v Ta»te Tavtne. Tante Sabine saß in der Garten laube und stickte, trotz ihrer SO Jahr, ohne Brille die feinsten Seidcnmnster. Die schmalen weißen Finger zogen die Nadel so sicher und flink durch den dich tenEanevaS und gönnten iich keine Rast, als müßten sie iür's Geld arbeitend Weiße Löckchen quollen aus der Bän derhanbe und umrahmten das seelens gute freundliche Gesicht, dessen rehbraune Augen so mild und sanft glänzte». Ter alten Dame gegenüber, jenseits des grünen Gartentisches aus der ele gant geschweiften Bank, faß ihre Nichte Magda, eine I7jähnge Blondine mit einem Gewirr Feldblumen im Schooße ,ind wand einen Strauß. Jetzt hob sie das halbfertige Bouguet und hielt es über den Tisch hin. „Wird es nicht hübsch, Tante Sa bine?" Die Angeredete sah auf. „Recht hübfch, mein Kind, aber die gelben Blnmen las; fehlen, sie passen nicht »eben das grelle Roth —" „Ob Leonhardt sich sreuen wird, Tante?" „Wie sollte er nicht —" „Oh, eS wird prächtig, die ganze Ferien bleibt er diesmal hier, da wollen wir spazieren, botanisiren und weißt Tu Tante, auch wieder sechten —" Aber Magda, damit sollte es vorbei sein. Tn t ist daS kleine Mädchen nicht mehr, das er vor zwci Jahren mit sei nen Rapiren spielen ließ —" „Spielen, Tante Sabine ? Oh. ich geschlagen, wie ein Student. Leonhardt hat es mir selbst bezeugt, daß ich jedem Fechlboden Ehre inachen würde und wenn ich auch furchtbar erschrocken war, als ich ihn in'S Kinn traf, so geschah eS ihm doch recht, was war er fo eitel und feiner Ueberlegenheit sicher, daß er sich blos ans seine Parade verlassen wolle—" Tante Sabine ließ die Hände rnhen lind sagte etwas bestimmter im Tone: „Im Ernst, liebe Magda, dergleichen muß ein Ende haben. Leonhardt ist L 3 Jahre, Du bist 17, er ist Dei» Vet ter, sogar nur ein recht entsernter Vet ter, und was schon vor zwei Jahre» meinen Beifall nicht hatte, daß Dn mit ihm bis in de» späten Abend durch Wald nnd Feld streiftest, jetzt darf'S keinesfalls mehr fein. Leonhardt steht vor dem Staatsexamen, er ist ein Mann geworden nnd möchte eS selbst sehr so» de-bar finden, wenn sein erwachsenes Cousinchen noch immer nicht wüßte, daß eS ans den Kinderschuhen heraus ist. Dein Vater hat ihn sich eingeladen,nicht Dir." DaS Gesicht des jungen Mädchens verzog sich zu einem eigenwillige» Schmolle». „Das ist pedantisch, Tante Sabine, Du bist immer pedantisch. Er kommt ja doch meinetwegen. Papa ist ein be rühmter Arzt und Leonhard! wird's vielleicht auch dereinst, aber ich bin nun einmal so arrogant, anzunehmen, daß er sich jetzt mehr für mich, als sür die anfsehenerregenden Magenoperatio nen dcS Papa oder die Heilung eompli' rirter Knochenbrüche intercssiren wird." „Um so mehr habe ich Acht zu geben." „Der Strauß ist fertig jetzt bring' ich ihn auf fein Zimmer, in einer Stunde kann der Wagen hier fein. Wollen wir ihm an den Dorfkrng ent gegengehen—?" „Papa ist ja selbst zum Bahnhof ge fahren. Auch habe ich noch nach dem Essen zu sehen." „So soll ich allein gehen?" „Nein, Magda, Tn sollst mir Hel sen." Magda stützte den Kopf in beide Hände und sah verdrießlich vor sich nie der. „TaS wird ja aber schrecklich. Jetzt freue ich mich garnicht mehr. Als ob's eine Sunde wäre, sich ans einen 2 Ijäh rigen Better zu freuen, der hübsch, lie benswürdig nnd galant ist. Wenn Tu alle Männer so aus meiner Nähe scheu chen willst, kann ich mich ja daraus gefaßt machen, auch eine alte Jungfer zu wer den." Tnrch das blasse Gesicht der alten Dame flog ei» Zug des Unwillens. „Tn bist wirklich noch ein Kind, Magda nnd manchmal ein recht unarti ges. Bring' jetzt die Blumen in's Gastzimmer und dann komm' in die Küche." Sie rollte die Stickerei ein nnd ging in da? Haus, dem sie feit vielen Jahren, feit Magdas Mutter starb, vorstand. * » * Einige Tage waren vergangen. Früh wie gewöhnlich lagen ans dem Kafseetisch die Postsachen und als Magda nachsah, ob auch für sie ein Brief dabei wäre, fand sie einen solchen sür Tante Sabine. Sie wollte ihn dieser bringen, als sie in der Thür auf Better Leon- Hardt stieß. Der Better hielt sei» Cousinchen ohne viel Umstände fest nnd gab ihm einen herzhaften Guten morgen Kuß. Erfand merlwürdigerweife nicht den geringsten Widerstand nnd handelte in MagdaS freildigstein Einverständnis;, indem er einem eben störenden Dienstmädchen die Besorgung des Briefes übertrug. Frei lich, als dann nach sehr geranmer Zeit erst des Papas wuchtiger Schritt auf der Treppe vernehmbar wurde, mußte man sich stören lassen. Nesse nnd Toch ter begrüßten den Eintretenden, der sehr ernst aussah. „Wir werden heute ohne Tante Sa bine frühstücken," sagte er. „Weshalb, Papa ?" „Sie will allein sein, später mehr." „Ist sie krank —?" „Nein, sie hat eine Nachricht erhalten, die sie mit Schmerz »nd Betrübniß er füllt : sie will allein sei»/' „Auch ich darf nicht zu ihr, sie nicht trösten?" fragte Magda verwundert. „Dich hat sie sich ausdrücklich verbe ten, Magda; ich wollte Dich ihr senden. Tu sollst sie im Hauswesen vertreten." Das Frühstück verlief iedr einsilbia. Magda ging in die Küche, während Onkel und Neffe sich bis zur Sprech stunde des Ersteren noch eine Cigarre nahmen. Unruhig und hastig gab Magda ihre Austrage an das Hausmädchen, zwe; Mal stieg sie die Trevve h'.naui bis zu Tante Sabinens Zimmer, minie: aber jam. fast kränkend. Aber sie ging znm dritter. Mal Hinaul und lauschte an der Thür. Dr'.unen blieb's todtenstill. Magda befiel eine unerklärliche Angst. Konnte der Tante nicht etwas zugesto ßen sein. Und sie war dann hilsloS. ganz allein! DaS junge Mädchen pochte, schüchtern und leise. Wieder blieb's still. Jetzt wagte sie stärker zu pochen. - Da ttang Tante „Wer ist da?" „Ich, Magda, Tante —" „WaS willst Du —" „Liebste Tente, darf ich nicht zv Dir „WaS willst Du —" „Ich habe solche Angst um Dich, laß' mich zu Dir. bitte, bitte." Eine kleine Weile, dann rückte der so freundlich und gütig wie immer blick ten die Auzen, aber sie waren roth um rnndet. DaS Erste, was Magda sonst sah, war ein ausgezogenes Fach des alt „Du hast Angst um mich, gutes Kind", sagte die alte Dame mit dersel ben verschleierten Stimme. „Mir ist besser und eS thut mir jetzt vielleicht wohl, daß Tu kommst." „Und Tn wolltest mich, gerade mich Ueber das blasse Gesicht ging ein Hauch des ErröthenS. „Gerade Dich nicht, daS hat Dir Tein Papa gesagt? Thöricht, aber ich konnte nicht anders im ersten Empfin den." Berlin?" denjenigen vor dem Seeretär nnd setzte sich zu Magda's Lhne Umschweife begann sie. „Dieser Brief brachte eine Todesnach richt. In Berlin ist ein Mann gestor ben, ein edler, braver Mann, den ich »in ihn. DaS ist eine schrecklich einfache Geschichte, Magda, wenn Du Dir blos vorstellen willst, daß Deine alte Tant! auch einmal jung war. Sie zählte LZ Jahr, da starben ihre Eltern und ließe? sie allein mit zwei Brüder» von zehn und acht Jahren. DaS Baargeld ver zehrte das Begräbniß, die Noth stani vor der Thür. Damals hatte sie seit J:hr und Taa jenen Mann kennen gelernt, der nun mehr die Augen sür inMiec schloß, und er bot ihr Hilfe an, mehr noch. Liebe. Aiich er war arm, aber in geordneter Verhältnisse», nnd sein Herz war gold echt, gnt u»d tren. Meinst Du nicht daß ich vielleicht sehr, sehr glücklich ge worden wäre, wenn ich es gedurft hätte? Ich durfte es nicht; für uns alle Drei zu forgeu, wollte ich ihm nicht anfbürden, und in'S Waisenhaus sollten die Kleinen nicht, so wi>.S ich ihn ab und er hat mir herb gegrollt, weil ich ihm den wahre» Anlaß zu sage» mich schämte. ES that mir weh. daß er so ungerecht und kurzsichtig war Vielleicht habe ich im Stillen ge hofft, daß er die Lage der Dinge errathen, überschauen werde, und daß er unn um so bestimmter sich erklären würde... .Vielleicht auch war da zuviel verlangt gleichviel, lieb habe ich ihn behalten bis heute, auch da er längst einer Anderen gehörte, glücklich war nnd mich vergessen hatte. Ich konnte ja nicht anders. Erst habe ich gestickt und genäht sür mich und die Brüder, dann halsen mir Freunde meines Va ters ein Pensionat einznrichten, ich hatte ja Wohnnng und Möbel dazu, und unter bitterer Sorge ward'S doch immer besser. In der zärtlichen Dank barkeit Deines VaterS und Onkel sand ich vielen, vielen Ersatz, sie sind Beide tüchtige Männer geworden und ich, meine liebe Magda, ich wurde —eine alle Jungfer!" Wie ein Messerschnitt ging dies Wort durch Magdas Herz. Sie warf sich mit erblühten Wange» vor Tante Sa bine nieder und b-lrg den Kopf in deren Schoos;. Tic alte Taute streichelte die blonden Locken der Schluchzenden. „Jetzt weißt Tn erst," sagte sie leise, „daß Tu mir weh gethan hast, nicht wahr? lind das; Tn es eben damals nicht wissen konntest, hat Tich cnlschnl digt bei mir. Aber das Herz ist ein wunderlich Ting. Als Tein Bater, der vor einer Stunde hier mit mir ge trauert hat nm einen Mann, den er nie mals kannte, ging, rebellirte in mir etwas wider Tich, armes Kind, und ich bat ihn, Tich nicht zu schicken. Tu bist doch gekommen und das thut mir un sagbar wohl." Magda weinte noch, als Tante Sa bine sie z» sich emporzog nnd küßte; durch die Thränen hindurch sah sie, wie die schlanken weißen Finger ein paar gepreßte Blnme», ei» Bild und ein dünnes Päckchen Briese wieder in den Pappkasten legten und diesen in den Seeretär einschlössen. „Bist Tu mir wirklich nicht mehr böse, Tante Sabine, wegen des häßlichen schlechten Wortes?" „Häßlich, schlecht? Tbörichte-Z Kind. eS ist ein Wort wie andere auch und wessen.wir uns nicht zu schämen bran> chen, sollte uns ;eder iagen dürien. Tu freilich denkst über dies böse Wort an ders." Mitten durch den Kummer hindurch verschönte das m:!de. sansii Lächeln die Züge der Alten. „Ich hab« ;a Augen! Pava und ich wissen, ilne heimlich und ichla» Ihr, !en sieh:, müßte es undankbar sein, wenn es sich nicht selbst glücklich sühlte. und so bist Du, gerade Tu. die beste Trösterin gewesen. Mir ist nur »och leise weh um's Herz, aber nicht mehr bitter, nicht mehr verzagt." Tante Sabine stand aus. Mild, sried lich und saust glänzten wieder die guten Augen, aui ihres Glückes Grab blühten die Blumen fremden Glückes. yirosk.r'S erste Luge. Endlich war Piroska angekommen. Wer das wohl ist ? Nun denn, es ist das felmfüchtigst er ond Mißmlith ersparen sollte, den daS heutige hauptstädtische Ticustgesindc ih ren Herrschaften so vortresslich zu berei ten versteht. diese gewichtige Empfehlung erwarb ihr schon zum Voraus die Sympathien ihrer ersten Dienstherrschaft, sonst wäre sie bei ihrer Anknnst schwerlich mit so un äußere Erscheinung war von gewinnen dem Liebreiz. Wie sie dastand, die tief blauen, kindlichen Ange» sprechend ans von einem baumwolle nen Kopftüchelchen umrahmt, so wohl thuend anmnthctc, die wohlgcpflcgten, üppigen, in zwei Zöpfe geflochtenen, Hände, die ihre ganze Habseligkeit, ein mäßig großes, vielfarbiges, stark ver schnürtes Bündel, wie krampshast fest hielten, kurz, das ganze niedliche Per sonellen schien so einnehmend, daß es in den ersten Stunden des rosigen Ehe glückes schwelgenden Neuvermählter dem besangen und bedrückt nm sich blickenden Mädchen mehr Wohlwollen und Herzlichkeit entgegenbrachten, als es daS alltägliche Verhältniß von Dienst leistuug und Entschädigung kennt. Da eS schon ziemlich spät am Aben! war, hatte Piroska nichts mehr zu thun, daS eigens sür sie eingerichtete Zlmmel neben der Küche zu beziehen. Dn Morgenkaffee sollte also ihre erst». Dienstleistung werden und dieser gelang Ehemann konnte in feiner Begeisterung kaum genug Worte des LobeS finde», ja, er ging in seinem Eifer sogar bis zu dem Anssprnch: eS sei das von Piroskc hergestellte Frühstücksgetränk überhaupt das beste, das er während seiner Ehe unglückte. Nu» rückte auch das zweite Mittag esse» heran nnd dies Mal gab es sogai zwei Gäste. Der junge Rath besaj allerdings einige Kenntnisse in dei Junggesellenkochknnst, seine Gemahlil gar keine nnd PiroSka, mit manchen hauSmännischc» Kvchreeept vertraut, hätte eS, als Landmädchen, kaum ver möcht, den Ansprüche» der kleine» Her rengesellschaft zu genügen. Nach lan gem Sinnen kam der jungen Frau dei wirklich erlösende Gedanke ans dei? Hotel ein kaltes Diner zu bestellen, wo mit der Herr Gemahl sich auch einver standen erklärte. Er selbst unternahm es auch, die Be stellung zu besorgen und durch einen Zu fall kam er sogar in die angenehme Lage, das Tiner wenigstens mit einem Gang zu krönen, der selbst seinen ziem lich verwöhnte» Freunden imponircn lio bilden aber der Mensch denkt und PiroSka lenkt! Als das riesige Krustenthier aus dem Küchentische lag, emv'and Piroska ein ganz unsagbares Gefühl von Bangigkeit und Scheu; hatte sie doch noch nie im Leben solch ein abscheuliches Thier ge sehen. Trotzdem der Hnnimcr schon todt war, schien es ihr doch, als ob er seine häßlichen, bräunlich grünen Schee ren, Füße und Fühler nach ihr aus streckte und mit nicht wenig Beklemmung dachte sie an den nahen Augenblick, wo sie das entsetzliche Thier, aus Anord> nnilg der Frau, in den großen, mit sie dendem Wasser gefüllten Kessel werde Wersen müssen und in welchem es dann in acht Minuten zu lochen hätte. Einen Bissen davon zu essen, hatte sie sich schon längst verschworen und in der That hätte sie Niemand daju vermock» nnd würde man ihr ein GallenebiUet :n den EireuS geschenkt haben. Während sie noch mil der Herstellung senerroth bei seinem Anblick, denn bis her hatte sie ihm noch kaum ordentlich ins Gesicht blicken können. Ihre Verle- PiroSka. ich will nnr unsere Küche be sehen sehr hübsch sehr nett und da liegt ja noch unser Hum mer Piroska wurde allmälig gefaßter. „Kannst Tu ihn auch lochen?" setzte er lachend sort. „Gewiß, gnäd'ger Herr die Gnäd'ge hat's mir ja erklärt acht Minuten!" „Na schön, daß er aber nicht ver brüht wird, denn ohne Hummer sind wir heute bis aus die Knochen bla mirt!" Mit diesen Worten wollte er nach der Thüre, doch ehe er noch eine» Schritt machte, besann er sich eines nig Besseren, blieb, blickte abwechselnd den Hummer au und das Mädchen, als ob ihn ein auf Beide bezüglicher Ge danke beschästigte. „komme doch ein klein wenig näher." PiroSka erröthete und that, wie ihr befohlen. hm?" „Nichts, als daß er acht Minuten ko chen niuß, gnäd'ger Herr!" gab sie be sangen wieder. „Gut, so blick' mir recht fest in'» Ange!" PiroSka that das fast willenlos. „Schwöre, daß Du uicht lügen wirst —" PiroSka spielte vor Erregung alle Farben, endlich brach sie stoßweise her vor: „Ich sage immer die Wahrheit. „Das ist brav! Sage mir also, ob Du stets tugendhasr gewesen —" Wie mit zugeschnürter Kehle stöhnte sie: „Immer, gnäd'ger Herr!" Herr!" PiroSko hatte zum ersten Mal gelo gen, aber sie war rein wie srisch gesalle ncr Schnee. Nie hatte Sünde oder Eitelkeiten ihr kindliches Herz befleckt, aber dem hübschen, schwarzäugigen Pista, Marezi BaesiS Jüngstem, war sie herzlich gut, war es doch auch schließlich der Wuusch der Eltern und des Herrn Psarrers, daß die Beiden einmal ein Paar würden—das aber konnte sie doch wäre ja vor Scham in die Erde gesun ken. sichtlich gutgelaunte Herr daS Wort. „PiroSka, ich glaube Dir aus'S Wort," und muthwillig lächelnd fügteer dann hinzu: „Weil Du mich gar nicht belügen kannst! Ich habe ein Mittel, die Wahrheit zu erfahren!" Piroska erblaßte, aber sie hätte lieber gleich sterben mögen, als ihre Steigung gestehen. „Siehst Du, fuhr er dann fort, „die ser Hummer wird Dich verrathen, hast!" Mit Entsetzen blickte sie auf den Hummer. feierlichem Tone, „er besitzt die göttljche Wunderkraft, bei, Mädchen bis in's Herz zn blicken. So wie er zu koche» Piroska stand da, wie leblos. „Hast Dn gelogen, so wird er Dich, wie alle Sünderinnen, bei Tische ver- Noch ehe das bebende Mädchen zu sich kommen konnte, hatte sich der junge Herr entfernt. Die Angst des Mäd chens gar nicht ahnend, er sich allein. Der Gedanke, daß das abscheu liche Thier die Kraft besitze, ihre un schuldige Neigung zn Pista zu verrathen, machte sie sehr unglücklich. Wenn wenig stens die junge Frau danach gesrag! den haben, aber einem Manne nie! Der ersten Lüge wegen sühlte sie sich deswegen auch weniger unglücklich, viel mehr sürchtele sie, vou dem Hnmmer verrathen zn werden. In ihrer Kind heit nahm sie sich vor, Sonntags recht andächtig zn bete» Es schlug ein Uhr. Jetzt mußte dei Hummer i» sein kochend Grab. Aengst lich faßte fie ihn mit der Schürze an und schwapp, do lag er auch im dampfenden Kessel. Wie festgebannt blieb sie stehen. Die erste lange, bange Minute verstreicht daS arme geäng stigte Mädchen athmet leichter auf. Jetzt röthete die Freude ihre Wange», sie siih'lc sich sündensrei, denn auch die zweite und dritte Minute verstrich, ohne daß des Thieres beleidigte Seele sieh' da! Wird da nicht den brausenden Kessel blickt, welch' ei» Entsetzen saßt sie an! Ihre erste Lüge hatte sich bitter gerächt! Die be leidigte Seele des gegrämten Hummers färbt die Schalen roth und röther und wenig fehlte, da hätte sie eS aus Ver zweiflung unterlassen, den überkochten Hummer ans dem Kessel ,',u fischen AIS er wieder aus dem Küchentisch« lag. konnte Angesichts der Purpur der ganzen Tischgesellschaft so tief be schämt zn werden, wollte ihr schier das Her; zerreißen. Was thun? Kein Mittel! Kein Ausweg! Dabez. hörte sie, wie sich die Gäste schon zn Tifche fetzten. Jeden Augenblick konnte die Klingel ertönen und und erbfendlcke Thränen perlten dem geängstigten Mädchen über die Wangen aus den wild fliegenden Busen. Plötzlich klingelt es ist eS dii Frau? Gott sei Tank noch nicht! Beim Nachbar war es. Bald abe» mußte ja de>S Unvermeidliche eintreffen! Hui! Ta was steht denn da ? Das ist ein Gedanke, den ihr der liebe Gott geschickt jetzt ist sie geret tet Im Speisesaal hatte man sich schon zu Tische gesetzt. Das junge Ehepaa, und zwei Jugendfreunde des Hans Herrn. Nach einer pikanten Vorspeise klingelte es in der Küche. Tie junge Frau gab damit das Zeichen, daß der Hummer aufzutragen sei, der Pracht hnminer, mit dem mau die beiden Gäste schon seit geraumer Zeit in Spannung hielt. PiroSka trat in den Speisesaal. Hoch über dem Kops trug sie eine sein eise lirte Silberplatte, aus der daS Pracht stück mit Blumen und Blättern verziert lag. Die beiden Leckermäuler waren ge rade beim besten Appetit. Sie stellte die Platte in die Mitte des Tisches, nicht ohne ihrem Dienstherrn einen Blick stolzen Selbstbewußtseins zuzuwerfen; darauf trat sie befcheiden und unanssällig in die Thürnische zu rück. Die Wirkung war ganz verblüffend. Man blickte sich gegenseitig sprachlos an, denn daS so viel gepriesene Stück er glänzte in unappetitlichstem, mattem Schwarz. Ehe die Neuvermählten zu Worte kommen konnten, ließen die beiden Gourmands den schlechten Witzen den weitesten Spielraum. Piroska hatte alledem ganz ruhig zu gesehen. obschon ihr die nervöse Unruhe in den Zügen ihrer Frau nicht entgehen konnte; wirklich herrschte sie das Mäd chen in ganz ungewohnter Weise an: „WaS haben Sie denn mit dem Hummer gethan, Sie —" Ihr Gatte, den unglücklichen Aus gang seines so prächtig ersonnen ge glaubten Scherzes ahnend, stand rasch ans nnd versiegelte mit einem herzhaften Kuß die Lippen seiner erregten Gemah lin, daraus ging er ans PiroSka zu, die an allen Gliedern zitterte. „ich allein bin der Schuldige! komm' her, PiroSka, ohne Furcht, erzähle Alles was hast Du mit dem Hummer ge than ?" Unter Thränen bekannte sie, daß es ihre erste Lüge war und damit der roth gewordene Hummer sie uicht verrathe habe sie zur Schuhwichse gegrif fen! PiroSka fand Gnade bei Allen, aber dem Ehemann wurden von maßgebender derartig-' Experimente in der Küche liiswriquos", welche vornehmlich unver öffentlichte Briese der Kaiserin Eugenie mittheilen, haben jetzt den Zeitpunkt der Verlobung von Mademoiselle de Mon tijo mit Napoleon 111. erreicht. Ein Brief der Madame Montijo an ihren alten Freund, den französischen Gesand ten in Berlin, worin sie ihm jenes Er eigniß mittheilt, ist voll mütterlicher Sorge: „Ich weiß nicht", schreib! sie, „ob ich glücklich sein oder ob ich weine» joll. Wie viele Mütter, die mich jetzt beneiden, würden es nicht verstehen, wenn sie die Thränen in meinen Augen sähen. Eugenie soll Königin in Ihrem Frankreich werden. Ich denke, daß i» Ihrem Lande die Königinnen nnr we nig Glück haben. Ich kann mir nicht helfen. Der Gedanke an Marie An koinette verfolgt mich und ich frage mich selbst mit Angst, ob nicht mein Kind ihr Schicksal theilen werde." Bor ihrer Verlobung mußte das junge Mädchen die Abneigung jener Hosdamen fühlen, welche durch die offen bare Bewunderung des Kaisers sür sie hervorgerufen wurde. Der Heraus geber der „Souvenirs" bürgt für die Wahrheit der folgenden Geschichte: „Die Damen an Napoleons Hofe waren die ser Verbindung stark entgegen. Sie behandelten Mademoiselle Montijo mit auffallender Kälte nnd Geringschätzung. Eines TageS, im Park von Eompiegne, angesichts ihrer Freundinnen, beschwerte sich das gereizte Mädchen dem Kaiser gegenüber über jene Behandlung. Als sie geendet hatte, schnitt er einen Zweig von einem Busch, wand ihn in Form eines Kranzes und setzte ihn auf Enge nienS Haupt, indem er lant hinzusetzte, daß es gehört werden mußte: „In Er wartung eines andern." Von diesem Augenblicke an behandelten die Damen Mlle. Montijo als ihre künftige Kai serin. Wenig. Erster Archäologe: Nun, Herr Professor, haben Sie auf Ihnen, nicht einmal einen Pscrdckno che», von dem man sich einen Augenblick einreden konnte, er stamme von einem Gast (ruft die Kellne rin): „Resi. noch einen Krug Resi! Potz Element, das Mädel hört nicht! Nefi, sind Sie denn ganz vernarrt in das Semmelgesicht da drüben? Sie lasseu ja kein Aug' von ihm?" „Stimmt! Sonst brennt der Lump mir wieder mit der Zech' durch!" Derühmte Esel. Vom Meister Langohr hat Nagele in der „Dtsch. Romanztg." ansprechende Einzelheiten zusammengetragen. Neben den vielen dummen und namenlosen Eseln gibt es auch gescheite und be rühmte. Ein solcher war jener, der im März des Jahres I87t! ans der Fregatte „Jster" in Gibraltar einge schifft wurde,um seinen Herr» nach Malta zu begleite». Bei der Galspitze gerieth aber das mächtige Schiff aus eine Sandbank, und um eS wieder flott z» machen, mußte aller entbehrliche Ballast über Bord Dazn wurde auch der fette Esel gerechnet. Der besah sich die Sandbank, und da sie ihm allzn dürr und trocken ansfah, kehrte er ihr den Rücken nnd ruderte, man weiß nicht, uiitcr welchen Abenteuern, dem Fest lande zu. Kurz und gut, einige Tage später zog der Esel durch die Thore Gibraltars ein und zum Stalle des Meisters Weel, wo er vordem länger« Zeit gehaust, nachdem er ohne Wegwei ser einen Marsch von reichlich 50 Stunden über Berg nnd Strom, Stock und Stein zurückgelegt hatte. Wie daS arabische Pserd steht auch der ara bische Esel nnter seinen Genossen oben an und gilt als ein vornehmes Thier Schlichte Langohren mit grancm Fell und schwarzem Kreuz zeichnen ihn ans; am vornehmsten aber erscheint der Weiße, leichtfüßige Efel des Nedsched, der neben den brannen oder schivarzcn, kräftigen Esel» des Knrdistan sich wie cm Aristokrat ausnimmt. Der edle rafseechte, weiße Esel bat eine hohe Gestalt, starke nervige Beine, einen großen, seilen Halskamm und eine feine empfindliche Haut mit glatten, fei nieisten haben zur Wertschätzung des Esels die abyssinischen Christen gethan, die nicht nnr den Bileam, sondern auch seine kluge Eselin in die Zahl der Hei ligen aufgenommen haben. Weniger entzückt als die Araber und Abyssinici ist aber Hermann Vambcrn, der be rühmte Reisende, der hinsichtlich des Esels als Reitthier solgendcS Urtheil abgibt: „Die kurzen, scharfen Schritte Reiters. Dabei gerath er vor jeder Pfütze und ledem Wasser in Todes angst. Da Peitsche nnd Stachel nur in den erstell Tagen des Marsches auf das Thier einen Einfluß auSzuübcu vermö- Slntreiben Hände nnd Füße des Reiters ft.'t ebenso, als hätte er den Weg zu Fuß zurückgelegt. Und was soll ich erst von dem ohrenzerreißenden J-A en sa gen? Der europäische Esel ist, was Um fang nndEolorit seiner Stimme betrifft, ein Stümper gegenüber seinem asiati von ?>ezd nnd Kirman folgen. Die be scheidensten Esel aber, die ich kenne, find jene dcS nebligen britischen Reichs." Vi,,- vierzeliniäftrige Wtftini schcrin. Es ist gewiß ein seltener Fall, daß ein erst vierzehnjähriges Mädchen wegen versuchten Mordes ans der Anklagebank sitzt. Selma Brucksch ans Tankwitz, zu den Lauterbachschen Eheleuten in Tomitz als Kindermädchen in den Dienst gegeben. ES gefiel ihr dort nicht, nnd sie faßte den Entschluß, das sechs Mo nate alte Kind, welches ihrer Obhntan vertraut war, aus der Welt zn schassen, nm ihres Dienstes ledig zu werden. Am IV. Mai stopfte sie zunächst dem kleinen Wesen mit Gewalt eine Handvoll hin;» nnd bewahrte das Kind vor dem ErslicknngStode. Acht Tage später war Selma Brnckfch mit dem Kinde von als die HanSsran zusah, fand sie zu ihrem Entsetzen, daß das Kind mehrere Strcichholzköpse mit Phosphor im Mun de hatte. DaS Mädchen leugnete, die selben dem Kinde in den Mnnd gesteckt zu habe». Am nächsten Tage, als sich Frau Lauterbach auf einige Augenblicke in's Nebenzimmer entfernt hatte, stellte Selma Brucksch dem Kinde abermal Phosphor-Streichhölzer in den Mund. Als Fran Lauterbach zurückkam, fiel ihr das plötzlich eingetretene Unwohlsein des Kindes auf. Sie bemerkte, daß sowohl die Zunge wie der Mund des Kindes entzündet waren; zugleich schlug ihr ein penetranter PhoSphorzernch aus Mehrere in der Stube liegende, abge leckt aussehende Streichhölzer belehrten die Mutter bald, daß hier wiederum ein schehene herbeizuholen. Als sie mit diesen zurückkehrte, war die Selma Brucksch verschwunden: sie hatte den Weg durch'S Fenster genoinmen und war zu ihren Eltern gelanse». Sofort angewandte Gegenmittel wendeten schlimme Folgen von dem Kinde ab. Selma Brucksch wurde aber wegen ver suchten Mordes angeklagt. Vor Gericht bekannte sie sich des ihr znr Last geleg ten Verbrechens schuldig, bestritt aber die Absicht der Tödtung des Kindes. Sie will nur versucht haben, dasselbe krank zu macheu, weil sie hoffte, dann als überflüssig entlassen zu werden. Der Gerichtshof in Schweidnitz billigte der Angeklagten mit Rücksicht aus ihre Jugend sowie darauf, daß ein besonde rer Nachtheil für das Kind nicht einge treten ist, mildernde Umstände zn und erkannte aui ein Jahr Geiänoniü. Hoppelpoppel. ES ist bekannt, wie gewaltig Napo leon l. durch die Macht seiner Rede vor Allem auf seine Soldaten zu wirken wußte. Er sprach nie viel, aber in we nigen Worten sagte er Alle:-, was er wollte. Von der Natnr mit einem sehr klangvollen Organ begabt, hatte er in srüheren Jahren keine Ahnung davon, eS richtig zn benutzen, bis der große Tragiker Talina eines Tages, da Na poleon, damals noch erster Konsul, ihn fragte: „Nun, wie gefiel dir meine gestrige Rede?" die Kühnheit hatte, zu äußern: „Ich begreife nicht. Bürger- Eonful, wie mau mit einem solchen Or gan so schlecht detlamircn kann." „Also habe ich schlecht deklamirt?* versetzte Napoleon lächelnd. „Mag sein, du mußt mich jetzt diese Kunst leh ren." Für die Folge hielt Napoleon in der That keine Rede mclir.welchc nichtTalma ihm vorher sorgsältig eiustudirt hatte. Eines TageS, es war kurz vor dem Ausbruche des verhäugnißvollcn Krie ges mit Rußland, war Talma zum Kai ser berufen worden, um mit ihm eine Rede einzustudiren. Zwei Stnnden lang mühte» sich Beide vergeblich ab. „ES geht nicht!" ries endtich der Künstler. „Deine Schuld, du bist heute nickt bei guter Laune!" entgegnete Napo leon. „Im Gegentheil, aber Majestät find nicht bei Stimme. Sie sind hei ser." „Im Ernst? Das wäre verwunM, ich muß morgen reden!" Talma zuckte die Achseln, Napoleon schellte heftig, ein Diener trat ei». .Meinen Leibarzt!" Der Arzt kam. „Ich biu heifer, wie?" „Ein Katarrh, Sire, hat nichts zu sa gen, in einigen Tagen werden Eure Majestät vollkommen hergestellt sein." „In einigen Tagen? Sie sollen mich augenblicklich kuriren!" „Unmöglich, Sire!" „Unmöglich? Sind Sie ein Arzt?" „Ich schmeichle mir." „Ohne Schmeichelei, wenn Sie mich nicht ans der Stelle kuriren, so, so adieu, -nein Herr!" Entlassnng wagte Niemand etwas zu entgegnen. Napoleon schritt erregt durch das Gemach »nd blieb plötzlich mit verschränklen Armen dicht vor Talma stehen. „Weißt dn kein Mittel, alter Freund? Dn leidest doch auch zu Zeiten an Hei serkeit, und ine hindert sie dich, zu spie len : wer ist dein Arzt?" „Monsieur Goldeubogeu, der Friseur scher, den wir ans Weimar mitbrach ten. vielleicht erinnern sich Eure Maje stät." „Nein, aber thut nichts, glaubst du, daß er mir Helsen kann ?" „Ich verbürge mich dafür, doch ist das Mittet, das er anwendet, etwas drastisch." „Immerhin, wenn eS nur hilft, schaffe mir deine» Friseur." Nach einer Viertelstunde trat, außer ordentlich besangen und mit eiuein wei ßen Taschentuchs den Angstschweiß von der Stirne trocknend, Monsieur Gotden bogen vor den Kaiser. „Ohne Umstände. Monsieur Golden bogen! Talma hat Sie mir empfohlen; Sie hören, daß ich von einer verwünsch ten Heiserkeit befalle» bin. Ich will schnell knrirt sein!" „Eure Majestät Sire aller gnädigster Kaiser —" „Freilich, Sire Hoppelpoppel." „Oppopp—pel, kurioser Name! Aber her damit!" Goldenbogen bat, sich in die kaiser liche Küche begeben zu dürfen. Daselbst angelangt, nahm er ein Trinkglas, füllte eS mit de» Tottern von vier frischen Eiern, warf zwei Loth seingestoßene» weiße» Eandiszucker hinein, quirlte Alles tüchtig durcheinander und goß un ter sortwährendem Quirlen ein halbes Seidel des stärksten JamaicarumS hin zu. Nachdem er die Mischung gekostet und wohl befunden hatte, brachte er sie dem Kaiser und ersuchte ihn, sie auSzu trinken. Napoleon warf einen durch dringenden Blick auf den Trankbereiter. der ganz unbefangen dastand, that einen Zug, und das Glas rasch absetzend, ries er: " „Muß auch brennen, Sire," sagte Goldenbogen, „muß auch brennen, sonst Hilst es nicht!" „Wenn eS nicht hilft, laß ich Sie auf hängen!" erwiderte Napoleon und leerte das GlaS. Schon nach einer Stunde verspürte der Kaiser bedeutende Linderung und schlies in der Nacht vortrefflich. Am andern Morgen war die Heiserkeit ver schwunden und er ließ Goldenbogen zu sich rufen. „Machen Sie mir noch ein Glas von Oppel—opp—pel, oder wie Ihr Teu felstrank heißt, recht kräftig." Freudig vollzog Goldenbogen den Be fehl: Napoleon leerte das Glas und felde eine Rede, die aus das Heer die gewaltigste Wirkung ausübte. Monsieur Goldenbogen wurde zum dritten Male zum Kaiser berusen, der ihm hundert NapoleonSd'or schenkte. Als Talma den Kaiser wiedersah, ries er: „Sire, Sie haben gesprochen wie ein Gott!" „Ich war etwas begeistert", erwiderte Napoleon, „doch werde ich nicht so bald wieder zu Eurem Opp—popp—pel grei seit" Noch heute wird dieses Mittel gegen Heiserkeit in Frankreich viel gebraucht, man nennt eS aber, da die Franzosen die ursprüngliche, ihnen barbarisch schei nende Benennung nicht aussprechen kön nen. .den Napoleonstrank".