Valesca. (10. Fortsetzung. Ha, das hübsche elegante Dämchen in der kostbaren Pelzjacke ulid dem Tiro lerhut, mit dem du dich einschlössest, ries Selma von Hüter lebendiger im Ausdruck als sonst gewöhnlich, das Dämchen mit den feinen Hackenstiesel chc» und den rothen Handschuhe» jetzt versteh' ich dich. Alsred, und bitte dich öffentlich um Vergebung, wenn dein Amt es erforderte Schvu gut. liebes Kind, wir werden uns immer besser verstehen lernen. Der Zimiiiethandschuh, die Flora Hegele, be sitzt eine Schwester mit Vornamen Jo sephine. Diese Josephine. dem Aeußern nach eine höchst respeetable Person, hatte sich mit ihrem Liebhaber, einem höchst verwcge»e» »»d gefährliche» Geselle», der seit einem Jahre a»s dem Zuchthaus ausgebrochen ist, woselbst er eine zehn jährige Strafe zu verbüßen hat, über worfeil. Glauben Sie wohl, meine Herrschaften, daß es Menschen gibt, die sich durch nichts, sag' ich. von dem ge fährlichsten Raubthier unterscheide»? Run wohl, solch ein Mensch ist der ehe malige Buchdrucker, den sie Drücker oder Drucker nenne». Dieser Drücker in Gemeinschaft mit andern hat den Ihne» allen bekannt gewordenen Ein bruch in die Villa des verstorbene» La zarski ausgeführt. Auch Dagobert Frey, der Erstochene, war bei dem Diebstahle thätig uud der Anstifter Frey, ein zweiter Don Juan, wußte sich der Josephine Hagele ebensallS liebens würdig zu machen. Josephine Hagele sah dies nicht un gern und war im Begriff, de» Dagobert Frey in der Kellerwohnung ihrer Mut ter auszusuchen, als unglücklicherweis jener Drücker hinter ihnen herkam. Dicht an der Seite seiner Geliebten stieß er rücksichtslos seinen Nebenbuhler, sei nen Genosse» bei dem nächtlichen Be suche iu der Villa Lazarsli, von deni beide in jener Nacht soeben erst her käme», nieder. Er hatte auch aus ande ren Ursachen einen Haß ans jenen Frey geworfen. Frey benahm sich ihm gegen über stolz und rücksichtslos; er ver schmähte einen genauern Umgang mit Drücker. Drücker fürchtete von ihm Bcrrätherei nnd wußte, daß Frey eine »icht »»bedeutende Summe Geldes bei sich trug, die später spurlos verschwun den ist. Dies Geld war ein Theil der eben erst gemeinschastlich gewonnenen Beute. Drücker hatte eS dem Todten geraubt. Unmittelbar nach dem Morde reiste Drücker init der Ostbahn ab. Was er weiter gethan nnd wo er sich monate lang ausgehalten, weiß niemand. Jetzt aber ist er zurückgekehrt. Er versuchte seine alten Verbindungen in dem Kellerlocale der Wittwe Hagele nnd mit deren Tochter Josephine wie der auzuknüpsen. Die letztere aber, seitdem er den Eassirer an ihrer Seite erstochen, verabscheut ihn. Weg mit deiner Hand! rief sie ihm voll Ekel zu, als er sie durch Handschlag begrüßen wollte. Die Folge dieser Unbedacht samkeit war, daß Drücker ergrimmte und die entsetzlichsten Drohungen gegen Josephine ausstieß. Das Mädchen fürchtete sich, sie wnßte, daß den Dro lningen des Gefährlichen die That auf Sem Fuße z» folge» pflegt. Sie klagte ihre Angst der Schwester, und diese, der Zimmeihandschuh, unternahm eS, für die Sicherheit des bedrohten Lebens der Josephine den Beistalid der Behörde anzurufen. Dies der Grnnd, weshalb Flora sich mit ihrer Anzeige meldete, ihre Wissenschaft vön dem Tode des Eommis mag ihr auch sonst wohl schwer auf der Seele gelegen haben. Dem Staatsanwalt habe» wir die Sache leicht gemacht; er darf nur die Anllag« erheben und darf die Gerichte nicht erst mit weitere» Ermittelunge» behelligen. Die ruhmredige Auseinandersetzung des PolizciassessorS über die Gesäugen nähme des Rentners Hünernest unter drückte bei den nächsten Gängen jedes andere abweichende Tischgespräch. Nu, Wolsgang war nicht recht bei der Sache. Seine Blicke ruhten unablässig aus sei ner Tischnachbariii, Fräulein Betty d'Jsraeli, nnd über seinem Gevlander mit dieser Freimdin vernachlässigte er sogar, was sonst nie von ihm geschehen, die Sorgsamkeit »nd Ausmerksainkeit aus die gehörige Ordnung nnd Bedie nung seiner Gäste. Erzählen Sie doch auch etwas näheres von dem Zimmethandschuh. Herr Asses sor, sagte der Rittmeister Latour. Frau Selma von Hüter wünscht jedenfalls noch eine genauere Beschreibung Ihres Zusammenseins »nd alles dessen, was .gesprochen und geschrieben wurde. Auch wir nehmen begreiflicherweise an allen fchöneii Verbrecherinnen besonder» An theil. Und schön war doch der Zimmet handschnh, nicht wahr, Herr Assessor? Selbstverständlich, bemerkte der Pro fessor von Lerbach wie hätte er sonst unsere liebenswürdige Frau Assessor so bedentlich aiisrcge» könne». Für ei» Furioso hat Fräulein Selma Verena nie besondere Anlage gezeigt, meinte der Professor Teillinger, aber das Larghetto gelang ihr besoi-.dcrS, ein Staccato hab' ich niemals vo» ihr ge hört. Der Assessor lachte. Meine Frau Ireibt gar keine Musik mehr, ich bilde sie jetzt zu meinem Seeretär heran, und da bei wird sie wohl bald genug einsehen, daß bei u»!ern Verhandlungen und Feststellungen daS Herz, ich sage auch das Gemüth und Gesülil aus dem Spiele bleiben muß. Diese paradoxe Behauptung rief all gemeinen Widerspruch, aus Seite» der Damen einen wahren Sturm der Ent rüstung hervor. Alfred, ich kenne dich nicht wieder, tönte SelmaS Stimme dazwischen. Er ist ein Heuchler, er verstellt sich, ich kenne sein Herz besser. Die Meinung der Mehrheit ist. rief der Prosessor Lerbach, daß jede gute und menschliche Handlung, selbst das über den Niedrigsten und Schlimmsten gefällte Urtheil, auS der Quelle geschöpft sein muß, aus welcher im Ansauge das ganze Gebilde des nienschliche» Körpers her vorging, aus dem Herzen! Wir kommen ans dem Gebiete des Thatsächlichen aus philosophische Unter scheidungen, wohin ich allerdings nicht zu folgen vermag, vertheidigte sich der As sessor von Hüter. Sie werden mir aber recht geben, daß der Stimme des Her zens allein gefolgt zu sein, in der Welt schon das größte Unheil angerichtet hat. Wir in unserer amtlichen Thätigkeit müssen nnS gewöhnen, nicht nach dein Gesühl, sondern nach dem strengen Buch staben des Gesetzes zn verfahren. OdysseuS ließ schob der Professor ein, als die Sirenen lockten, sich an den Mastbauin seines Schiffes festbinden. Sind Sie diesem Beispiele gefolgt, Herr vo» Hüter, sragte der Rittmeister Latour, als der Ziuimethaudschuh bei Ihnen eintrat? Wenn ich anch nicht OdysseuS bin, entgegnete der Gesragte, so weiß ich doch, daß die K lugheit die größte Vorsicht bei dem Verkehr mit Personen gebietet, ge der Flora Hagele war dies ebenso der Fall, liebe Selma. Dies war umso mehr geboten, als ihre Aussage «ich! blos den Drücker, dessen wir noch nicht habhast sind, betraf, fvndcri« auch eine andere sehr bedenkliche Persönlichkeit, gegen welche die Flora Hagele nur Schritt vor Schritt mit ihren Bezichti gungen hervortrat, da dieselbe in nahen Beziehungen z» ihr selbst stand. ES war daher ersorderlich, den Nachweis des Mangels jeder gewaltthätigenßefraguug sogleich zur Hand zu haben. DaS große Ergebniß dieser Befragung war denn des bereits erwähnten Rentners Hüner nest sowie eine Durchsuchung der Woh nung desselben, welche diebcdeiitsanistc» serte. zu der neben ihm sitzenden Dame, der Frau des Archttecturmalers Schirm. Dieser Mcnsch, der Assessor, ist unaus stehlich mit seine!! Criminalgeschichten. den kein Vorrecht darauf, meine Gnä digste von den« Schwirren der Sai ten aufs äußerste angegriffen waren. man sagt, das wäre sür Dame» nicht recht schicklich. Sie haben eS auch nicht mehr nöthig, voller Activität, weniger Baron Berns Gäste als Geschworene, die der Assessor anredet. Dame, ihren Fächer senkend, hinter des sen Schnvc die zuletzt gedachte, leise Zwiesprache stattgehabt hatte, au de» zuhöre»? Hünernest, sagte der Rittmeister är gerlich, ein seltener Name, der wie die wohl nur ersliudeii ist! Aenßerst scharssinnig bemerkt, wa-Z den Name» aabelangt, vemerkle der Assessor. Hünernest, Philipp Himer ncst, so wurde er sätschlich bezeichnet; er selbst nauntc sich so, sein wahrer Name aber ist Philipp Berg. Er stammt aus eiuer recht achtbaren Familie, die noch in der Residenz durch Aligchörige.welche vo» seiner Existenz nichts wußten, ver treten ist. Er ist ein Sohn des verstor benen GeheimralhS Berg, eiiieS ge schätzte» Beamten und verdienstvollen Patrioten. Schon vor vielen Jahren ist er seinen Ellern entlause». Ei» völlig verwahrloster, sittlich versunkener Mcusch, der Genosse jenes Frey, de, diese» erstach. In diesem Augenblicke ließ Wols gang, der deni Gespräche nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte, di« Champagncrschalen von neuem füllen Während er mit diesem Befehle sich an die Dienerschaft wendete, entging ihm, daß Doetor Richard Reinland bleich wie eine Leiche wurde und von dem Stuhle gesunken wäre, hätte er sich nicht inil beiden Händen noch au deni Sitz fefthal- eine Viertel Secunde. Reinland saßt« sich schnell wieder und stürzte ei» Glas voll des schweren Rheinweines herunter, der zu dem Rehziemer aus die Tasel ge setzt worden war. Wolsgang erhob sich, nnd an sein Glas schlagend, sprach er mit lauter Stimme. Viele Neuigkeiten grauser Art sind hier erzählt worden, geeignet, uiisern Wein zu trüben, geeignet, die von Gerold gespendeten Austern zu veranlassen, in ihre kaum ausgesperr ten Schalen sich wieder zu verber qen, die Hummer bis zu den Scheren erblassen zu machen. Es ist Pslicht des Symposiarchen, dem gitten Geschmack auszuhelfen durch erfreuliche, vielleicht nicht ganz »»erwartete, aber von Ihnen darum doch gewiß mit Freuden begrüßte Botschaft. Mancher von Ihren hat gefürchtet, ich würde ein Opfer der Hai- »nd Sägefische in der Südsee bei dem Abganz nach einer dort neu erworbenen deutschen Station werden. Es wird zu Ihrer Beruhigung ge reiche», daß ich »icht nur auf nieliie po litische Carriere, aus jede Anstellung im Staatsdienst, sondern auch auf jedes Vorrecht eines Junggesellen von heute ab verzichtet habe. Ich habe die Ehre, in Fränlein Betty d'Jsraeli Ihnen meine heißgeliebte Braui, die künftige Gefährtin meines Lebens, vorzustellen. Mein einziger Berus wird fortan sein, die Liebe der edlen und vornehmen Künstlerin zu lohnen. Stoßen Sie an: Das neue Brautpaar soll leben! Dem anfänglichen Schweigen des Staunens »nd der Ucberraschuug folgte »ach diesem Toaste, den Wolsgang, daS Glas in der einen Hand, die andere »in de» Nacken der Geliebten gelegt, ge sprachen hatte, ein nicht endenwollender Jubel. Alles sprang von den Stühlen und umringte das Brantpaar mit herz lichen und laute» Glückwünschen. Auch Toctor Reinland, langsam und schwankend, nahie sich init dein gestillten Glase. Ha! rief mit Heller, daS Gewühl durchdringender Stimme der Professor von Lerbach, ein begeisterter Verehrer der d'Jsraeli, der Barou Bern ist der glücklichste der Sterblichen! Auf ihm ruht fortan der ewige Glanz, der auS dem göttlichen Wesen unserer heiiiiischeu Kunst strahlt. Berühmt wie seine Gat tin wird unser Frennd schon dnrch daS Band der Ehe sein, selbst wenn die vie len eigenen Verdienste, die er um deutsche Musik, Malerei und Poesie hat, ihm nicht schon den Kranz de» Raumes aus die Stirn gedrückt hätten. Der Doetor Reinland senkte seinen Arm, dessen Hand den Champagnerkelch krampshast hielt. Berühmt berüch tigt! murmelte er vor sich hin. Schmerzlich empfand er den Gegensatz seines Schicksals zu dem des Freundes, indem er, seinen Glückwunsch zu stam meln, an die vor Entzücken strahlende Betty d'Jsraeli herantrat. Ein Glanz lag über dem zu ihrem Verlobten hin gewandte» Antlitz, der diesem letzteren einen nie geahnte» Ausdruck, ihren un regelmäßigen Zügen de» Schimmer von Hoheit und unaussprechlicher Seligkeit verlieh. Aus dem Angesicht Wolfs strahlte dieser Glanz zurück. Sie werden daS Glück meines Freun des Zeit seines Lebens sein, sagte er, mit ihr anstoßend, bewegt. Ihr Name, dem seinen zugesellt, ist reinste Harmo nie. Dann wandte er sich ab und verließ unbemerkt >i»d still de» Kreis der immer stürmischer sich gestaltende!! angeregtem Gesellschaft. ZwanzigsteS Capitel. Wenn der Zufall, oder sagen wir lieber die Vorsehung, der strafenden Gerechtigkeit nicht so häufig iu di« Hände arbeitete, so würde die Letzter« oftmals »in ihre beste» Erfolge gebracht. Die Mittheilungen, welche der Assessor von Hüter am BerlobungStage Wols gangs von Bern-Ergcstedl gemacht, lieferten dafür Beweis genug. Del Verrath des Zimmethandschuhs bracht« eine Reihe der schwersten Verbrechen an daS Tageslicht, sie hellte» das Tunkel. welches bisher über die Ermordung Dagobert Freys geruht, sie führten zu» Entdeckung der Thäter des LazarSki'- fchen Einbruchs und lieferten den Rentier Hünernest der irdischen Ver geltung auS. Daß der Name Hühncrnest. nnter welchem der sogenannte Rentner lang« Zeit unerkannt in dem Vororte gelebt hatte, ein angcnommener sei, wurde so gleich vermuthet. Nachforschungen, di« in Hamburg, wo Hühncrnest srüher sich ausgehalten, angestellt wurden, und di« Auskunst von London, welche das Aus wärtige Amt erzielte, führten zn dn Gewißheit, daß unter diesem Name» der vor viele» Jahren entwichene Sohn des Geheimraths Berg, jener Philip, der in seinem sechzehnten Lebensjahr« den Weg des Verbrechens betrat, sich vermummt gehalten hatte. Philipp Berg, in die Enge durch die schlagend sten Beweise getrieben, mußte dies selbst schließlich zugestehen. Er wurde seiuer Mutter, -r ,'uroe seiner Schwester vorgestellt. Die letz tere vermochte ihn, da sie bei seiner Entfernung noch ein kleines Kind war, nicht wieder zu erkennen, der Mutter aber war eS nicht möglich, ihn abzu leugnen. Eine Thränensluth entstürzte den Auge» der Fra» Ludovica. Sie warf sich auf ihre Kniee, umsaßie di« scinigeil. O Philipp, Philipp, rief sie, müssen wir uus so wiedersehen! Diese Wiedererkennnng wirkte aus Valesca und die Mutter sehr verschie den. Valesca cmpsand die Last einer neue» Schmach; diese Last drückte ihr« ' Gemüthsstimmung immer tiefer und befestigte sie in dem einmal gefaßte» Entschlüsse llmsoinehr, als das Zer würfnis; mit der Mutter durch de» Ge gensatz der Empfindungen noch klaffen der wurde. O, wäre er längst gestorben, hätt« das Meer doch den Unseligen im tief sten Schoße begraben, ehe er zu uns zu rückkehreu und das Andenken seines bra ven Vaters schänden koünte! So äußerte sie zu der Mutter auf dem Heimwege aus dem Gesängnisse. Die Mutier warj ihr einen zorneSsuukelnden, vernichte» den Blick zu. Dein Herz ist von Stein, rief sie. du hast es in jeder Lebens läge bewiesen, als du den Doetor Reinland und viele andere von dir stie Best, die das Glück deiner Mutter zu machen imstande waren. Mag Philipp auch schlecht sein, wer weiß, welche Wege ihn zum Abgrunde geleitet habe». Aber sein Herz ist nicht wie deines ich sah es au seinem Zittern, an der Thräne seines Auges, als er meine Verzweis lung bemerken mußte! Ja, ein Stein war das Herz Vales cas, aber ein Edelstein. Was nützl übertriebene mütterliche, blind« Zärtlichkeit, die so ost der Anlaß zum Verderben verzogener Kinder bietet, was nützt die Liebe in Fällen, wi ernste, strenge Zucht geboten war? Und vor dem Bösen, welches den ganzen Menschen uurettbar vergiftet hat, muß auch die liebevollste Theilnahme weichen, will sie zum Mitschuldigen des von Gott und Mi-nfchen verspottenden Frevlers sich nicht mache». ES gibt Thaten, entgeg nete ValeSea, welche die Bande des BluteS lösen! An demselben Tage, wo Frau Ludo vica und ValeXa diese Worte wechsel ten, erhielt der Assessor vo» Hüter einen neuen Beleg für die Behauptung, daß die Vorsehung sehr häufig das Richter amt der Vergeltung übt. Der Drücker, der fluchwürdige Genosse Philipps, war feit dem Morde Freys spnrloS ver schwlillden. Alle Nachforschungen nach ihm, die i» der letzten Zeit mit erneutem Eiser angestellt wurden, blieben frucht los. Au dem erwähnten Tage aber meldeten sich, von namenloser Angst ge trieben, Flora und Josephine Hagele abermals in de»« AmtSzimmcr. Ach, Herr Assessor, flehte» sie beide abwech selnd, retten Sie »ns, schützen Sie uns, erlassen Sie einen Hastbesehl gegen unS, sperren Sie uus in Moabit ein, in die sicherste Zelle. Er ist wieder hier, Drücker hat sich gezeigt. Josephine soll nm vier Uhr an der Flora im Thier garten sein. Er will sie sprechen. Hier ist ein Zettel, von seiner Hand geschrieben. Er schießt mich nieder, jammerte Josephine, ich weiß eS, ich kenne ihn, u»d ich möchte »och nicht ster ben. Hüter suchte die beiden Mädchen zu beruhigen. Alleiii vergeblich. Sie ken nen ihn nicht, wiederholten beide, aber wir kennen ihn. ES ist mein Tod! klagte Josephine. Und doch sagte der Assessor end lich Josephine muß seiner Aufforde rung Folge leisten. Sie müsse», schön stes Kind, zu der bestimmten Zeit im Thiergarten bei der Flora sein. Es soll Ihnen nichts g-schehen, ich versichere Sie. Verlassen Sie sich aus mich. Sie sollen dergestalt gesichert sein, daß Ihnen nicht ein Härchen gekrümmt werden kann. Er ist geknebelt, ehe er die Hand rührt. Allein die beiden Mädchen waren allen Vorstellungen unzugänglich. Ter Assessor war in einer gelinden Ver zweiflung. Ein Mittel, die Josephine Hagele zu zwingen, ans dein Floraplatze sich zu zeigen, gab eS nicht. Der Assessor mußte eiuen andern Plan entwerfen. Nun gut, fagte er endlich, wenn Sie z» feige find, die fünshuudert Mark zn ver dienen, die auf feine Ergreifung ausge setzt sind, so muß ein anderer gehen. Lassen Sie Hut, Schleier, Umhang »ni Soitiicnschirm hier, Josephine. Ich gebe Ihnen, da Sie sich fürchten, einen Schutzmann mit, der Sie begleite» und von Ihne» nicht weichen soll, bis wir den Drücker gefangen haben. Sie solle» sehen, Punkt vier Uhr Nachmittags ist ei in unserer Gewalt. Er klingelte und gab seine Befehle, die darauf hinausliefen, daß ein Poli zeibeamter, dessen Figur Aehnlichkeit »lit der Gestalt JosephinenS hatte, in Weiberkleidern, mit Hut, Schleier, Um hang und Sonnenschirm JosephinenS ailsgerüstet, den Verbrecher an dem be zeichneten Orte erwarten und wohl bewaffnet und von zahlreichen, ebenfalls verkleideten versteckt aufgestellte» Schutz leute» unterstützt, die Festnahme aus sühren sollte. Voller Erwartung wurde dieser Plan in'S Werk gesetzt. Allein die ausge sandten Beamten kehrten »ach Verlauf der ihnen bewilligten Zeit mit der Mel dung zurück, daß nichts verdächtiges sich habe blicken lassen. Drücker war viel leicht gewarnt oder die beiden Sckiwe- Mystisication geworden. Um Z Uhr Nachmittags schlenderte ein nachlässig gekleideter, wüst aus sehender Mensch auf dem Trottoir die Linden entlang nach dem Brandenbur ger Thore zu. Dem schwankende» Gange nach hielten die Personen, welche ihm begegneten, den Menschen für einen betrunkene» Matrose». Damit stimmte Er schlenkerte die langen Arme und spie auf das Pflaster. Er wich keinem der ihm Begegnenden aus und holte, in der Mitte der Straße stehen bleibend, ein? Eigarre nnd Streichhölzchen aus der Westentasche hervor. Er zündete die Eigarre an, nachdem er das Streichhölz chen an seine» Beinkleider» angestriche» hatte. Das noch brennende Hölzchen warf er einer vornehmen Dame, die ihm Der kräftige Griff eines Schutzman nes, welcher den frechen Menschen be obachtet hatte, schleuderte ihn herum. Marsch, fort mit dir! herrschte der Be amte dein am Kragen Ergriffenen zu. In diesem Augenblick zog der Letztere einen Revolver. Der Faustschlag eines zweiten Schutzmannes schlug die Waffe nieder. Aha! So meinst du es —sagte der ersterwähnte Beamte. Das ist kein gewöhnlicher Strolch. Halte» »vir ihn fest. Ei» kurzer Widerstand war bald überwunden, und ohne großes Aufsehe» wurde der fremde Mensch in einer her beibeordertcn Droschke fortgeführt. daß man es mit keinem gewöhnlichen Landstreicher zu thun habe, bestätigte sich. Aus dem Wege nach dem Flora platze war Drücker—der lange Zeit ver geblich gesuchte Verbrecher, a»S einem nicht ebc» im Straßenverkehr aiißcrge wohnlichen, geringen Anlasse der Obrig keit in die Hände gefallen, und es er klärte sich, weshalb er bei dem geplanten Stelldichein an der Flora im Thiergar ten nicht erscheinen konnte. Mit Drückers Festnahme war der letzte Anstoß beseitigt, welcher der Er hebung de? AnNage gegen seine Genos sen, unter denen Philipp Hühnernest besonders sich auSzeuhnete, noch entge gengestanden hatte. ! Der Proceß gegen Hühnernest reizte die Neugier des auf Verbrechen lüster nen Publikums uinsomehr, als verlau henen Beamteusamilie stammle »nd der Bruder der bekannten blonden Vally fei. An dem Tage, an welchem ValeSea ?erg die Voriadung zu einer Zeilge»- ilbfchied vo» der Mutter die gemein schaftliche Wohnung. ValeSea hatte ihre kleinen Schmuck sachen, Brache und Ringe, sämmtlich heute abgelegt. In dem Beikästchen oer Commode befanden sich einige Tha !os hinnahm. Tann ging sie. Die Mutter sragte nicht einmal, wohin? Einundzwanzig st esKapitel. ES wird spät; wohin nur ValeSea gegangen sein mag? sragte Frau L»do konniicn. Während ihre Mutter auf diese Weise ihre Besorgnis; um das längere Ausbleiben der Tochter zu beschwichti gen versuchte und soeben die Lampe an gezündet hatte, wurden hastige Schritte auf der Treppe hörbar. Dann erklang die Schelle lauter als sonst. Gleich darauf trat ei» unerwarteter Besuch in das Zimmer der Geheim räthin. Willkommen uud herzlich gegrüßt, liebe Ludoviea, rief i» freudiger Erre gung eintretend der Doetor Heinrich Gemkenthal. Er ulnarmte und küßte die Geheimräthin. Du, Heinrich? Welch ei» Wunder! Wie lange hast Du Dich nicht blicke» lassen. Aber es ist Dir in der Zwi schenzeit, wo wir unS nicht sahen, gn! ergangen. Du siehst so frisch, jugend lich und unternehmend aus! Wir glaub ten, Du hättest nnS vergessen. Die frische Seeluft, die mich ange weht, mag mir wohl gethan haben »nd mir Farbe verleihen. Wie bin ich froh, glücklich wieder angelangt z» sein. Du warst verreist und lange Zeit, Wochen- und monatelang? Tu fragst das nimmt mich Wim der. Ist denn mein Brief aus New Uork nicht bei Esch angelangt? Ein Brief —in der That, nein! Und auS New Aork? Du hast nicht ben. Scherz? Ich verstehe dich nicht. Sollte der Brief verlöre» gegangen fein? Er enthielt eine kleine Summe Geldes. Doch das nebenbei. Dil weißt Einrichtung eines überseeischen Zweig geschäfts. Mein erster Cominis hat dort ein Verlags-Comptoir eröffnet, verbunden mit einer dentschen Lesehalle. aus meine Theilnahme uud meine Mittel. Ich mußte seinem Wunsch entsprechend selbst hinüberkommcn. Ich reiste, ohne Verlin zu berühren, unmittelbar von Stuttgart, wo ich ebenfalls Geschäfte hatte, über Havre. Eine angestrengte, ungewohnte Thätigkeit. Ich habe einige Wochen dafür büßen müssen, die ich krank, dem Tode nahe, in New Aork verbrachte Gott hat geholfen. Nun bin ich wieder gestählt und srene mich der wiedergewonnenen Heimath und meiner Lieben. Erst heute angekom men, ist mein erster Weg z» euch. Er sah sich in dem Gemache nm, wie Miene das Gepräge der Traurigkeit an. Ach, sagte er, ich vergaß. Ich dachte, es wäre noch wie ehedem. Doch ich sinde unsere liebe, süße ValeSea nicht mehr hier. Sie ist gewiß inzwischen dem Gatten gefolgt uud die glückliche kleine Frau des Doetor Reinland. Frau Ludovica seufzte und ver stummte. Du ängstigst mich. Ist Balesca nicht glücklich? Ach, lieber Heinrich, du hast doch ge wiß erfahre», daß Doetor Reinland sie stockte. Nun, Neinland? Aus der Partie ist nichts geworden. Reinland hat gebrochen und die Ge schenke zurückgeschickt. Diese Nachricht, welche Ludovica um ständlich und unter Thränen wieder holte, machte auf Gemkenthal keines wegs den niederschlagenden Eindruck, welchen Ludovica erwartet hatte. Nu» tröste dich, das ist kein Unglück, meinte Gemkenthal, vielleicht sind dem lieben Kinde viele Kümmernisse erspart. Sie wird dich nicht haben verlassen wolle». Sicherlich ist die Auflösung des Ver hältnisses durch sie selbst gewünscht worden. Ei, dn böser Mensch! Wenn es nach dem Kopse eines alten Junggesellen ginge, so käme kein Mädchen unter die Haube. Doch Ivo ist Balesca? warum läßt sie sich nicht sehen? Sie ist seit heute früh von Hause fort. Ach, lieber Heinrich, wir haben recht viele Schicksale gehabt, seitdem du dich von uns fern hieltest. Setze Dich nur. ValeSea bleibt länger als ge wöhnlich aus. Wüßte sie, daß du hier wärest, wie würde sie sich beeilen. Nimm einstweilen eine Tasse Thee an. Wir haben nichts besseres zu bieten. Doch halt! Vielleicht ein Glas Wein. Es war für einen andern bestimmt, der :S nicht annehmen durfte. Gemkenthal war unruhig. Ich möchte Misere ValeSea so gern wiedersehen, sagte er. Sie bleibt auffallend lange »US. Ja! Sie ist auch in der letzten Zeit recht mißmuthig gewesen. ES hat vielerlei Unannehmlichkeiten gegeben. Setze dich nur, ich kann nicht sehen, daß du länger stehst. Ich will dir alles er zählen. Denke Dir: Philipp, mein armer Philipp ist wieder zum Vorschein gekommen. Zum Vorschein, sagst du. Wo ist er? Nicht bei dir du weinst? Ach, Heinrich, keine Freude wird uns ungetrübt zutheil. Man bcschuldct den Philipp schwerer Vergehungen. Ge wiß. zum größten Theil mir Unrecht. Er ist —er ist im Gefängniß. Gemkenthal lehnte sich erschrocken in dem Armsessel zurück, auf dem er Platz genommen hatte, und hörte mit krampf haft gefaltete» Händen die weitere Er zählung der Geheimräthin über die Ge fangennahme Philipps, über die An klage seiner Genossen und dessen, was Philipp selbst verschuldet haben sollte, an. Mein Gott! sagte er, ich habe von Philipp Hünernest, von dem getödtete» Frey und seinem Mörder so vielerlei in den Zeitungen gelesen. Es ist entsetzlich, und dieser Name Hüner»est ist ein angc nommener, hinter dein dein Sohn Phi lipp sich verbarg? O. wäre der Unselige doch nie wieder zum Vorschein gekommen und hätte in dem Weltmeer, das ihn ge tragen, sein wohlverdientes kaltes Grab gesunden! Die Geheimräthin starrte ihn an. Du und ValeSea, ries sie leidenschastlich, seid einerlei Meinung. ValeSea hat mich durch dieselben Worte gekränkt. Edle Seelen sittden einander. Es gelang der gütige» Zuspräche GcmkenthalS, ihre» Zorn zu besänsti gen. Wohl, ich begreife, schloß er, daß das Herz einer Mutter, iurmerhin noch eine kleine Entschuldigung findet. Philipp, armer Philipp, schluchzte Ludovica. DaS böse Wort Valescas über dich ist wie ein zweischneidiges Schwert zwischen Tochter und Mutter gcsahre». ValeSea und ich haben seit dem nicht mehr friedlich miteinander ge lebt. DaS darf nicht sein, darf nicht fei», zwischen Mutter und Tochter, äußerte Gemckeuthal, den diese Aeußerung Lu dovicas offenbar besorglich machte. Va lesca, unser liebes Kind, hat sicherlich Dich nicht kränken wollen. Und sie ist in Unmuth von Dir geschieden? Es ist spät. Wann ging sie fort? Eine wachsende Unruhe machte sich bei Gemkenthal, als er so sragte, be merllich. Er sprang auf und maß mit hastigen Schritte» das Ammer. Ich habe sie heranwachsen sehen, diese zarte, bescheidene Menschenblüthe. Als Kind trug und schaukelte sie m-un Arm. Nie mals, »ei», niemals hab' ich eine Re gung von Haß, von verhaltener Bitter keit a» ihr bemerkt. Si« liebte die Wabrheit, die Tugend, als sie sich lieb licher als alle ihre Gespiele» entfaltete. Mit treuer Sorge opfert'- sie ihren nächtliche» Schlas der fleißige» Arbeit sür den Unterhalt der Mutter. DaS Leid, welches böse Mensch?» über sie brachte», trug sie mit Sanftmuth und ohn: Haß. ' Er hielt plötzlich nach diese» Worten inne uud blieb vor der auch ihrerseits nachdenklich gewordenen Lndovica ste hen. Wann verließ sie Dich? sragte er mit schariem Tone, in welchem Anlaß, und ist sie jemals so lauge als heute ser» von Dir gebliebe»? Seit heute Vormittag. Sie ging nicht in, Zorn. Sie nahm zärtlichen Abschied vo» mir. Sie ließ mir den Schlüssel zn ihren kleinen Ersparnissen zurück, wen» ich von denselben in ihrer Abwesenheit etwa Gebrauch mache» müßte meinte sie. Gemkenthal sah nach der Uhr. Die nennte Stunde! Ries er. Und D» bist unbesorgt? O, »»ich überfällt Angst, wenn ich das, ivas Du gesagt, näher be denke. Gewiß, eS ist ihr ein Unglück widerfahre». Sollte sie wie Philipp un-Z verlassen haben? Gemken'hal schüttcltcheftig den Kopf. Nenne, ich bitte Dich, die beiden Uinder nicht nebe» einander. Wo ist der Com invdenfchlüsjcl? Hier! Gemkenthal nahm hastig den darge reichten Schlüssel und öffnete daZ tloni modcnfach. Ihre Ringe, ihre Brosche, die sie täglich trug ich kenne sie! lies er zurücksahreud und erbleichend. Und da ein nicht versiegelter Bries an mich. An meine Mutter! Daneben eine Ladung des Crlminal gerichtS als Zeugin! rief Ge»ikc»lhal >!» d entriß niit zitternder Hand de» Um schlag des Brieses der Geheimräthin. Er überslog den Inhalt. Sein Athem keuchte als er las: „Ich weiß, daß ich Dich ostmals gekränkt habe, liebe Mut ter, daß ich ost Deinen Willen entgegen war. Ich bitte Dich in dieser Abschieds stunde recht herzlich um Vergebung. Gedenke meiner, wenn Tu diese Zeilen liest, und ich nicht mehr an Deiner Seite weile, in aller Liebe. Alle Menschen wenden sich von der blonden Bally, der Schwester Phillipp Hünernests, mit Spott und Verachtung ab. Ich weiß, daß ich durch meinen Rns den Toctor Reinland ebenfalls unglücklich gemacht habe - ich war bereit Deinetwegen seinem Wunsche Folge zu geben; er hat die Hand der berüchtigten blonden Vally zurückgestoßen, die sie »ach ihm ausstreckte. Ach, selbst Heinrich Gein kentbal hat »ns verlassen, wie ich glaube au» demselben Grunde. (Fortsetzung folgt.) Mißverständnis Ver theidiger (bei seinem Elienten im Ge fängniß >: Ja, ich würde Sie schon leicht vom Diebstahl losbrnize», würden nicht die Judicien noch an Sie zum Verrä ther. Dieb: Hm, hätt' ich das ahnen können, so hätte ich gleich die Jndicicn initgcstohlen. Verrannt. Hauptmann (zum Feldwebel): Hören Sie, Feldwebel Schwarz, schon wieder ist ein Manu über den Zapfenstreich ausgeblieben; hatten Sie es ihm vielleicht erlaubt? Feldwebel: Nein! Ich werde doch nicht so dumm sein, ich bin ja kein Compag nie Ebef. 3 Tie Ketsterhanv. Unlängst ereignete sich in der FamM» des Geheimen Kommerzienraths L. ein Vorfall so lese» wir im Berliner „Kleine» Journal", welcher noch ein mal die in den letzten Wochen abgehan delte spiritualistische Gespenstersurchl wachzurufen bestimmt war, und den wir deshalb zu Nutz und Frommen uusere» Leser hier mittlieilen. Fritz, der drei zehnjährige Sohn des Geheimraths, ein frühreifer, begabter Junge, der es nicht unterließ, mit Aufmerksamkeit die lokalen Spalten der Tageszeitiiugen zu studiren, hatte naturgemäß jenen erschütternden und unheimlichen Borgängen in den Mädchenschulen sein höchstes Interesse zugewendet. Er hatte, der Sohn eines klar dtlikenden Vaters, in dessen Fa milie jene Vorfälle als Unfug gebrand markt wurden, sehr eingehend über di« Entstehttngsgründe der an den Schul tafeln sichtbaren Gcistcrschriste» nachge dacht und seine Ansichten mit gleichge stimmte» Kamerade» ausget.iilscht. Ob wohl diese jugendliche, von dem hoff nungsvollen Fritz geleitete Kritik, weit entfernt davon, an überirdische Ursachen zu glauben, sich durchaus aus realisti schem Bode» bewegte, so lamcn dennoch eines schönen Tages in dem Hause des Kommerzienraths selbst Dinge zum Vor schein, die sich nicht erklären ließen, unt die so merkwürdig und gespensterhaft aussahen, daß sie die Familie in nicht geringe Ausrezung versetzten. Ueberall nämlich, wo irgend ein dunkler Unter grund sich darbot, zeigte» sich weiße, offenbar mit einer kreideartigen Mass« hergestellte Todtcnköpse. Auf de» Sammetmöbeln, ausden Ta peten, aus den Platten der Holztische, an Wänden, kurz an allen mögliche» und unmöglichen Orten waren du entsetzlichen Zeichnungen sichtbar. Und das Wunderbare bei der Sache war, dag diese Zeichnungen »icht mit markirte» Strichen auf der Fläche erschienen, wie sie ein menschliches Wesen denn doch ohne Zweifel angefertigt haben würde, sonder» mit halb verwischte», schatten artige» Konturen, deren Wesen aus et was Seltenes und Unbegreifliches hin deutete. Die Gemüther der Haushal tung wurden allmählich in eine begreif liche Erregung versetzt. Das „seiuer« Stubenmädchen" bekam Weinkrämpfe die Köchin versalzte alle Suppen, di, F-au Geheimrath wurde nervös, de» Gemahl schwor dem niieiitdeckten Urhe ber dieser Allotria fürchterliche Räch« und Fritz stellte in Gegenwart seine» Eltern ii»d Dienstpersonals in jugend lichem Eiser Untersuchungen an, ohne dem Thäter auf die Sp»r zu kom men. Jüngst nun kam i» Folge eines erneuten GeisterangrifsS Licht i>, die Finsterniß. Die Frau Geheimratl, war gegen Abend im Begriff ins Theater zu fahren. Sie hatte bereits ihre Toilette been det nnd begab sich in'S Familiclizimiiier. um ihrem Fritz, der dort feine Schul arbeiten anfertigte, Adieu zu sagen. Die Dame legte ihren schwarzgegruude teii Fächer aus den Tisch und trat dann, sich die Handschuhe abstreifend, einen Augenblick aus Fenster, u:» »ach dem Wetter zu schauen. Als sie sich um. wandte, wünschte sie ihrem Jungen Le bewohl, nahm de» Fächer und ging zur Thür tunaus. Dreiviertel Stunde!» später wurde daS Haus des Geheimraths durch eine Schreckensbotschast alarmirt. Die gnädige Fra» war im Theater ohn mächtig geworden nud kehrte in sehr angegriffenem Zustande zurück. Alz sie in der Loge ihren Fächer entfaltete, hatte ihr von dem schwarze» Grund« desselben ein weißer Todtenkops entge gengegrinst. Der Geheimrath wa, ailßcr sich. Dia» schickte nach deni Hausarzt, dem in der PotSdamcrstraßi wohnhasten SanitätSrath Dr. A. Die ser verschrieb zunächst für die leidend, Dame ei» beruhigendes Mittel uud ließ sich dann den Fall vortragen. Schließ lich bat der erfahrene Medieiner de» Geheiineath um die Erlaubniß, die Sache rücksichtslos untersuchen zu dürfen, wo bei er mit einem scharfen Blick den an wesenden Fritz streute. Herr L. er theilte mit Freuden seine Genehmigung. Aber zn seiuem größte» Erstaunen sah er, wie der alte Arzt ans Moufieur Fritz zuschritt, ihn ohne Weiteres an der lin ken Hand packte und dieselbe so drehte, daß die Jnneiisläche nach anßen kam. Hier zeigte sich die einfache Lösung des Räthsel-?. Ans der Handfläche Wa re» »och deutlich von Kreidestrichen Spure» sichtbar, welche die Form eines TodtenkopseS trugen. Ter erfindungs reiche Junge pflegte also den gespeuster hasten Schädel mit dicken Strichen iu seine Linke zu zeichnen und brauchte die selbe dann nur aus beliebiger Fläche lose aufzulegen, nm eine» oder mehrere jener Abdrücke z» erhalten, deren schattenhaf tes, verwischtes Aussehen sich nuu von selbst erklärte. Nachdem Fritz unter Thränen seine Geständnisse gemach» hatte, da Leugne» zwecklos gewesen wäre, ereilte ihn die Nemesis. De, Papa, weit entfernt davon, den inil derilde» Umstand anjncrkcnnen, daß sei» Hoffnung-volles Söhnchen sich die Zeit ströiuungcn so gut zu Nutze zu mache» verstand, faßte die Sache vom rein er ziehlichen Standpunkte anf uud ertheil!» seinem Stammhalter mit dem Rohr stöckchen eine empfindliche Leetion, zuerst aus die sünhaste Geisterhand »nd dann auf jenen Körpertheil, der durch die Erlasse der wohllöblichen SÄuldeputa tiou betreffs pädagogischer Strase zum ausschließliche» Empfang von Schlägen fanktionirt erscheint. Boshafte Antwort. Dok tor: Man muß, wenn mau krank wird» nie den Kopf verlieren. Was würden Sie also, wenn Sie eine Kraiillieit de fi?le, inzwischen machen, ehe ich käme? Herr: Mein Testament, Herr Doktor. Wenn man die Gesichter der Menschen bei einem Leichenzuge beobach tet, so machen die »leiste» den Eindruck, als wenn an sie niemals die Neil)« käme.