dessen letzte Sätze lau
tele»: „Soeben habe ich bei einer Sit
zniig diirch eine vornehme Dame !M
Mark verdient. Die Geschäfte gehe«
hier gut. Hoffentlich könne» wir zu»
Frühjahr ycirathen. Dein treue'
HanSX."
Das SeutsÄe Volkslied ein Älschcn
l-rösel.
Unter dieser Aufschrift richtet di
,Berl. Morgen Ztg." eiue» ivarmen
gang des deutschen VolksgciangcS hw
weist. ES verlohnt, nni der Jache wil
le» von diesem Appell Notiz zn nchnien
ihn weiter zu tragen und zn verbreiten
Denn nnr zu berechtigt ist's, wenn d>
gefragt ivird: „Wo singt denn der Ein
zelne srifch nnd lebendig ans dem In
ner» heraus, so nuvermittelt, fo ganz
wie eS das Herz eingibt? Wo begleite
der Gesang die Arbeit? Wo verkürz
er die M>is>est»ndcn? Wo erschalle!
fröhliche Stimmen nach dem Feierabend'
Gewiß geschieht eS noch hier und da
aber man findet eS selten, viel seltene,
wenigstens, als zn der Zeit, da Wander
burfchen dnrch die Straßen zogen, d
das junge Volk sich in den Spinnsiubei
versammelte und die Buben nnd Mäd
chen von der Großmutter alte Weifei
lernten. Unser Bolk ist liedcrarin ge
worden. Diese Thatsache tritt offen nn!
klar zu Tage und sällt ganz besonders
in solchen Gegenden auf. in welche,
während des Sommers polnische Franc,
lvege, sie singen in ihrer Kaserne. Hör
>nan da im Freien fröhlichen Gesang, fi
kann man mit der größten Sicherhei
»chaupten, daß es ein polnischer ist
>enn der deutsche Arbeiter, männliche,
vie weiblichen Geschlechts, geht mcis
grübelnd seines Weges und verrichte
!eine Beschäftigung gewöhnlich ohw
Zang und Klang.
Uud nicht nur bei dem Arbeiter, i»
>en weitesten Kreisen des Volkes, be
>en Jungen nnd den Alten dieselbe Ge
anglosigkeit!" Und doch besitzt nnsci
kos einen herrlichen Schatz an Liedern
über das Volkslied will gepflegt wer
sc», in Schulen und Vereinen. Toä
vie sieht eS damit ans? In den Schu
>en übt man den geistlichen nnd de,
ii'unstgesang, drei und vierstimmig. Uni
>as vielstimmige Lied ist kein Volkslie!
nehr. Aber dabei geht die Schule nocl
veiter: „Mit den Volksliedern viel
Gimmigen Satzes begnügt sie sich nich
nehr; da müssen zur Freude des gcist
iichen SchnlinfpectorS auch die K irchen«
!iedcr drei- und vierstimmig gesungei
Verden, uud an dem Examentage laß
Zer Gesanglehrer zur größeren Feie>
>eS TageS oder aus irgend ivelche» an
?cren Gründen einen komponirte,
Bsalm vortragen oder wohl gar eim
Notette, mit deren Einübung die K'in
zer natürlich Wochen- und monatelana
zequält worden sind. Was es also mi!
?er Schule als Pflanzstätte des VolkS
schließt der warmherzige Aufsatz : „Der
Werth des Volksliedes für das social«
Leben wird lange nicht genug geivür
>ie Herzen von Arm und Reich, von
hoch n»d Niedrig einander näher», um
»lle Kinder eiueS Vaterlandes ein
»neu, wenn auch minimalen Beitrag
ium socialen Frieden liefern! Daß eS
geschehe, liegt ganz allein in der Hand
»er Schulbehörden und der Herren,
velche Gesangvereine leiten, und es
väre so sehr leicht zn erreichen. Nur
iines FederzugeS bedarf es uud eiuc<
Wortes!"
Ein Tischgebet. Lehrer:
,Jhr wißt, Kinder, daß der gute Christ
»ein, Ausstehen, beim Zubcttcgchen und
»ei der Mahlzeit ein Gebet spricht,
kun, Hannes, betest Du auch?"
Hannes: „Ja!" - »Betetauch Drin
Kater?" „Ja!" »Nun, was betet
n: denn jedesmal, wenn Ihr zn Tische
seht?" „Ach du lieber Gott, was ist
l »aS wieder für ein Fraß I" ,
«he und «helostgltit.
In dcm von Dr- M. Böhm herauS
zegebenen hygienischen Volkskalender
erweist Dr. Kühner in Frankfurt inhalt
lich einer ausführlichen Abhandlung
an der Hand eines reichen, «us
älteren und neueren Werken ge>am
melten Materials, gewisse Thatsache»
und Gesetze, um nach diesen den Einiluß
der Ehe auf Gesundheit, Lebensdauer
und LebenSglück zu ergründe». Zu
nächst ergibt sich in Bezug aus das
Zahlenverhältniß beider Geschlechter im
ersten Lebensjahr die bemcrkenswerth«
Thatsache, dag stets und überall bei
größeren Bevölkerungen und kleine» Be
zirken mehr Knaben als Mädchen sich
vorfinden und zwar kommen auf 17
Knaben 16 Mädchen. Nation. Klima,
Art der Beschäftigung sind hierbei ohn«
Einfluß, auch sind die Schwankungen
der einzelnen Jahrgänge nicht bedeutend
Dieses evnsianie Verhältniß ändert sich
aber im Weiteren bis zum ÄS. Lebens
jahr in Folge der größeren Sterblich
keil der Knaben in der Art, daß die
mittleren Altersklassen sich i», Gleich
gewichte befinden, so daß jeder Mann
eine Frau und umgekehrt bekommen kann.
In Wirklichke't sind aber i» uusere»
Enlturstaatcn nur etwas mehr als die
Hülste aller Erwachsenen verheiratliet,
trotzdem die Ehe die günstigsten Aussich
ten bietet sür Gesundheit, Lebensdauer
und Lebensglück. Während ein Ehe
mann die Aussicht hat, V 0 Jahre alt zu
werde», muß sich ein Junggeselle mit tl»
Jahren begnügen und während der 4.
Theil der Ehemänner 70 Jahre alt
wird, erreicht nur der W. Theil der
Junggesellen dieses Alter. Die Gründe
der nachgewiesenen längeren Lebens
dauer der Verheiratheten werden in ei
ner Menge von Vortheilen, welche der
Ehestand sür körperliche und geistige
Gesundheit bietet, gesucht und »anihast
gemacht. Dabei legt der Arzt ans ge
eignete Wartung, Pflege in Krankheiten.
Gewicht. Stets aber wirkt in gcinnd
heitlicher Beziehung die Ehe vvrtheil
hafter beim männlichen, als beim weib
lichen Geschlecht. Unter 10(1 Ehemäu
r.iehr, als unter ebeniovicl Uuverheira
thercn, ihr über 70 Jahre. Man
würde irren, wenn man die Ursache die
ser größere» Sterblichkeit vielleicht in
der ttnregclmäßigcren LcbciiSvrdnnng
Gegentheil, je eiligezogener der Unver
heirathete lebt, desto früher scheint ihm
sein Lebensziel gesteckt.
Nach den in Paris angestellten Er
hebungen hat sich ergebe», daß inner
halb einer gewissen Zeitpcriode uur
wenige K'lostergeisiliche und Kloster
frauen das Aller von 80 Jahren er
reichen, daß die Weltpriestcr. welche
mehr Freiheit habe», älter werde», als
die Mönche und Nonnen nnd daß di«
Hagestolzen aus dcm Laiciistaudc länge«
leben, als die Geistlichen, während dii
erlangen.
Die Zahl der geschlossenen Ehe», die
Heirathssreguenz, wird beeiuslußt zu
nächst durch die örtliche Lage uud den
klimatischen Charakter der Bevölkerung.
I» de» südliche», romantischen Ländern
wird früher und häufiger geheirathet,
weil bei ihre» Bewohner» theils di«
Entwickelung eine frühzeitigere, theils
die nothwendigsten Bedürfnisse zum Un
terhalt einer Familie an sich geringe!
sind und zugleich bequemer erworben
werden könne», theils die Ehen leichter,
beziehungsweise leichtsinniger geschlossen
werden Ans die HeirathSsreauenz
wirk! ferner der vollswirthschastlichc
Znstand eines Landes bestimmend ein.
Bei einem günstigen Stande desselben
werden die Traunngen in ihrer Zahl
mindert.
Im Jahre 1847, dem bekanntlich
eine sehr schlechte Ernte voriiergegangen
war. wurde wenig geheirathet. Der
Hobe Preis aller Verbraiichssicgcnstände
erschwerte die Eheschließung. Bon
hoher Bedeutung ist anch die Beschäfti
als in einer ländlichen und ackerbautrei
benden. Die neuere Gesetzgebung end
lich, die damit gegebene Erweiterung
der staatlichen Schranken anch bei der
Eheschließung, hat bei uuS in dieser
Beziehung manche Aenderung gebracht.
Aus die Hcirathsdau.'r wirke» nebe» der
Wahl des Gatte» körperliche und gei
stige Gesundheit, das erste und wesent
lichste Eriorderniß der Entschließung zu
einer Ehe, entschieden ein. Manche
radezn ausschließen. Auch ist von ärzt
licher Seite zu betone», daß K ränklich
keit leicht in der Ehe zunimmt und als
daiiu, da sie Verstimmung, Aufwand
nnd andere Nachtheile mit sich bringt,
vielsach die Ursache häuslichen Unge
machs zu werden pflegt.
Nahe Verwandtschaft wird bei der
Eheschließung nicht nur von Aerzten
durch die meist damit gegebene zu große
Gleichheit geistiger und körperlicher Ei
genschaften nachtheilig. Aller Orten
Heirathen vor dem 25. Jahr mehr
Frauen als Männer, nach dem ÄS. da
gegen mehr Männer als Franen. Man
ersieht hieraus, daß die Mädchen,welche
auf den Bräuligam warlen, bis er hei
rathen kann, weniger zahlreich sind, als
diejenigen, welche in zarter Blüthe so
gleich einen Mann finden und daß die
Erwägung reiserer Jahre für den
zur Begründung eines Haus
standes aus die Zahl der begangene»
Verbrechen und Selbstmorde. I» die
ser Beziehung verhält sich die Ehe
günstiger als der ledige Stand, noch
ungünstiger der der Verwittwcten uud
ain ungünstigsten der der Geschiedenen.
Die meisten Selbstmorde kommen ver
hältnißmäßig bei den Geschiedenen vor.