valesca. (S. Fortsetzung. Ein mehrwöchentlicher Ausentlalt in frischer Gebirgslnst. äußerte Doctor Reinland. wird die völlige Herstellung bewirken. Er muß und soll der Schluß unserer Kur sein. Valesca widersprach nicht, aber sie senkte den Kopf. ES wird auch wohl ohue solchen kost spieligen Auseuthalt alles wieder in Ordnung kommen, meinte die Mutter. Wir werden recht fleißig im Thiergarten morgens nnd abends spazieren gehen. Die Lust ist hier genau so wohlthuend, wie in dem Gebirgswalde. Reiiiwcild lächelte. Ich habe diese Nacht eine» seltsamen Tram» gehabt, erwähnte er nach einer Weile des Schweigens, und rückte seinen Stuhl von Balesca fort nnd näher zu der Mutter. Dcukcn Sie, Frau Geheimrä thin, mir träumte von einer Losnummer in der Marienburger Lotterie. Ich habe die Zahle» deutlich gesehen nnd dieselben mir noch in dcr Nacht »otirt. Das selt samste war, diese Nummer stand mitten aus ciuem Granitfelsen, der in einem dichten Tanncnwalde zwischen den riesi gen Baumstämmcn sich erhob. Ein alter Mann mit langem, spitzem, weißem Bart, iu einen wallendcn Talar geklei det, zeigte mit einem goldenen Stabe ans diesen Granitblock, richtete die großen feurigen Eulcuaugen auf mich und sprach: Hier ist Heil und Glück. Das alles war so lebhast, die Stimme so deutlich, daß ich lange Zeit de» Eindruck behielt und mich stundenlang vergeblich bemühte, wieder einzuschlafen. Was meinen Sv dazu? Träume sind Schäume! Nicht immer, entgegnete Richard nachdenklich, indem er prüsend seine Au gen zu Balesca wauderu ließ und vor dem von ihm geäußerte», seiner eigene» Ueberzeugung znwidcrlauscnden Wider spruche erröthetc. Jndcsscü sei dem. wic ihm wolle, Fräulein Berg muß mir eiue Bitte erfüllen. Gern! Ich bitte nm eine» Thaler. O, wie seltsam! Für ineine ärztlichen Bemühungen das Honorar, sagte Doctor Rciulaud schcrzcnd. Ich bin zudringlich, iiiei» licbcs Frättlciu, schwöre aber, daß ich niemals ein anderes weder beanspruchen »och annehmen werde. Der Thaler wird die Bekanntschast eines zweiten ans mei ner Tasche machen und für beide besorge ich die LoSnnnimer dcr Maricnbnrger Lottcric. ES wird sich zeigen, ob wir Bcidc Glück haben wir spiele» auf gemeiuschastliche Rechnung. Valesca schloß ihren Schreibtisch auf und reichte das geforderte Geld dem Arzte. O, wen» wir Glück hätten! sagte sie, die Hände saltend. Wir gewinnen soviel, behauptete der Arzt treuherzig und bestimmt, daß Sic zu geeigneter Zeit Berlin verlassen und mit dcr Mutter im Gebirge, an einem Ort, den ich noch näher bezeichne» werde, sich erfrischen können. Und nun, liaben Sie Dank —und reichen Sie mir »och einmal ihr Händchen, damit ich Er hielt ihre weiße, schmale Hand in beobachtete. Vortrefflich, sagte er, die Uhr weg steckcnd und die Haud Valescas noch festhaltend, dcr Mcistcr Puls benimmt sich sehr verständig, ich muß ihm dankbar sein. Er zog ihre Hand an seine Lip pen und küßte sie. Valesca sprang ans und entzog ihm die Hand hastig. Es War das erste Mal, daß Doctor Reinland sich vergaß und ihren Unwillen rege machte. Er mochte dies selbst sühlcn. Er nahm Hut uud Stock und entfernte sich eiliger, als cZ fönst seine Gewohnheit war. Zehntes Capitel. Noch vor dem Verfalltag des bei Wolf von Bern aufgenommenen Dar lchns ersuchte der betreßte Diener die ses Freundes den Herrn Doctor Rein land, doch schleunigst zu seinem Herrn zu kommen. Reinland, dcm diese Be stellung bei der Rückkunft von einem Geschäftsgänge ausgerichtet wurde, war überrascht, weil er glaubte, daß Wolf Anlaß habe, das ihm gewährte Darlehn schon früher als versprochen zurückzu ziehen. Erfand indeß, als er die in altdciitschci» Geschmack eingerichtete Stadtwohnllilg des Freundes betrat, daß dicscr seine ärztliche Kunst in An spruch zu nehmen hatte. Verwünscht! rief ihn« Wolf, ohne sich vou dem Divan zu erheben, entgegen; ich kann nicht an'treten, dich zu empfan gen. Sctz dich nimm eine» Stuhl. Seit zwci Nächten keinen Schlaf. Ein Steckic>l nud Brennen im rechten Fuß ich denke, ich habe ihn bcim Absprin gen vom Pferde verstaucht. Ich muß übcrniorgcu bci dcm Prinzen Nanmar choS zn Tische sein. Die ganze hohe Diplomatie ist dort versammelt, Prin zen, Fürstlichkeiten, Minister. Du mußt mich bis dahin herstellen, wenig stens insoweit, daß ich bequeme.Fußbe kleidung trage» kann. Laß sehen! Doctor Reinland zog dcn gestickten Pantoffel von dem Fnße des FrenndeS und betastete die durch Röthe und Glanz erkennbare Geschwulst. A»! Verdammt, dort—wcg mit dcr Haud! rief Wolf, als Richard Reinland die Spitze des Fußes leicht berührte. Der Doctor lächelte. Keiu Bruch, keine Verftanchung. Das kommt auch nicht vom Abspringen. Man braucht kein Reiter zn sein, um eine» Podagra- Ansall zu erleiden. Mensch —ich bei meinem soliden Le> ben! Die anSgesuchtestcu Weine, die besten Leckerbissen nichts Gemeines kommt über meine Zunge. Edles Wild, reiner Sect wie können sie das Po- dagra erzeuge», bei einem Manne, der nicht viel älter ist als Du? Hast Du jemals daran gelitten? Nein, fürwahr! Vielleicht ans entge gengesetzten Gründen. Doch bis über morgen ? Ja. Man hat vor. mich als Gou verneur nach einer Station im Bismarck- Archipel z» entsende». DaS wird sich übermorgen bei dem Prinzen Nanmar choS entscheiden die erste vornehme Da ist es besser, D» bleibst dem Di ner sern, und ich werde mich hüte». Dir zum Anziehen Deiner Stiesel behilflich zu sein. Himmel und Hölle, rief Wolf, sich mit dem Oberkörper steilrecht auf setzend, ich hatte schon vor Dir den Pro zessor Grab eonsultirt uud dcr sprach, aus acht Woche» Stillliegen müßt' ich gesatzt sein, es sei eine Sehnenzerrung. Du meinst, es sei nur Podagra, uud Du weigerst Dich —ja, weigerst Dich, mir zu Helsen? Ich bin kein Geograph aber nach dcm Archipel in der Südsee —du? Du kennst wohl dic Gcsährlichkcit des Kli mas, die Uugastlichkeit des Koralleu bodeus, die Elcndizkcit des Menschen schlags, der dort wohnt, nicht? Wer in deiner Lage ist, darf, wenn die Pflicht es nicht gebietet, nach solchem Reiz nicht streben. Wols, verwöhnter Frennd, du würdest aus Samoa, Serratongo, in Finschhasen oder sonstwo dein Grab finden nnd nie lebendig nach Europa zurückkehren. Wolfgang machte große Augen und starrte de» Freund wegen seiner Aus richtigkeit an. Sticht lebendig zurück das wäre ei» Spaß! Indeß, ich setze dich vor dcr Abreise zu meinem Erben ein. Ich scherze nicht nnd lehne deine Erb schaft gern ab, wenn ich dich dem Leben zn erhalten weiß. Deine Körperconsti tntion ist den Ansordernngen jener Zone nicht gewachsen. Wols wurde nachdenklich. Nun gut, sagte er nach emer Weile, ob ich leben will odcr uicht. ist meine eigene Ange legenheit. Kannst du mich bis üver niorgcn so weit wieder herstellen, daß ich der Einladung solgcn kann? Ich kau» es, erwiderte Reinland nach kurzem Besinnen, abcr ich will nicht. Willst nicht? Dn bist ein Tyrann wie alle dcinc Eollegcn. Willst nicht, auch wenn ich verspreche, dic mir zugedachte Mission auSzuschlagcu? Auch dann weil die Einreibung, die ich anwenden müßte, anderweite üble Folgen nach sich ziehen könnte. Indeß acht Wochen, wie Prosessor Dr. Grab prognosticirte, will ich dich nicht festhalten. In einer Woche höchstens kannst Dn anSsahre», anSreiten, ausge hen. Die Schmerzen aber solle» vo» Stlliid an aushörcn, dn sollst nachts über schlasen das versprcch' ich. Wolf war, wie von Schmerze» ge plagte Kranke zu sei» Pflegen, sehr uu liebeuswürdig über diese Eröffnung, was indes Reinland nnbeinerkt ließ. Sein Frennd mnßte sich bequemen, von dcr prinzlichen Einladung keine» Ge brauch zu machen. Statt seiner wurde Baron Sindbad in's Ausland geschickt. Indes schon acht Tage später trafen Reinland und Wolsgang von Bern, der letztere vollständig wieder hergestellt und in heiterster Stimmung, unter dcn Lin den zusammen. Es war cin köstlicher Tag nnd die sonst staubige Baiimallce prangte nach der verwichenen Regen nacht im frischesten Blätterschmuck. Sieh da glückliches Ungefähr znnl zweiten Male hente! rief Wolf dcm Doctor schon von Weitem entgegen. Ich wollte dich soeben in deinck Hausapo theke aussuche» und Dir meinen Dank wegen der an mir vollzogenen Wunder cur abstatten. Richard machte eine abwehrende Be wegung. Der Dank ist auf meiner Seite. Deine Empfehlung beginnt Wunder zu wirke». Ich erfreue mich dcr lebhafteste» geschäftliche» Thätig keit. Ei, du Heidenkind, und bast doch Zeit genug, um junge Damen spazieren zu sahreu. Wer ivar die Schöne, mit wel cher dn heute Morgen nach dem Anhalt schen Bahnhos stolzirtest? Eine Patientin, entgegnete Reinlaiid kurz abgebrochen. Aach eine Wiederhergestellte? Ri chard, ich warne dich. Ein verschleier tes Bild von Sais. Aber doch, hinter dem Schleier steckt etwas. Die schlanke, biegsame Gestalt wenigstens, die ich nnr sehe» konnte, läßt dies annehmen. Die ältere Dame, dic neben ihr im Fond saß kam mir cinigcrmaßcn bekannt vor. Ich sah, d» machtest cisrig dic Cour! Richard wurde unruhig. ES ist die Tochter ciueS aiigcscheiien Beamten. Ich habe sic in's Hjad geschickt und nlnßtr ihr, da ich, wie erwähnt, mit der Zeit pressirt bi», unterwegs im Wagen vor dcr Abreise, die nöthigen Verhal tungsmaßregeln geben. Welches Bad besucht dic Dame? forschte Wolf, der znni Necken bcfvndcrs aufgelegt schien, oder a»ch an dem jnn lich neugierig war, die geheimen Be kanntschaften des Freundes anSzukuud schafleu. Er bemerkte nicht, daß Rein zog. Kein Bad Altena» im Harz. Doch waS fragst d» danach? Dn bist sehr rosiger Laune heute. Doctor Rciulaud, dessen Praxis seit kurzer Zeit iu dcr That, wie er jagte, Gut, sagte Wols, du hast bis 0 Uhr Urlaub, deine TvdeZurtheile und Lei chenpässe auszustellen. Puukt st in der That ein« wahre Priestern« der Kunst, Dn wirst noch heute ebenso von Schwärmerei hin gerissen sei» wie ich selbst. Eine Nachtigal, und ebenso häßlich. Sie färbt ihre Augenbrane» und Wangen nicht, sie pudert ihr schönes Haar nicht. Man vergißt, daß sie nicht schön ist. wenn sie spricht. Singt sie, so ist das Seele, Herz und Gemüth. Sie scheut sich nicht, bei dir zu spei seu? Warum auch? Es ist nicht gefähr lich. Wir haben nnS aufrichtige Freund schaft gelobt, kensch nnd rein. Sic meint, sie wäre zu alt für mich. Also dn kommst bestimmt. Ich muß den Spötter bekehren. Wolsgang sprach diese Worte mit dem Ausdruck ehrlicher Ansrichtigkeit. Er schüttelte dem Freunde derb die Hand, hörte dessen Antwort nicht und entfernte sich, eine Opernmeladic pfeifend, in der Richtung nach dem Opernhause zu. Elftes Capitel. Au der Mittagstafel zu Altenau war nne zahlreiche Gcscllschist versammelt, so daß der niedrige Speisesaal nnd die daran gebaute luftige Berauda bis auf den letzten Platz besetzt wäre». Die Gäste, zum Theil in Privatwohnnngcn eingcmicthct, zum Theil im Gasthofe selbst wohnend, waren meist Nord deutsche aus Hannover, Lübeck, Bremen. Aber auch Touristen, von Andreasberg, von Grund oder Lanterberg zugewan dert, belebten den Raum. Diakonissin nen ans Berlin und Halle, welche auf vier bis sechs Wochen von den AnstaltS obern hierher zur Erholung gesandt und bei den Förstern unmittelbar am Walde einquartiert waren, nahmen in ihrer kleidsamen schwarzweißen Tracht an der Tafel theil. Das Essen war schmack haft, die Eßliist durch die frische Lnsl und die Waldspaziergänge geschärft, die Unterhaltung lebhast. Zwischen dem ersten nnd zweiten Gange vertheilte der stattliche, wohlgenährte Oberkellner Zei tungen uud Briese, die der Postbote soe ben abgegeben hatte. O, es ist himmlisch schön hier, wandte sich eine Lübecker ältere Dame zn ihrer Nachbarin. Schon unser Geibel sagte mir dies. Die Wege so eben, so begnem, die vielen Ruhebänke so willkommen. Etwas sehr ländlich, meinte die Frau Geheiuiräthiu Berg, die mit ihrer Tochter vor acht Tagen angekommen und in dem Gasthausc einlogirt war aber der Mittagstisch wie in dem besten Restaurant unter den Linden. Die vielen Kühe sind nicht angenehm, sagte ein Herr ihnen gegenüber, der Schmutz auf den uugepflasterten Wegen ist lästig. Aber die Luft die Lust hier! warf die Dame aus Lübeck ein. Die Lungen gehen auf Sammt. Bon den Dämpfen der bcuackbartcu Silberhütte im Oker thal dringt kein Atom in unser Berg thal hinein; es ist, als wäre ein Riegel vorgeschoben. Wahr, sehr wahr! bestätigten Meh rere. Waren Sie schon auf dem Brocken? fragte ein junger Forstcandidat in moos grüner Uniform, welcher Fräulein Va lesca Berg schräg gegenüber saß und kein Auge vou ihr verwandte. Nein, das Wetter war noch nicht klar genng, erwiderte Balesca, die ungemein srisch und fröhlich aussah, wir haben bis jetzt »nr näher gelegene Punkte auf gesucht. Man sagt, wir müßten die Wolsswarte eher als den Brocken be suche». Ei, da könnten Sie ja auch über den Brnchbcrg gehen, meinte das Fräulein aus Lübeck. Ja, versetzte die Geheimräthin, das soll ein beschwerlicher, aber sehr lohnen der Weg sein. O, Sie wissen nicht? Ich will Sil nicht ängstlich macheu, aber gehe» Sie nicht ohne Begleitung. Hier, leben Sie, sagte ein Hoscondi tor ans Braunschweig, der soeben ein Paket Zeitungen empfangen uud neben feinem Teller ausgebreitet hatte. Er reichte der Frau Geheimräthi» eine hei mathliche Zeitung und bezeichnete mit dem Finger einen Artikel ans Zellerfeld. Frau Gchcimrüthiil, die ohne Brille nicht gnt lese» konnte, reichte das Blatt ihrem Gegenüber, dem Forstcandidaten, nnd dieser las wie folgt: „Ter gefährliche Mensch, dessen wir schon in der vorletzten Nummer erwähn ten, uud der das ganze Revier unter dem Bruchberge unsicher macht, ist, wie sich nun hcransstellt, vor einigen Tagen ans Göttingen entsprungen. Er hat neuerdings drei Damen aus Osterade oder Lanterberg, welche die Ehanfsee bei dein Odcrleichc entlang wanderten, angehalten, das Geld, welches sie bei sich trngen, gefordert und ihnen sämmt liche Schmucksachen, Ringe, Uhren, Armspangen nnd Brüchen, abgenommen. Fuhrleute mit K ohleuivagen waren ihr nächster Schutz. Die Fuhrleute haben den Ränder »och in der Ferne gesehen. ten. Ilm z» verfolge» war nicht mög lich, weil die Köhler ihre Gespanne nicht verlassen konnten und der sreche Mensch unsichtbar wurde. Mau weiß nicht,' ob der Entsprungene irrsinnig ist. In das Gefängniß zn Göttingen, woselbst er sich tobsüchtig benahm, war er wegen Ein- Bruchs in den Laden eines Juweliers cingcliesert. Begreiflicherweise ist man in der waldige» Gegend, welch' dcr Mensch zu seinem Auseuthalt gewählt hat, und die er bennrnhigt, sehr aufge regt. Sein Name ist Psennig." Die Tischgesellschaft hörte dcn Artikel mit 'verjchieoencn Empfindungen an. Der hat den wilden Mann gespielt, äußerte eiu Berliner Referendar, dcr wegen angcgriffener Nerven in Altenau verweilte. Eiue Zeitungsente, nichts weiter, meinte dcr Forstcanvidat, das Blatt znrückgcbend. Wie wäre es möglich, daß ein wildes Thier in diesem gebilde tc» Landstriche längere Zeit Hause» könnte, ohne erlegt z» werde». Da muß man stets bewaffnet aus gehe», sagte ei» älterer Herr, ei» ehe maliger hannoverschcr Osficier. gäilgen bis auf weiteres meide», meinte das Fräulein aus Lübeck. Glauben Sie doch diese Geschichten nicht, meine Herrschasten, mischte sich der Oberkellner ein und zog die Ser viette heroisch aus dcr Halsbinde, wo sie eingeklemmt war, um das stattlich her vortretende Bänchlein zu beschützen. Nichts als Coucurrenzneid! Kein Mensch aus Lauterbeia oder Osterode ist bcstohlcn worden. Ma» gehl darauf aus, die Wirthe, welche in Oderbrück, im Weghause, in AndreaSberg Fremde halten, durch solche Lügeu zu beschädi ge». Andere gönnen ihnen dcn Ver dienst nicht, den sie reichlich haben. ES bleibt aber doch ängstlich, mcinte die Frau Geheimrälhin. Warum sollte eS nicht wahr sciu? Wir werdcu die Tour nach der Wolsswarte morgen nicht unternehmen, liebe Balesca. der Forstcandidat. Die ganze Tischs scllschast muß einig sein. Wir müssen nicht nur gcmcinsum speisen, sonder» auch gemeinsam unsere Spaziergänge teil macht morgen die Partie »ach der WolfSwartc mit? Er sah dabei hoff nungsreich aus Valesca. Ich! Wir! Wir alle! riefen zwanzig, dreißig Stimmen durcheinander. Mau lachte uud scherzte, man gab seine Untere schrist ans einem herumgereichten Bogen tete, morgen nm acht Uhr zusammen die Wolfswarte zu erklimmen. In diefem Augenblick öffnete sich die Thür zu dem Speisesaal nud der Doc- Er war soeben mit dem OnnlibiiS von Oker angekommen. Seine Angen über slohen spähend die Tischgesellschaft. Als er Fran Berg und deren Tochter er blickte, eilte er auf dieselben zu und beide Damen, die mit frendiger Ueberraschung seine Ankunft bemerkten, erhoben sich, ihn zu bewillkommnen. Dadurch gewa»» das Tischgespräch eiue andere Wendung. Zunächst allge meine Stille. Tann flüsterte die Dame aus Lübeck: Unerwarteter Besuch. Ein interessanter Mauu! Sicherlich der Bräutigam der jungen blonden Dame aus Berlin, bemerkte der hamiover'schc Rittmeister mit halblauter Stimme. Oder ein Bruder de-Z Fräulein, trö stete sich selber der Forstcandidat, der auf ValcSca ein Ange geworfen hatte. Ein Gedeck für mich, Kellner, und eine halbe Flasche Wein! sagte der Doctor. Einschieben!" rief der Rittmeister dein Kellner zu, der aus >ein Nebentische servireu wollte. Wir rücken zusammen, hier ist Platz genug. Aeußerst verbunden! Gestatten Sie: Dr. inscl. Richard Rciulaud aus Ber lin. So sich der Tischgesellschaft be kannt machend, führte Richard die beiden Damen zu ihren Plätzen zurück und er hielt seinen Stnhl, wie der Rittmeister, der älteste und jährlich wiederkehrende Beiden. Was führt Sie hierher, Herr Doctor? fragte die Geheimräthin. Eine perfönliche Angelegenheit, theu erste Frau. Ich muß den Erfolg der vou mir angeordnete» Gcbirgseur beo bachten. Meine Zeit ist gemessen. Morgen werde ich wieder in Berlin sein. Die sich häuscudeii Geschäfte gestatten keine längere Abwesenheit, nnd doch war ich es Ihnen nnd Fräulein BaleSca schuldig. Er sah mit leuchtendem Blick aus seine jugendliche Nachbarin zur Lin ken. Valcsca bemerkte es, und ihre niedergeschlagenen langen Augeuwim perO zitterten unnierklich. Dreien verabredet. Dan» tre inte man sich nach aiisgehobener Mittagstafel. Kind, dir steht ein großes Gluck be vor, sagte Frau Ludovica zu ValcSca, Eiue Thräne trat in BaleScas Ange. Ich habe schon längst bemerkt, fuhr die Mutter sort, was iu dem Herzen des Doetors vorgeht. K ein anderer ist so ausincrtsam. Er ist uns nachgereift. In welcher Absicht, kann nicht zweisel hast sein. ValeSka schwing und öffnete den Briei, welchen ihr der Kellner nach a»s gchobener Tafel nachträglich überreicht hatte. Er war von. der Haud des Lei h- Bibliothekars. Valeskas Auge ver klärte sich, als sie den Inhalt überflog. O, wie gnt uui? lieb! sagte sie uud drückte voller Freude den Brief an ihre Brilst. Wie besorgt er um mich und um dich ist! Er fühlt sich einsam und verwaist. Er legt von seinen Erspar nissen zwei Banknoten bei, die dritte will er verwende», um eines schone» TageS uns hier im Gebirge z» über rasche» der treue Onkel Heinrich! Mein Halbbruder ist rem vernarrt in dich. Wir bekommen Bestich über Be such hier. Heinrich ist doch kein Jüug ling mehr. Wozu die Extravaganz? Doch sein Geld kommt zu gelegener Zeit. Du hast wirklich einen neuen Hut nö thig, um dich mit Anstand sehen zu las- sen. Wir wollen ehestens nach Goslar znni Einkauf fahren, sobald der Doctor Reinland wieder sort ist. Ein schöner, ein liebenswürdiger Mann und kam» sechSnndzwanzig Jahre alt. Was kann ans dem »och werde»! Nachmittags begleitete Reinland die Fran Berg und Balesca ans dem ver abredete» Waldspaziergange. Als sie de» erste» Berghailg erstiege» hatte», lnd eine einfache Bank am Ufer des klei nen, hochgelegenen O'kerteicheS z»r Rast ein. Es war ein wundervoller Tag der Himniel blau, vou leichtem Silber gewölk durchschifft. In der glatte» Seesläche spiegelte sich tiese Bläue, die umstehende» Berge und die mächtige» Tanne», dic vom Uscr aus ihre herab hängenden Aestc in dem Wasser badeten. Ncbcn der Bank im Gebüsche blüthen rothe Steinnelken und violette hochstäm mige Glockenblumen. Ein Falk zog über den Spitzen der Waldung hoch oben langsame Kreise. Feierliche Stille herrschte ringsum, nur ans weiter Ferne ganz leise hallte das Glockengeläute einer in dem Forst zerstreuten Knhherde me lodisch herüber. Das Gespräch zwischen den beiden jungen Leuten war ver stummt, sie versenkten sich träumend in das Anschauen der entzückenden Wald landschast. Selbst Fran Lndovica schwicg eine Zeitlang, sie hatte ihre bc sonderen Gedanken. Wenn er jetzt käme, unterbrach sie uii vermuthet dic Stille. Sie wußte selbst nicht, ob sie den Leihbibliothekar oder de» entsprungene» irrsinnige» Sträs ling Pfennig mcinte. gehen, bat sie ängstlich. Unter meinem Schutze sind Sic sichcr, beruhigte Reinland, so lange cin BlntS Niemand verletzen. O, ich danke Ihnen, Herr Doctor, entgegnete Valesca, doch sind wir schon so sehr in Ihrer Schuld und dürsen die letztere nicht noch vergrößern. Sie gelangten an de» „breiten Gra ben" nnd erfreuten sich an dem rasenden Sturz des Wassers. .vclchcS wie eine silberne Riesenschlange, eingeengt in eine ausgemauerte Riuue, deu stcilrechten Berg herabschncllt, dann abcr, ailsaugs schäumend uud toseud, weiterhiu ruhig und kristallklar hinsließt. An dem dcn Abhang dcS Waldcs der Länge »ach be gleitenden „breiten Graben" drängt sich Gebüsch nnd riesiges Farrcnkrant man cher Art. Blühcndcs Epilobinm nnd Heckcnröschen in vollster lugeiidsrische bekränze» die Borde. Frau Geheiuiräthiu blieb etwas zu rück, um einen Strauß vou blauen Heidebecren zu pflücke». Diese» Umstand benutzte Richard Reiulaud. Sie wniidcr» sich, Fräiilei» ValcSca, sprach cr leise, weshalb ich so plötzlich iu diese Harzbergc hineinschneie. Ich wußte T'c hicr. Täglich hab' ich Jssrcr gedacht. Ich biu ciucr Gesährtiu bedürftig, ohnc welche dcr Arzt n«r eiu halbes Vertrauen genießt, einer Ac fährtin, welchc mir den Zutritt zu dcr schönern Hälfte der Mensche» erichließt, eine» Fran, die mich hegt und pflegt und die ich anf Händen tragcn werde. Fallender Schnee, der in die grüne Lauscha,, yin.nilweht. Es war etwas in de» Worte» Richards, welches diese Verstellung bei ValcSca a»ftauche» licy. Sic bückte sich und pflückte ein von ihrem Fnße verschonlcs Waldviclchen. Sie war zn bcwcgt, nm antworten zu kön nen. In Jhncn, ValeSea, wandeln alle mcinc Hoffnungen, meine Wünsche ver körpert neben mir. Valesca blieb stehe» »nd erhob die Hand zu ciucr leise abwehrenden Bewe gung. Sie kciiiic» mich zu wenig, ant wortete sie bescheiden, Sie finden Vor züge, die nicht vorhanden sind. Den Ansprüchen, welche Sic mit Recht stellen, werde ich kaum genügen. So bin ich nm eine richtige Antwort verlegen. Gön nen Sie mir, daß ich Athcm schöpsc. Richard sab, daß das jnngc Mädchc» zittcrtc. Jhrc Gesichtszüge trngcn lich wieder jene Blätter der Krankheit, die cr srühcr gekannt hatte. Ihr Gang Arm, dcn sic ilun willenlos überließ, er grcisend, ich be!c Sie an. Machen Sie mich nicht »»glücklich. Weil» ich diese» Abend schon Sic wicdcr verlasse, »m nach Berlin znrückznkcqren, muß ich dic Gewißheit habcn, daß mein Glück, meiuc Zukunft gesichert ist. ValcSca legte, ihren Arni ans dem Gehen Sie Herr Rcinland, suchen Sie die Mutter anf, aber verrathen Sic i!ir nicht, wovon zwifchc» 11110 Beiden jetz' Gräben innner entlang gehen, den Pa villon, die „Rose" genannl. Gcbcn Sic in der Gesellschaft dcr Mnttcr voran »nd erwarten Sie mich dort. Ich muß mich sammcln glauben Sie, ich muß eS nnd bleibe deshalb nicht lange hinter Ihnen zurück. Sie verdiene» glücklich zu werde». Lasse» Sie mich prüfen, ob ich dazn bcizutragcu im Staiidc bi»! O. ich ivciß Sic find es! Erfüllen Sic mcinc'Bittc. In ciner Stiilidc an dcr „Rose"! Die Mntler kam herbei. Sic warf einen unruhigen, fast schien eS cnitänscb ten Blick ans Valcsea. Tann ging sie mit dcm Doctor voraus, uud Vatcsca wußte es sv emznrichtc.'i, daß sic bei der nächste», iinlerdc» überliäiigciidc» Zwci Als sie aus dicsem lä'udlichcii Sitze dcm rauschende» Wasser gegc»übcr i» dcr Waldeinsamkeit sich nicdcrgelasscn hatte, hob cin ticser Senszer ihre Brnst. Sie schuldete, das war ihr erster Gc danke, dem Doctor Rciulaud so vielcn Dank. Mit Bestimmtheit fast »ahm sic a», daß Rcinland in dcr großmüthigsten Weise sogar dic Mittel zu dem Anseilt halt in dieser Sommerfrische vorgestrecki hatte, dem vorgegebenen Lotteriegewinn hatte sie nicht so recht getraut. Sic sürchtete aber, den Spender dieser Mit tel auf's empfindlichste zn kränken, wenn sie feine» so sorgsam eiligelciteten und in so zarter, rücksichtsvoller Weise aus geführten Plan durchkreuzte. Sie be trachtete die Gabe nur als eiue vor läufige und war fest entschlösse», durch den Fleiß ihrer Hände, vielleicht mit Beihilfe Heinrich Gcinkenthals, in die Lage zn komme», sie bald zurückzuge währen, wenn auch in einer Gestalt, die fern von jeder Verletzung seines Glan bens an die gelungene Tänschnng wart Lndovicas Ueberzeugung von der Rich tigkcit des Lotteriegewinncs wäre ohne < hin nicht zu erschüttern gewesen. Mit begeisterter Freude hatte die Mutter stets von dem Harzanfenthalte gcspro che». Diese Freude durfte Valesca uicht vernichte», ohne die von leidenschaft lichen Aufwallungen nicht freie Fran auf's Tiefste zu betrüben. Allein, ob wohl die wohlwollende Fürsorge des inendes. Valescas Verhalten dcm Doc tor gcgcnübcr, früher offen und zwang los, wurde zurückhaltender und beklom mener, nicht entgegenkommender, wie Richard Reinland vielleicht erwartet ha t'. Balesca mußte alle Vorzüge des MauucS und die Stellung desselben rühmend anerkennen; dennoch zögerte sie, die Hand desselben freudig auf dcr Stelle zu crgrcisen. Ein. ernster Zwei fel, ob sie imstande fei, alle an ihren Besitz geknüpfte Erwartungen zn erfül len —war, und zwar nicht erst durch den Nachdruck, welchen Reinland feinen Wünschen hente verliehen hatte, in ihr rege geworden. Es gibt für junge empfindsame Seelen eine Zeit, wo die Wahnvorstellung eines nahe bevorstehen den Alshicds von dcr Erde sie unwider stehlich vchcrrscht. DicUcbcrzcngung, bin ucu kurzer Frist aus dem Lcbcu scheidcn zn müsse», macht mit dem Tode ver traut, söhnt mit demselben aus uud ge winnt dadurch an Kraft und Stärke. Eine tiefe, süße Schwärmerei bemächtigt sich der jugendlichen Gemüther, in denen dieser Wahn Wnrzel gesaßt hat. Sie glaube» sich scho» halb dcr Erde ent rückt, ihre DenkiliigSweise, ihre Hand lungen nehmen, darnach eine bestimmte Färbung an. Dem sehnsüchtigen Vcr langen der Noviee verwandt, die den Schleier genommen und die Fülle ihrer Locke» dahiilgcgeben, um des Gelübdes willen, im Kloster als Nonne dem Scelenbräuligam zn leben uud dcr Wcltlust abzusterben liegt auch in dicscr Ueberzeugung ei» Verzicht ans Glück, ans Lust und Freude, aus Besitz und Reichthum. Heitere Stimmungen werden verklärter, religiöse Ideen lockender. Man glanbt an Ein flüsterungen innerer Stimmen, die plötz lich bestimmend wirken sollen, das Ge biet der Ahnungen und übersinnlichen Erscheinungen gewinnt einen schranken losen Einst»«. Ost ist verkannte, Ver geblich gesuchte oder verlorene Liebe der Bcnnd uud die Vcranlassnug dieser schwärmerische» GcistcSrichtiing. Zum Glück ist dic letztere meist vorübcrgchcnd, dic Täuschung wird erkannt, nnd die wiederkehrende Gesundheit erhebt zn neuer srischer LebenSanschauiillg. Vale?ca war von diesem Glauben seit dem letzten WeihnachSfeste iu Groß- Becreii beherrscht. Um Meierte das Bewußtsein ihres nahen Unterganges jede Freude, die sich ihr darbot, stärkte dasselbe hier wiederum ihren Entschluß zur Arbeit, kräftigte ihren Willen zu entsage» und sühne zu dem Gelübde, dcn Rest des Lebens nur der Mutter, dcr Unterstützung und Entla stung dcrsclben von Sorgen zn widmen. Mit diesem Gelöbnisse stand der An trag Reinlands in einem nicht zn lösen den Widerspruch. Eiu reifliches Ueber dcukcu dcr Sachlage führte sie zu dcr scltsamcu Annahme, daß sie sür sich al lein eine Entscheidung zu treffen uicht bcsähigt sei, sie wollte dic Meinung des Oheims Gemkenthal einholen und be schloß, von diesem bewährten Rathgeber ihren Ausspruch gegen Reinland ab hängig zu machen. Während dicscr Entschluß bci ihr reiste, hatte sie uicht bemerkt, daß im Walde hinter ihr auf dem Moose sich Flißtritlc näherte». Ein Mann bc wegtc sich lcisc, katzenartig nnd sprung weise de» Berghang hinan bis nahc an die »»weit des Weges stehcndc Bank. Dieser Mann war kein Badegast, kein Spaziergänge!', kein Waldarbeiter, kein Hüttcnniann; er war dem Aenßern nach nicht zn dcr Bevölkerung des Landes gehörig, aber dcr Gegend, der Wälder, Thäler nnd Wege kundig. Scinc Er scheinung erweckte kein Vertraue». Er war körperlich gewandt, aber mager nnd verwildert. Sein blonder Bart war wirr, sein Haupthaar quoll uuter dcm Schlapphut lang und ungekämmt her vor. Seine Kleidung zeigte modernen Schnitt, war aber beschmutzt und teil weise zerrissen. Er richtete, indem er sich der Bank von dcr Rückseite näherte, sein irres nnd snnkelndes Ange immer begehrlicher nnd entflammter auf das junge Mädchen welches, nm Sicherheit unbekümmert, von der Lebhaftigkeit der blieb. ' (Loitsetznng folgt.) Die höhere Tochter Emniy und der Lateinschüler Fritz sind in heißer Gluth sür einander entbrannt. „Fritz," fragt sie ihn, „wirst Du mich aber auch ewig liebe» ?"—„O," antwortet er vorwurfs voll, „wüßtest D», wie ich heut' Deinet wegen vom Vater geprügelt worden bin!" Macht der Gewohnheit. Matrose (früher Eisenbahn-Schaffner, dcr feine erste Seesahrt nach New Aork macht, bei der Ankunft dortselbst): „Amerika—Alles aussteigen!" 3 «ine Erinnerung «» P«t«r de« Grob«». Der Besuch Kaiser Wilhelm'S in de» Stadl Narwa bringt unwillkürlich eine denkwürdige Episode in den Kriegs zügen Peter'S des Großen in Erinne rung. Am 18. August 1700 hatte er, nachdem er einen vortheilhaften Frieden mit der Türkei geschlossen hatte, Schwe den den Krieg erklärt. Der feurig« Schwedenkönig Karl XII., der eben den Streit mit Dänemark zu Ende geführt, eilte mit seinem Heere nach Livland, seinem russischen Gegner entgegen, der mit etwa 40,V0N Mann die Stadt Narwa belagerte, deren Besatzung aus 1200 Fußsoldaten und SW Reitern be stand. Trotzdem Karl XII. in seiner Armee nur 8000 Man» zählte, scheute er nicht den Kamps nnd hatte schon mit einer den Russen vollständig unerwarte te» Schnelligkeit die Pässe bei Pyajoggi und Sillamäggi, welche zu besetzen di« russische Armee erst Vorbereitungen traf in seine Gewalt bekommen. - Dadurch wurde der Weg uach Narwa frei, nnd Karl XII. ließ nicht lange aus sich warten. Plötzlich sahen die Russen am 30- November den Feind vor sich, und das versetzte sie, namentlich als es K arl XII. gelang, sich der feindliche» Artillerie zn bemächtigen, in solchen Schrecke», daß, wie General Hallert be richtet, „Alles wie eine Heerde Vieh in einander lief, ein Regiment ins andere, daß man nicht 20 Mann in Ordnung zusammen bringen konnte." Von den russischen Regimentern hielten »nr zwei Stand, das Prcobrashenskische nnd das Ssemjanowsche, während die übrigen Truppen in vollständiger Auslösung begriffen waren, die noch dadurch »er mehrt wurde, daß die fremde» Generäle und Officiere sich zum Theil dein Feinde übergaben, weil sie fürchteten, von den russischen, ihnen wenig gewogenen Sol daten niedergemetzelt zu werden, wäh rcild die russischen Officiere wieder theils uusähig waren, sie zn führen, theilweise selbst allen Muth verloren hatten. So konnte es kommen, daß eine Armee von 40,000 Mann von 8000 Mann in wenigen Stundeu geschlagen werden konnte! Peter der Große hatte diesen Ausgang offenbar geahnt, denn er war unmittelbar vor der Schlacht bei Nacht und Nebel mit seinem Ober seldherrn Golowin aufgebrochen und hatte sein Heer verlassen, nachdem er, wie der schon genannte Hallert berichtet, „um drei Uhr Morgens ganz konst-r -nirt, wie ein halb rasender Mensch zu dein Herzoge de Croy gekommen war und, ihm unter trostlosen Klagen einige Gläser Branntwein zutrinkend, verlangt habe, der Herzog solle den Oberbefehl übernehmen." In einer Anwandlung von Kleinmuth hatte der Zar beschloffen, seine Trup pen, die an Kriegsmaterial und Provi ant stark Mangel litten, preiszugeben und iu Nowgorat durch persönliches Er scheinen und Betreiben eiligst neue Mannschaften zu sammeln. Diese Flucht vom Schlachtselde vor der Entscheidung und die furchtbare Niederlage, die er, darauf erlitt, brachte dem Zaren in Eu ropa viel Spott und Hohn kin, so daß z. B. Fürst Galizyn, der russische Ge> sandte in Wien, von dort schrieb, Fürst Kaunitz wolle gar nicht mehr mit ihm reden, mau lachte in Wien über die Moskowiter! Noch mehr aber lachte und spottete man in Schweden, wo un ter anderem eine Medaille geprägt wur» de, ans deren Avers der Zar abgebildet war, wie er sich an dem Feuer der Mör-' ser wärmte, welche Bomben ii> das leerte Narwa Winsen; die Umschrift zeigte das Bibelwort: „Petrus'aber stand bei ihnen nnd wärmte sich." Auf dem Revers hingegen erblickte man einen Haiden Russe» iu wilder Flucht, Allen voran der Zar selbst, ohne Schwert und Kopsbedecknlig uud mit ciuem Taschen tuch vor deu Augen, von der Inschrift umgeben: „UndPemiS ging hinaus und weinte bitterlich." Iu Rußland wurde natürlich der Versuch gemacht, die furchtbare Nieder lage möglichst, todtznschweigen, und da mals schon tauchte der berühmte russi sche „eiue Mann" auf, den die Russen später bekanntlich in so vielen Schlachten verloren („wie viel die Russen dabei verloren, wird bis auf einen Mann ver schwiegen," berichtet kurze Zeit nach der Niederlage Pleyer). Trotzdem aber fand Peter der Große den Muth, dem russischen Gesandten Matwcjcw in den Niederlanden iu der Instruction vorzu schreiben, er hätte zu melde», daß die Schwede» sich in verzweifelter Lage während der Schlacht befunden, sogar um D a fenstillstand gebeten und hierauf die Russen verrütherisch überfallen hat ten! Später gab übrigens der Zar dcr Wahrheit die Ehre und betrachtete die Niederlage als ein „Glück", da sie für die Russell eine treffliche Lehre gewesen war, welche ihnen die Nothwendigkeit der Arbeit und dcr Schulung vor Augen führte. Bier Jahre später glückte eS Peter, Narwa im Sturm zu nehmen, wobei er durch eiue Kriegslist die Er» vberuug beschleunigte: er kleidete einige Regimenter in schwedische Uniformen, nm die Belagerten glaube» zu machen, daß ihnen Hilfe nahe. Dcr Corpsgeist. Stud. Braun (mit zwei Damen vom Ballet corps foiipirend): Alle Wetter, mein illter hat keine blasse Ahnung davon, was der Eorpsgeist kostet! M ü li dlich. So, also fort ist Dein Bua. Na, schreibt Ihr Euch Wohl recht oft? O na i wart bis er wiedcrkiinmt nachher machen wir alles mündlich ab! Ein schneidiger Dackl. „Aber, Herr Förster, warum bellt mich denn Ihr Hund so an?" „Ja seh'n S', Herr Lehrer, er ist halt ein wach samer Dackl! Und a' Schneid hat er! Er bellt selbst den Herrn Pfarrer an und i' glaub' sogar den Herrn Land> rath, wenn er kommen thät'!"