Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, October 31, 1889, Page 6, Image 6

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idt« Moment» Photographie.
„Höre mal, Alte," sagte der behäbige
Rentier, frühere Bäckermeister Bartel zu
seiner runde», gemüthliche» Ehehälfte,
„wie wäre es, wen» wir uns jetzt sogleich
«ruf de» Weg nach der photographischcn
Ausstellung machten? Es ist eben Eins, !
und wir können bis um Vier noch ganz
gut Alles gesehen haben. Hin müssen
wir doch 'mal, das gehört zur Bildung,
und wer weiß, ob es uns noch einmal so
gut paßt, wie heut'! Also gib die Mit
„Meinetwezen!" stimmte Frau Bartel
ZU
„Minna, Du gehst doch auch mit?"
fragte der Rentier seine Tochter, ein hüb
sches, srisches, braunäugiges Mädchen,
das der Dienstmagd flink beim Abräu
men des Tisches half und dabei oftmals
verstohlen »ach der Uhr s«h.
„Ich? Nein, Papache», ich habe So
phien versprochen, sie heute wieder zu
„Ach was," sagte Herr Bartel ärger,
lich, „Du fährst ja oft genug «ach Trep
tow, bist erst am Mittwoch dagewesen
und kannst also heute wohl hierbleiben.
Die Freundschaft wird mir «achgerade
zu dick. Das geht ja über die Hut
schnur."
„Heut: muß ich aber hin, Papachen,
ich kaun nicht anders. Sophie hat
Pflaumenkuchen gebacken, den soll ich
verzehren Helsen. Ach, Du glaubst gar
»richt, wie reizend es in solchem jungen
Haushalt ist! Ich bin zu gern da.
Und ob ich in die Ausstellung gehe oder
nicht, daranf kommt es wirklich nicht
an. Ich sehe ja alle Tage genug Pho
tographien in den^chaufcustcrii.
Ohne eine Antwort abzuwarten, gab
sie dem Vater einen herzhaften Kuß,
nickte der Mutter zu und huschte zur
„Ein Wettermädel!" schm»»»zelte Herr
Bartel. ,Aber sie tanzt einem auf der
Nase herum," setzte er bedenklich hinzu.
„?ta, ist sie nur erst verheirathet, der
Mann wird schon nachhole», was ivir in
der Erziehung versäumt habe»."
„Wenn Du wieder an Deinen Schmool
denkst, .dann kann ich Dir voraussagen,
daß sie den noch mehr unter dem Pantof
fel habe» wird, als Dich. Aber sie nimmt
ihn gar nicht, verlaß Dich darauf," er-
Hut ans dem Schranke nahm.
„Das werden wir sehen. Ein so re
spektabler junger Mann, gut situirt, mit
schönem D^>i ka^ie sseil-(^cs chäsN
nien," versetzte seine Frau in gekränktem
Mutterstolz. „Und weißt Du denn ge
nau, ob der Schmook sich nicht auch des
machen kann. Alle Tage geht er in
weiter Weste und —"
„Steht mit dem Kneifer auf der Nase
schaft sprechen wolle. H
Frau Bartel hatte sich indessen fertig
gemacht und stand in Hut und Negen
wenn ich störe," begann er mit eleganter
Verbeugung; „aber ich wollte mir nur
erlauben, ein Pröbchen der eben frisch
angekommenen, herrlichen Trauben zum
Kosten zu überreichen. Sie nehmen es
doch nicht übel?"
Nentier geschmeichelt. „Sie sind doch
immer der aufmerksame Mann, Herr
Schmook."
„Bitte, bitte, nur Pflicht und Schul
digkeit! Wo ist den» das Fräulein
Tochter ebe» hingegangen, wenn ich
Treptow ge
um die kühlen Worte seiner Fran wieder
gut zu machen.
„Ich finde, Fräulein Minna fahren
sehr oft dahin," erlaube sich der jugendli
che Delikatessenhändler zu bemerken.
„Sie hat eine intime Freundin dort,
die erst seit einigen Monate» verheirathet
ist."
„Ah, so so sa'." lächelte Schmook ver
ständnißiniiig. „Aber ich sehe, die gnä
„O, mit dein größten Vergnügen.
Ich Utteressire mich lebhaft sür Wissen-
Kunst."
fönst
lung augelangt und begann eine gründ
liche Besichtigung der Photographie»,
wobei auch ein eifriger Meinungsaus
tausch zwischen den Dreien stattsand.
Herr Schmook spielte den Blasirten und
wunderte sich nach Horazens Grundsatz
über nichts, betrachtete die ausgestellten
Bilder durch seinen Kneiser und krittelte
hier und da in sehr unrvissenschastlichcr
Weise, während Herr Bartel außer sich
war vor Bewunderung und meist das
Unbedeutendste am schönste« fand. >seiiie
wenig gebildete Frau dagegen hatte ein
angeborenes gesundes Urtheil und wirr
eine ausmerksame Beobachterin.
„Du lieber Gott," sagte Herr Bartel,
der sich natürlich einen Katalog gekauft
hatte, „was gibt es doch alles für Na
men hier! Der Kopf schwirrt einem or
dentlich. Zinkographien, Photogra
phien, Autotypien, Photolithographien,
und der Himmel weiß, was noch. Wer
soll das wohl behalten und verstehe» !"
„Und im Grunde ist doch Alles ganz
dasselbe," bemerkte Herr Schmook weise.
„Na, sagen Sie das nicht. Da muß
doch irgend ein Unterschied sein. Und
was aus de», Photsgraphiren so nach
und nach geworden ist, ist geradezu zum
doch jämmerlich!"
„Es macht eben Alles Fortschritte in
der Welt, mein lieber Herr Bartel.
Aber ehe man es nicht so weit gebracht
hat, fäinmtliche Farben mitzuphotogra
phiren, fodaß der Mensch gleich dasteht,
„Ja, es soll doch lange dauern,
um die Maler bestellt seiu. Welcher
Mensch würde sich denn noch in Oel ma-
zu verziehen, „aus de» bunten Bildern
mache ich mir nicht viel. Mir gefallen
von der ganzen Ausstellung
von dein man nur ein einziges Ereni'-
plar besitzt, und wie leicht es schadhaft
werde», oder verloren gehen kann, so
muß man sich doch wirklich freuen,
daß es dnrch die Photographie der Welt
man kann solche Abbildung ia gar nicht
von einem alten Kupferstich unterschei
den."
„Recht schön; aber das ist Geschmacks
sache. Ich kann den alten Dingern
nichts abgucken. Mir gesällt das Neuere
besser, oder vielmehr, wie die Ertrablatt
das Neueste!"
„Ein sehr sagte der Ren-
ebenfalls zene.rr. Auf wurde er
ganz roth.
„Ist da« nicht." sdgte er mit etwas
unfcherer Stimme, „ist daS hier nicht —
Stelle dcs Bildes.
suchte» eifrig mit den Augen.
„Nichtig, hier sitzt sie!" rief Herr Bar
tel. „Sie ist gar nicht zu verkennen. Na,
„Tausend Wetter!" schrie >etzt Her?
Bartel aus; „d«S ist ja der junge Leh
rer, der Herr Schneider vom Kränz
müihlich Ha»d in Hand? I, so
soll doch gleich! Ist denn so was er
'ch bl '
wahrscheinlich keine Stunden zn geben
hat! O, D» Schlange, Deinen alten
Valersozu betrügen!"
gen!" fuhr der sonst gutmüthige Bartel
hcstig auf „Welcher ordentliche Mann
„Ich, Herr Bartel!" flötete hier der
"eiern?'"'
lielit?"
so romantische Grillen. Also, wie ge
sagt, sprechen Sie Ihr väterliches Macht
wort, dann kann nachher Dergleichen
nicht mehr vorkommen."
„Ich will inir's überlegen," antwortete
der Reiner kurz und wandte sich zum
Gehen. „Frau, komm, ich habe genug
von der Ausstellung. Aber weißt Du,
was ich noch möchte?"
zens., '
„Ein Hoch auf die Momentphoto
graphie ausbringen, daß die Wände
wackeln. Und das thue ich auch noch.
Sie soll leben, hoch, hoch, hoch!" rief
Herr Bartel und schwenkte wüthend fei
„llm Gotteswillen, Mann, sei still!"
vaier verwundert und
bat ihn besorg«, möglichst rasch ins Freie
zu gehen und sich zu erholen.
„Ja, fort, sort!" ries der Rentier.
„Macht, daß wir hinauskommen!"
>iso verließen denn alle Drei schleunigst
die Ausstellung.
An der nächsten Straßenecke winkte
Bartel eine Droschke herbei.
kleine Spazierfahrt »lachen."
Der blonde Jüngling hals Fran Bar
te! devot beim Einsteigen, Hörle aber da
bei scharf hin, was der Rentier zu dem
Kutscher sage» würde.
„Nach der Dampsbootstation an der
Janiiomitzbrücke!" besaht Herr Bartel,
machte dem Delikatessenhändler eine
stumme Verbeugung und klctterie seiner
Frau in die Droschke nach.
„Aha!" flüsterle Herd Schmook vor
sich hin, lächelte hämisch und rieb sich die
nächsten Damplboot," benachrichtigte der
Rentier seine Frau. „Da will ich die
Beiden absangen, wenn sie zusammen
„Eine Scene gibt es, daranf verlaß
Dich!"
„Du solltest doch nicht so hart gegen
Minna sein. Wenn es auch sehr unrecht
„Ach, Männchen, wir haben uns auch
Rendezvous gegeben, die wir Niemand
»uf die Nase gebunden haben. Weißt
Du nicht mehr,die langen hübschen Spa-
Du nicht?"
versetzte sie ärgerlich.
In Treptow setzte sich Herr Bartel mit
/einer Frau an einen Tifch in nächster
Nähe der Haltestelle für die Dampf
schiffe und inustarte, wenn eines dort an-
Unheils.
schneller gesaßr uud sagte ruhig: „Ber>
zeihen Sie, Herr Bartel, ich hatte mit
die Freiheit qenominen, Ihr Fräulein
Tochlcr vom Hanse ihrer Freundin, wo
giiügeu schon gestattet, wenn ich fragen
darf?"
„Ich will Sie nicht belügen. Es ist
Herzen gnt, und ich würde schon längst
gekommen sein und um Ihr Fräulein
Tochier beiJhnen h^
„Aha, so stehen also die Sachen!
Berge. Und willst also lie
ber kiesen Herrn hier zum Manne haben
als den braven, wackeren, reichen Herrn
tel!" rief der junge Lehrer seelenver
gnügt. „Wenn Sie nur Ihre Einwilli
gung gebe», sind wir ja überglücklich.
Es wird nie!» Stolz sein, meine Frau
selbst zu ernähren. Wir werden uu»
schon mit meineiN bescheidenen Einkom
men einrichten, nicht wahr, Minna?
Ich habe viel Privatstirnden, und mit
den Jahren steige ich ja auch im Ge
halt."
„Gewiß, es wird sehr gut gehen.
Raum ist in der kleinsten Hütte, für ein
glücklich liebend Paar!" jauchzte Minna
und fiel der gerührten Mutter selig um
den Hals.
„Na, dann habt Euch in Gottes Na
men!" sagte der dicke Rentier nnd lachte
über das ganze Gesicht. „Das Ueb.ige
wird sich ipäter finden. Aber wein Du
Dein Glück verdankst, Minna, das weißt
„Wem denn?" fragte sie nengierig.
„Der photographischcn Ausstellung!"
„Das verstehe ich nicht."
„Soll Dir auch vorläufig ein Räthsel
bleiben, bis wir morgen Alle zusammen
Als die beiden Liebenden Arm in Arm
vorangingen, sagte der Rentier zu feiner
Frau:
„Den nichtsnutzigen Kerl.denSchmook,
seinen moralischen Grundsätzen. Du
hallest doch Recht, Alte, mit Deiner
Abneigung! Der wollte das Geld hei
rathcn und nicht das Mädchen. Schnei
nur die Minna, und deshalb kriegt er das
Geld auch noch dazu. Gefällt mir sehr,
bunr I"
Als Alle fort waren, raschelte es >m
lauscht hatte. Es war ein junger Mann,
dessen weiße Weste grell durch das Dun
kel leuchtete.
Die Friedensmaschtne.
An Edison richtet Karl Vogt von Gens
ans eine satyrische Epistel, welche in der
„Franks.-Ztg." veröffentlicht ist und die
nrit einer Anspielung auf die europäische
geritten? Haben Regimenter vor Ihnen
dcsilirt? Nein? Sie kennen Europa
nicht!
Hätten Sie es vor Ihrer Seefahrt
gesehen, dieses Europa, wie es erercirt,
haben, da dieselbe auf dein festen
Lande mit nicht geringerer Ueberschiväng
lichkeit betriebe» wird. Ja, Sie wi'ir
von Reuß, nämlich, daß Sie bisher ans
einem falschen Prinzip hernnigeritlen
sind.
Ich will mich deutlicher erklären.
h a b^li^
arbeiten muß.
Wir festländische» Europäer haben ge
funden und beweisen täglich mit Ansiven
dung uniäglich vielen Geldes, daß dieses
Prinzip ein salscheS ist; daß eine Ma
schine nur dann den höchsten Nntzessekt
leistet, wenn sie als Ganzes sowohl, wie
in jeden, ihrer einzelnen Theile sür den
direkten Gegensatz ihres Zweckes arbeitet.
Wir ttiltei scheiden uns von den übrigen
Nationen nutder und zivilisirter Wild
heit, denn bekanntlich ist u»sere Bevölke
rung aus zivilisirten, monarchischen und
wilden, republikanischen Elementeii ge
mischt ; wir unterscheiden uns, sage ich,
von den Bevölkerungen aller übrige»
Welttheile durch eine lpezifisch kontinen
tale Einrichtung, die allgemeine Wehr
pflicht, und eine furchibare, nicht minder
spczisischc Maschine, das Kriegsheer. Je
der Theil dieser Maschine ist ebenso, wie
ihr gesainimer Organismus, nur für den
Krieg bestimmt; das höchste Ideal dieser
Maschine ist ihre „Schlagserligkeit" ; bei
jeder Eilischiebung eines „eiien Theils in
ihren komplizirten Organismus wird
uns versichert, daß kein Opser zu groß
sein kann, um diese Schlagfestigkeit zu
erhöhe». Wir glaube» das »iibefeheii,
denn wen» wir genauer zusehen würden,
müßten wir begreifen, daß der Zweck die
ser Kriegsmaschine noch zweifelloser, ossi
eieller Interpretation das grade Gegen
theil vom Kriege, nämlich der Friede ist,
den wir glücklicherweise haben »ud von
dem jeder Inspektor dieser Kriegsma
schine versichert, daß er ihn um jeden
Preis ausrecht erhalten wolle. Ihnen,
dein erfahrenen und erfinderischen Ma
schinenbauer, dürfte es vielleicht scheine»,
daß hier ejn uulösbarer logischer Gegen
satz vorliege. Aber beruhigen Sie sich!
Wenn Sie freilich der Welt, die doch Ih
ren Erpfinduiigcu mir Recht ein gewisses
Zutraue» enlgegen trägt, verkünden wür
de», Sie hällc» eine Glühlampe cisnn
den, die dazu bestimmt sei, Dunkelheit zu
verbreite», so würde sich zwar vielleicht
eine Aktiengesellschaft finden zur Ausbeu
tung dieser Erfindung ldeiin wofür fin
det sich nicht eine Aktien-Gesellschaft?),
aber die meiste» Ei»sichiige» würdeii doch
nachdenklich die Köpfe schütteln und so
gar zu der Einsicht kommen, daß eine
Schraube in Ihrer Gehiruinaich-nc wacke
lig geworden sei oder eine Spinne unier
Jhrem Schäveldachc zweckwidrige Spa
ziergänge mache.
gen Eorpsstudciite», die in ihren Gesich
tern das Zeugniß mit sich herumiragen,
daß sie in officiell aiierkaniitc» Schrau
benmutter» nach bestimmte» Regel» ge
schnitten wurden. Auch sind unsere»
Spinnen polizeiwidrige Spaziergänge
nicht gestattet, sondern nur taktmäßige
Bewegungen auf gebahnten Wegen, an
deren Enden Warnungspfähle mit der
Jnschrisl stehen: „Dieser Ort darf nicht
verunreinigt werden." Sie kommen aus
einem Lande, das trotz Bancroft keine
Geschichte hat, und können die Wichtig
keit historischer Gründe nicht ermessen.
Wir baue» Kriegsmaschine», schiirierc»
uud ölen ste täglich, nnr weil es einem
alten Römer gefallen hat, vor etwa
Jahren die geflügelten Worte auszuspre-
Mögen Sie, banausischer Bürger eines
baiiausischeu Landes, hieraus die Norh
rvendigkcit historischer Stndien ermes
sen^
Sie haben gewiß währendJhrer lleber
fahrt über die Kraflvcrschlvendung des
Oceans Betrachtungen aiigesteUl. denen
ich ein bestimmtes Ziel unterschieben
möchte. DaS sestländische Europa zehrt
/ich, einerlei ob ans geschichtlichen oder
anderen Gründe», an dem Schiniergelde
tigkeit setze» will, die es zu benutzen ver
' Nachdenken auf die Erfindung einer all
gcineincii elektrischen Kricdeiismaschiiic
den Oceanen entnähme?
Ich sagte schon, Ihre Erfindungen sind
Aber Sie werde» es mir
Dinge alle heißen möge», mit welche»
Ihr cisinderischer Geist uns beschenkt
hat, sind ja von »nschStzbarei» Werthe;
dein Griechischen abgeleitete Bezeichnung,
wenn Sie eine lateinische Bezeichnung
vorziehen soUlen.
Jeder schwört, daß seine Kriegsma
schine nur zur Vertheidigung niemals
zum Angriff in Bewegung gesetzt werden
nutzende Kriegsmaschine sälit weg. Der
größte Theil des in Milliarde» sich be
ziffernden Schmiergeldes für die Kriegs-
gen. Es klingelt. „Vom Auswärtigen
Amte!" „Was Neues?" „Krieg
in Sicht, von Nord-Nord-Ost!"
„Maschine in Ordnung?" „Zu
Befehl! Eben die kleine Hllfsmaschliie
probirt gegen Einwanderung verbotener
Schweine. Vierhundert liegen verendet
am Boden!"—„Gut. Achtung! Krieg
in Sicht! Hauplinaschincn in Brand
setzen!" „Zu Besehl!" Der Frie
dcnsminisrcr an daS Answärligc Amt:
„Maschinen geladen! friede gesichert!
Ueberschrciiung der Grenze nnmögtich!"
—Der Minister des Auswärtigen an den
Frievensininister: „Danke! Aber etwas
zu srüh. Warten Sie mit der Publika
tion bis »ach den Wah en. Jetzt noch
einige dunkle Wolken am Horizonte
—' ' «chweiinn machen .
ungemeinen Vortheile, welche mein Bor
schlag bietet. Wenn eine Maschine hnn
dert Kilometer lange Blitze entsenden
ZcislreuuugSkleis kann
also durch Apparate, auf je zweihundert
Kilometer Entfernung errichtet, tückenlos
vertheidigt werden. Tausend Beamte
und Unterbcainle für je eine Station ist
wohl übermäßig hoch -griffen; Cenlrat
leilung, Inspektion u. f. w. »lögen
einige Tausende in Anspruch nehmen
ist es zu viel gesagt, wenn ich lehaupte,
daß neiiil Zchnthcile der unler Waffe»
stehenden und nur verzehrend n Heeres
mannschaft zur producliven Arbeit zu
rückkehreil könnten, während ein Zehntel
an den Friedensmaschiiic» bcschäsiiat
sein würde ?
Aber auch dieses Z hntcl würde nicht
nnprodiictiv sein. Ich brauche Ihnen,
dem erfahrenen Ingenieur und Techniker,
nicht zu sage», daß die sür die Fricdens
inaschiiieii erzeugte Krajt während des
Ruhens derselben zu ander», industriel
le» Zwecke» verwendet werden könnte;
derselbe Strom, der die Welle des Schif
fes dreht, kann dnrch eine geringe Um
stellung dazu beiinvt werden, die Anker
winde oder die Waarenkrahne in Bewe
glliig zu setzen. Die Fricdcnsinajchinen
löiincn also zum Betriebe aller nur er
denkliche» Jndnstricil verwendet werden,
bis zn dem Augenblicke, wo ans das
Signal „Krieg in Sicht" der Friedens
lninistcr den Knops drückt, der den Strom
?as <sise>«val»n»nglü«r bei der
llSitopartstation.
Der „Württ. Gen.-Anz." veröffent
licht den nachstehenden Brief eines Fräu
lein Steinhaufen ans Rottweil, welche
sich in dein llnglückszuge befand, an ih
ren Pater, Rechtsanwalt in Rottweil:
Stuttgart, 2. Oktober.
Mein lieber Papa und liebe Geschwister!
Kaum von der Kirche zurückgekehrt,
beeile ich mich, nnn ruhiger geworden.
Euch aussührlicher zu schreiben.
Ihr wißt ja, daß ich mit Herrn Ma
jor v. Dedekiud von Ronweil znsamiiren
fuhr im Nichtrauch-Eoupü. Der Herr
Major und ich sprachen »och ahnungslos
miteinander da, ein schauderhafter
Lärm und Gekrach, ein Jammergeschrei
aus hiiiidcrt Kehlen, markerschütternd.
Ich sah, wie die Decke ivaiikte uud ein-
Sinne schwanden, packte ich meinen Ro
senkranz, dachle an den Himmel, an Gott
und meine arme Seele nnd an Euch.
Das Alles geschah mit Blitzesschnelle.
Wie lange ich so lag, kann ich nicht sa
ge». Als ich zu mir kam, fühlte ich,
daß mein Haar über meinen Kopf hing
iliiv noch eingeklemmt war, ganz fest und
voller Holz- nnd GlaSipliilcr; ich sah
nm mich herum, koiiute aber iu dem
Damps und Gezisch einer Maschine dicht
neben mir nichts sehen nnd hören. Ich
suhlte aber keine Schmerzen »iid versuchte
steckte bis an den Kop? in krümmer».
Unter mir stöhnte es hei zerbrechend.
Ich rief, wer da sei: „Oh, helfet! Ich
liinß sterben!" Ich drehte mich müh'am
nm nnd sah, tief nnter mir, den
Kops von Ncscrendar Karl Gutheinz
und Rechtsanwalt Löwenstein Geister
bleich, mit verzerrten Zügen starrten sie
mich an, wir weinten herzbrechend, als
wir »nsere Stimmen wieder hörten.
ich gleich. '
Ich suchte nun de» Herrn Major;
dnrch ein Loch konnte ich ihn endlich auf
de» Schiene» sehe», aber blos de» Kopf,
bliilüberströmt »iid schwer stöhnend.
Noch Jemand, ganz unter uns röchelte
schauderhast; ich konnte aber Niemand
mehr sehen. In dieser schrecklichen Lage
»iid mich »liier eine Tanne setzte. Was
jetzt sür Scene» aiifeinanderfolgieli,
kann ich nicht beschreiben; ich weine,
wenn ich nur daran denke. Füus todte
allein käme» ans dem ersten Dritter
classewagen. Man zwängte sie alle zum
Fenster heraus. Grauenhaft! Wie ich
tear an, als man nns e»dlich auf unser
Jammergeschrei unter Balken, Eisen
slücke», Rädern !e. fand, „Ja, leben
Brustkasten eingedrückt, ganz platt, nnd
Blut tropfte ihm aus dem Mund. Anch
eine Wangc mit Ohr war weggerissen
lich beschreiben. Während wir so indem
k-ald saßen, schrie ein Jedes um s Tele
graphiren, und nnr der Major uud ich