HcdächtnWreiche, Ueber den Bahnsteig des Bahnhofs von Danzig eilte, den Koffer in der dl> Reisedecke über der ebenso schnell daher kommenden Schasj» ner an. Keine Zeit! tönte es zurück. Ein zweiter Beamter, der es weniger eilig zu haben schien, ließ trotzdem die Bitte des Fremden ebenfalls unerhört : ! Suchen Sie sich selbst einen Platz ist ja Alles noch leer, entgegnete er, phleg matisch weiterwandelnd. Der Professor setzte seinen Koffer ans >en Boden nieder und murmelte, dem Beamten mit halb verblüfftem, halb ent rüstetem Ausdruck nachblickend, in stark süddeutschem Dialect: Ob das wohl ein Pommer war? Die Leute scheinen nicht mit Unrecht ihrer Grobheit wegen berühmt zu sein! Indessen solgte er dem Rath des Schassners nnd kletterte in einen leeren Wagen hinein. Indem er seinen Kosser unterbrachte, bemerkte er das Fehlen sei nes Regenschirms, den er er erinnerte sich deutlich ans dem Gasthof mit gebracht hatte. Er überließ daher seine Habseligkeiten ihrem Schicksal und eilte, den Vermißten suchend, in den Warte saal, an den Billettschalter, in die Ge päckerpedition umsonst, der Schirm war nirgends zu entdecken. Der Pro fessor fragte in der höflichsten Weife, er hielt aber von all den eiligen Menschen, den Kellnern, Reisenden, Beamten, ent weder keine Antwort oder ein kurzes bar sches, oder lächelndes Rein zur Entgeg- Herr, der Zug geht ab! rief ihm end-> Uch der Restaurateur zu, als er noch ein mal in»Wartesaal erschien, und so mußte er sich denn entschließe», ohne den Schützenden und Stützenden den Rückzug anzutreten. Ganz aufgelöst von Eile, Hitze uud Verdruß erreichte er den Zug, dessen Thüren bereits geschlossen waren, fand den richtigen Wagen nicht sogleich und wäre zweifellos zurückgeblieben, wenn ihn nicht der „grobe Pommer" im letzten Augenblick noch mit hilfreicher, wen» auch ziemlich unsanfter Hand in ein Abiheil hineingeschoben hätte. Es war nur von drei Passagieren beseht Römers Gepäck befand sich aber nicht darin —, nnd da es noch früh am Mor gen war und trotz des Wonnemonds an diesen unwirthlichen Küsten der Wind recht kalt wehte, so war das Fehlen der Reisedecke für den Erhitzten i» diesem Augenblick sehr viel empsindlicher, als das des Schirmes, den er im Wage» doch nicht gut hätte ausspannen können, weder gegen den Regen, der nach tage langen Anstrengungen sich endlich er schöpft zu haben schien, noch gegen die Sonne, die nur mit schüchternen Streif lichtern die Erde und den Wagen be grüßte. Den Schweiß von der Denkerstirn trocknend, setzte sich der Professor nnd suchte mit der eines Gelehrten würdigen Ruhe sich in das Unabänderliche zu fü gen. Doch gestand er sich seufzend, wie schon öfter im Laufe des letzten Jahres, daß seit der Verheirathung seiner «chwe ster Emmy, die bis dahin seine treue Ge fährtin gewesen war, sich die kleinen äußer» borgen nnd Unannehmlichkeiten mit einer flicgenhast unverschämten Be harrlichkeit in fein Leben drängten und seinen in den reinen Sphären des Ge dankens weilenden Geist abzulenken und herabzuziehen begannen. Wäre sie, Emmy, bei ihm gewesen, sie hätte sicher lich zur rechten Zeit gesagt: Franz, du vergißt deinen Schirm! Nuu, der war fort und ließ sich er setzen. Ob sich Emmy aber ersetzen ließ? Er putzte nachdenklich seine Brille, steckte eine Cigarre an und überließ sich, auf das Meer hinausschaucnd, das zwi schen den Dünenhügeln aufleuchtete, sei nen Gedanken. Die aber waren heute besonderer Art und sührteu ihn weit ab von de» abstracte» Höhe», in denen sie sich sonst zu bewege» pflegte». Es war eine sehr reale Thatsache, die ihn be schäftigte. Erschien es ihm doch wie ein halbes Wunder, daß er in diesem Zuge saß und Stettin entgegenfuhr—Stettin, einem ihm unbekannten und gleichgilti geu Punkt auf der Landkarte Nord deutschlands, zu dem ihn weder eiu wis seiischastlicher Zweck noch landschaftliches Interesse zogen—und das zu erreichen er doch jetzt einen Umweg von mehreren Stunden machte. Mitwissenschastlicher Gründlichkeit bemühte er sich, die Beweg gründe zu seinem plötzlichen Entschluß zu ersorschen, gelangte da aber au eine dunkle Tiese in sich, von der er sich scheu zurückzog und über die er sich sehr un wissenschaftlich hinwegzutäuschen suchte, indem er sich einredete, daß allein der Tod seines Oheims, der ihn nach Danzig geführt, die Veranlassung auch zu diesem Ausflüge sei. Jener vor einigen Monaten verstorbe ne, ihm sast fremde Verwandte war näm lich so gütig gewesen, ihn und seine Schwester zu Erben einzusetzen, und da sich die Anwesenheit des Professors zur Wahrnehmung seiner Interessen noth wendig erwiesen, hatte er diePsingstfcrien an diese Reife nach dem ferne» Danzig gewandt, sich losmachend von der Arbeit, die ihn seit Jahre» an die Studirstiibe gefesselt hielt. Nun war die Angelegen heit geordnet, und, eine hübsche Summe mich glücklich zu machen nu» aber Trotz des bereits zurückgelegten Schwa> oenalters erröthete Franz Römer in die sem Augenblick. Nein, er wollte sich nicht zwecklosen Träumen über das, was hätte sein können, hingeben. Es wäre damals ein schweres Unrecht gewesen, an das eigene Glück zudenken. Mutter und Schwester theilten freilich ihr kleines Ein kommen mit ihm, um seine wissenschaft liche Laufbahn überhaupt zu ermögliche». Die gute Mutter! Wie hätte er ihr ge wünscht, daß sie die Erreichung seines Zieles und die Velheirathung Emmys noch erlebt hätte. Emmi! was sie wohl sagen würde, wenn sie ihn aus dem Wege nach Stettin wüßte. Wie dringend sie ihn gebeten hatte, Adele und deren Mutter zu be suchen ! Warum hatte er es nur ihr ge gegenüber so gänzlich von der Hand ge wiesen? War es nicht ganz natürlich, daß er sein fünf Jahren in der sollte. Wie würde die ihn em psangen? Zürnte sie nicht, daß er so lange hatte auf sich warten lassen? Gute Adele! Ihr Blick trat ihm vor die Seele, der innige Blick, mit dem sie ihm damals Lebewohl gesagt. Er hatte ihre Hoffnungen täuschen müssen. Wenn sie nun vergrämt und alt geworden war um seinetwillen —durch seine Schuld ? Ach! es war doch recht bedenklich, solch ein Wiedersehen nach so langer Zeit! Doch thörichte Bedenken! Adele mußte noch immer hübsch sein und daß sie das netteste Mädchen gewesen war, das er je kennen gelernt, das litt doch auch keinen Zweifel. Wenn er also heirathe» wollte Er suhr zusammen, als er sich bei die sen, Gedanken ertappte. Wollte er denn das? Bewahre! So weit war er noch lange nicht! Ihn drückte nur die Ein samkeit, und da stellte er sich vor, wie anders es sein müßte, wenn ein weibliches Wesen für ihn sorgte, die fatalen Hemd knöpfe annähte, feine Handschuhe in mehr waren. Aber darum Heirathen? Nein, das Weib stand ihm zu hoch, um es als Wirthschaften» zu betrachten. Sonst hätte er ja nur zuzugreisen brauchen. Eine Frau zu bekommen, das war am Ende kein Kunststück. Einen Professor waren nicht viele, denn er hatte wenig Gesellschaften besucht; auch nicht eine war darunter, die er hätte in Betracht ziehen mögen an Adele reichte keine a»ch nur entsernt heran. Nu», er konnte ja einmal sehe», ob sie noch ss reizend war, und dann Wenn sie ihm nun aber nicht mehr gefiel ? Dieses Wieder sehen konnte doch höchst verhängnißooll werden; Es war nothwendig, mit äußer ster Vorsicht zu handeln. Auch wollte er jedenfalls erst Erkundigungen einziehen, nnd wenn Frau tausend! wie hieß sie denn? Wie vergeßlich er wat! Lächer lich ! Er wußte es ja eben noch! Der Professor schnalzte iuigeduldig mit der Zunge, anf deren Spitze der Name der Dame schwebte ; er schlug sich, empört über sich selbst, vor die Stirn umsonst. Er erhob sich von seinem Platze uud stellte sich zum Verdruß sei nes Gegenübers, dem er dabei aus den steil Minute ein. Er lächelte wieder, ei» wenig sauersüß zuerst, dann ironisch, über seine eigene Thorheit, darauf höhnisch, voll Bitterkeit: So etwas kann auch mir passire», ich bin immer ein Pechvogel gewesen! Schließlich schlug das Lächeln in Wchmuth um und endete in einem schweren Seufzer, der wie: Ach Emmy! klang. zum Anbrennen einer guten Eigarre gestimmt. Er wollte sich nicht mehr quälen, ---die blaueu Rauchwolke» ihm das köstliche Kraut zu bereiten pflc-t«; denn ach! es täuschte seine Hoff nungen. Der Name siel ihm noch im mer nicht ein, obgleich die Cigarre nur »och zur Hälfte eristirte. War dies de»» nicht, um den Verstand zu verliere»? Er hörte den Namen inwendig im Ohr, er fühlte ih», schmeckte ihn sörmlich warum konnte er ihn nicht aussprechen? den Ziest der Cigarre in weitem Vogen ! hinaus. Wesentlich erleichtert, daß er seinen Grimm an diesem Sündenbock i hatte auslasse» können, war er im Be grisf, sich wieder zu sehen, als er gegen das Knie des ihm gegenüber sitzenden über die Störung aussuhr und ihm einen zornige» Blick zuwars. l in diesem Augenblick schnldigende das er seinem ! Reisegefährte schuldig zu sein glaubte, entstand, ließ Abelens Namen wieder entschlüpfen, der sich nun völlig in jenen Winkel des Gehirns verkroch, welcher unerfoifchlich ist wie die höchsten Pro ! bleme und heimtückisch und willkürlich wie das Schicksal. Taub gegeu alles , Flehen, Drohen und Zürnen, schloß sich die Thür seines Gedächtnisses hinter c Zldelens Namen zu, und da stand der, ' welcher sich bisher für den Gebieter jenes . Geichs gehalten, und klopf.e, klopfte, ' bis er ermattet die fruchtlose Mühe aus- > geben mußte. Da kam ihm ein neuer Gedanke: er wollte schlafen! Vielleicht, daß ihm der Schlas Erlösung brachte! Er war über- »lüdet, überhitzt, abgespannt von den ' niannigsachcn Reise-Eindrücken. Wenn er aufwachte, würde sich von selbst seine > Denkkraft wiedergefunden haben. So schloß er die Augen und lehnte sich in die! Ecke zurück und er wäre auch wohl ' wirklich tiugcschlummert, wenn nicht ein Frösteln ihm über den Rücken gelaufen wäre, das allmählig stärker und stärker wurde. O, hätte er uur feine Neise decke gehabt! Erst in Stolp konnte er an die Wiedererlangung derselben den- i ken. Vis dahin galt es also zu wachen, j Ei nahm sich vor, an den verhängnis vollen Namen gar nicht mehr zu denke». Au dem Zweck begann er in seinem Curs buch zu stndiren und überzeugte sich da raus znm so nnd so vielten Male, daß der Zug erst um drei Uhr dreißig Minu ten in Stettin ankomme, er also noch süus volle Stunden Zeit habe, sich z> besinnen. Dann versenkte er sich in eine Zeitung, die ihm jedoch diesmal merkwürdig wenig Interessantes bot. Oder lag es an ihm, daß er nicht anfpaffen konnte, daß er zwischen den Zeilen, fortwährend die eine Frage las, die ihn peinigte nnd quälte? Warum er nur heute gerade seine Gedan ken nicht z» concentriren vermochte ? Sie flatterten unruhig umher, über Gegen wärtiges und Zukünftiges zurück in die Vergangenheit, alle möglichen Dinge, Erlebnisse, Menschen ans» dem Dunkel der Vergessenheit hervorziehend. Schat tenhafte Gestalten längst Verstorbener, gleichgiltige Gesichter, die er nur in frü her Kindheit gesehen, tauchten vor ihm auf und riesen ihm laut und höhnisch und schadenfroh ihre Namen zu; nur der eine, deu er wissen wollte, wissen mußte, die war wie verhert. Wo steckte er nur? Und indem der Professor von neuem rast los zu suchen begann, wühlte er alle Vor räthe seines Gedächtnisses durcheinander und sein Kopf glich schließlich dem Laden eines Alttrödlers, wo in bunter Unord nung die kostbarsten Schätze neben dein werthlosesten Tand anfgefpeichert liegen. Da ist es nicht leicht, die Kleinigkeit zu finden-, die der unglückliche Besitzer ver legt hat. Ein langer Psiss der Locomative Stolp, sechs Minuten! Ries der Schaff ner, und der Professor entstieg als erster dem geöffneten Wagen. Er fühlte sich wie befreit. War er doch sicher, daß Ortswechsel ihm gut thun würde. Viel leicht war nnr das »»gemüthliche Gesicht seines Gegenübers schuld an feiner Ver geßlichkeit. Ohne weitere Fährlichkeiten suchte und fand er Kosser und Decke und setzte sich, nachdem er sich mit einen, Glase Vier gestärkt, aus den in Danzig belegten Platz. Obgleich er das Abtheil jetzt mit sechs andern Personen theilen mußte, hätte ihn doch nichts in das ver lassene zurückgebracht, das ihm wie der Ort des Fcgcscuers erschien. Und weiter brauste der Zug durch Hin terpommerns Lande. Franz Römer würdigte sie jedoch keines Blickes, son dern hüllte sich ein und versuchte zu schlummern. Aber böse Träume plagten ihn. Er erblickte vor sich Adele und eilte ihr nach, vermochte sie jedoch nicht zn erreichen. Als sie endlich still stand sich und nach ihm umsah war es eine Fremde, die er verfolgt hatte. Sie winkte ihm mit dem Regenschirm und rief höh nisch : Hole ihn dir doch ! Hole ihn doch ! Als er indessen mit höchster Anstrengung zu ihr gelaugte, war der Schirm sort und statt der Fremden stand Emn»> vor ihm nnd sang: Sie heißt ja nur Adele, Adele, Adele Davon erwachte er, »och halb im Schlaf wiederholend: Sie heißt ja nnr Adele, Adele, Adele. Psni! Der häßliche Gaifenhauer! Erhalte ihn bei der Durchreife iu Berlin gehört; da psiss ihn ein Schusterjunge aus der Straße, tragen" Er hatte darüber gelacht, ob gleich es ihm mißfalle», und doch hatte eS sich ihm so sest eingeprägt, daß er die Melodie nicht loS wurde, während der Name, den er tausendmal gehört, ans seiner Erinnerung ansgelöscht blieb. Eine dumpfe Mnthlosiykeit wollte sich feiner bemächtigen, allein mit festen, Willen überwand er die Schwäche und faßte den Vorsatz, jetzt einmal ernstlich zu überlegen, wie der 'Name lanteir könne. Er glanbte sich zu entsinnen, daß er mit einem S begann aber der Vocal? Sib, Sie, Sid, Sis und so weiter leider auch dies erfolglos. Aber er war ein methodisch geschulter Geist und so gab er den Versuch nicht auf, bis er sämmtliche Vocale deS Alphabets in Ver bindung mit dem S gebracht hatte. Als vielleicht ii? Stettin bekannt? Der Angeredete schüttelte den Kopf. Arzt in Danzig dachte, Ihnen fehlte etwas, gab der znrück. Römer murmelte eine Entschuldigung, als eincr der andern Mitreisenden freund lich sagte: Ich bin Steltiner, kann ich Ihnen irgend eine Auskunft ertheilen? Der Professor verbeugte sich dankbar tisch genug, indem er sich nach einem gu ten Gastliof erknndigte. Erst als ihm der Herr das Hotel de Prufsc empfohlen, fuhr er fort, aber in eine», schüchternen Flüstertöne: Kennen Sie vielleicht zu fällig zwei Damen, die Mntter Witiwe —die Tochter heißt Adele; ich lernte sie flüchtig in der Schweiz kennen, konnte aber den Vatersnamen nicht in Ersah» rnng bringen. Er erröthete bis an die Haare bei dieser Lüge und schlug die Äugen nieder, um sie alsbald erwar tungsvoll auf den Stettiner z» hesten. Ädele? ich kenne nur eine Adele Adele Meier. Der Professor sank enttäuscht in sein. Ecke zurück, raffte sich aber doch auf, seinen Dank zn sagen und innerlich zu zugestehen, daß es auch höfliche Pom mern gäbe. Finkenwalde! Letzte Station, bemerkte der Stettiner, Ungleich den Professor auffordernd, du Schönheit der Gegend -u betrachten. Zwischen saftig grünen Wiese», durch die sich sanft schlängelnde Flüsse zogen, schen SeeS zur Rechten im schönste« Blau strahlte, fuhr der Aug dahin aus die Stadt zu, über der sich der wunder lich geformte Jakobikirchthnrm und das alte Schloß erhoben. Die Landschaft nöthigte dem aus wasserarmer Gegend kommenden Pro fessor Bewunderung ab. So hätte ich mir allerdings Stettin nicht gedacht, rief er voll Anerkennung mit seiner süd deutschen Aussprache, die sämmtlichen Reisegefährten ein Lächeln abgewann. Und schon fuhr der Zug durch den Tun nel, über die Brücken fort, zu denc» vielmastige Schiffe heransgrüßten, und in die Bahnhofshalle ein. Am Ziel. In einer Droschke fuhr Römer dein Gasthof in der Oberstadt zu. Im Vorüberfahren stndirte er, so gut es seine Kurzsichtigkeit erlaubte, du Ladenschildcr. Vielleicht, daß ihm hie, der ersehnte Name entgegentrat. Man konnte doch nicht wissen, ob es nicht ei» in Pommern sehr verbreiteter sei und ob Adele nicht Verwandte hätte, die Ge schäftsinhaber waren! Da hielt bereits der Wagen; der Portier öffnete den Schlag. Ein Zimmer! Sobald er den Staub der Reise von sich geschüttelt, erschien der Professor im Speisesaal, bestellte ein Mittagessen uni den Adreßkalender und begann, denKopj i» beide Hände stützend, den Buchstaben S. zu studireu. Der Kellner meldet« die Suppe. Zerstreut und hastig ver zehrte er die aufgetragenen Speisen uui vertiefte sich noch beim Dessert wieder in die geisttödtende Lectüre. Nach einei halben Stunde sintzte er: Siebert konnte es Sickert sein? Sein Kopf wa> schon so verwirrt, daß er das Richtig, nicht mehr vom Falschen zu unterscheide« vermochte. Frau Hedwig, verwiltwet« Rechuuugsräthin verwiltwetc, ja, da« paßte; aber Rechnungsräthi»?—Soviel er sich entsann, war der Mann Kaufmann gewesen—aber er konnte auch Rechnungs rath gewesen sein er wußte jetzt ga> nichts mehr! Uud doch studirte er weiter. Siebold! Ha! —Das war's —das mußte der Rain« sei»! Er flog vom Stuhl empor und lies lich Siebold—Maria, verwittwete Kauf uiamlsfrau, Domstraße No. 153, ja, das stimmte! Er erinnerte sich deutlich, daß die Wohnung der Damen eine» geist lichen Anstrich gehabt hatte. Er klin gelte nach dem Oberkellner und erkun digte sich, ob die Damen Siebold ihm bekannt seien. Der Kellner verneinte, doch er sei nicht von hier, er werde den Portier fragen. Die Dame» kenne ei nicht, kantete dessen Antwort, aber ein junger Kaufmann Siebold verkehre im Restaurant unten. Soviel er wisse, leb ten dessen Mutter und Schwester hier am Ort. Es könne.r höchstens Tante und Cou sine sei», erklärte der Professor bestimmt. Frau Siebold hatte keinen Sohn. Sa gen Sie, gibt es hier in Stettin ein« Münsterstraße? Nein, entgegnete der Mann. Oder eine Straße, die ihr-, Namen von irgend einem geistlichen Zwecke die nenden Gebäude herleitet? Der Portier dachte nach : Es gibt hier einen Klosterhof, eine Petriekirchstraße, auch eine Domstraße, aber einen Dom haben wir nicht, davon kann also der Name nicht kommen meinen der Herr vielleicht die Mönchenstraße? Langes Schweigen, während dessen der Professor seine letzte» Zweifel siegreich niederschlug. Die Damen, welche ich aufsuchen will, wohnen Domstraße IS3, entgegnete er entschlossen. Bitte, besor gen Sie mir eine Droschke. O, das ist ganz nah, wenn der Herr zu Fuß gehen wollte der Haus diener wird sosort bereit sein, Sie zu be gleiten. Doch der Professor lehnte ab »nd be gab sich allein auf de» Weg, de» der Portier ihm beschrieben hatte. Nachdem er ein paarmal fehl gegangen, wies ihn ein Kindermädchen in die rechte Straße, und bald stand er vor der mit Nummer IS3 bezeichneten Hausthür. Warum ihm nur so unsicher und ängstlich zu Muthe war?—Er schalt sich selbst einen diesmal Irrthum ausgeschlossen sei, stiey er die Treppen empor und stand endlich vor der Klingel, die er erst »ach gerau mer Weile zog. Ein Dienstmädchen öffnete. Er fragte, ob die Herrschasten zu Hause feien, und händigte ihr a»f ihre Bejahung feine Karte ei». Gleich darauf ward er in ei» Zimmer geführt und stand zwei Damen gegenüber, die sich von dem Fenster, an dem sie gesessen, erhoben hatten und ihn erwartungsvoll anblick ten. Römer verbeugte sich und starrte, näher tretend, als wolle er sie mit den Augen verschlingen, durch seine Brillengläser von der ältere» auf die jüngere der bei de» Dame». War dies Adele? Konnte sie es sei»? Diese hatte ja blondes Haar, während Adele dunkles besessen. Minutenlanges entsetzliches Schwei gen, das ihni wie eine Ewigkeit dünkte. Hätte er sich in ein Mauseloch verkriechen können—er hätte es gethan! den Gast zum Sitzen einlud und dann fortfuhr: Ich vermuthe in Ihnen den Freund oder Bekannten eines meiner Söhne; ist es Ernst oder Otto, von deir Sie mir Grüße bringen? Ich habe nicht die Ehre, Ihre Herren Söhne zu kennen, stotterte er in grenzeii schen Ausdruck der Verzweiflung. Mutter und Tochter schauten fragend «Us den seltsamen Fremdling, dessen Be> such sie sich nicht zu deuten wußten, und dem offenbar die Erklärung desselben höchst peinlich war. Einen Auaenblili durchzuckte sogar der Verdacht, ob sie eZ auch mit einein Bittsteller zu thun habe» könne, den Kopf der Herrin des Hansei allein er wich sofort bei dem mustern den Blick, den sie auf den Professor rich tete. Dieser Mann war das, wofür ei sich ausgab, das unterlag keinem Zwei sel und ebenso sicher war, daß er de, guten Gesellschaft angehörte. So ver suchte sie, in dem Wunsche ihm zn Hilf« zu kommen, eine harmlose Unterhalt,u,g zu beginnen, indem sie ihn sragte, ob ei sich schon längere Zeit in Stettin aus halte. Das Gefühl, wie lächerlich er in fei ner Unbcholsciiheit erscheinen müsse, gai dem Professor endlich seine Selbstbe herrschung wieder. Ich muß vorerst tausendmal um Ent schuldigung bitten, verehrte Frau, ent gegnete er mit heroischen, Entschluß. Mich sührt ein Irrthum zu Ihnen den ich meinerseits freilich nicht beklage» kann, weil er mir die Ehre Ihrer Be kanntschaft verschaffte. Ei, wie höflich! Die Damen lächel ten wohlwollend. Dadurch ermuthigt, fuhr Römer fort: Erlauben Sie mir, Jhiien ein offenes Geständniß abzulege». Nur so hosse ich Ihre Verzeihung z» er langen. Und er berichtete in kurzen Worten, welchen Streich ihm sein Ge dächtniß gespielt. Die Gesichter seiner ZuHörerinnen er heiterten sich immer mehr, doch bewahr ten sie die höflichste Haltung und Fas sung. Wem geschähe etwas ähnliches nicht einmal! sagte Frau Siebold sreundlich, als er geendet. Doch was brachte Sil auf den Gedanken, daß wir die Ge suchten sein konnten? Der Wohnungsanzeiger, antwortete er kleinlaut. Versetze» Sie sich in meine Lage! Und allmählich lebhafter wer deiid, schilderte er mit Humor die O.ua len, die er durchgemacht, und die Mittel, die er angewandt, um des vergessenen Namens wieder habhaft zu werden. Und Sie lachen nicht, meine Damen ? unterbrach er sich endlich selbst. Sie fürchten, mich zu verletzen! Ich dank« Ihnen für Ihre liebenswürdige Rücksicht, —aber bitte, lachen Sie! Es ist ja doch eine hochkomische Geschichte! Und wirklich! Sie folgten seiner Aufforderung n»d lachten —höflich schüch tern erst, als er aber selbst herzhaft ein stimmte, in ungehemmter Heiterkeit, und es gab das schönste Lachterzett, in wel chem, wie es sich gehört, der Sopran des jungen Mädchens die Oberstimme sührte. Rein, dies war kein Gelächter, daj den Urheber desselben kränken oder be schämen konnt« ; es war ein besreiendes, erhebendes, melodisches Lachen, das di< Spannung, i» der er sich befand, wohl thätig löste uud ihm, der fo selten ein weibliches Lachen zu hören bekam, wie Musik iu die Seele klang. Nun wollen wir Ihne» einmal zu hel fen versuchen, sagte jetzt die Tochter fröh lich. Ich will nachsinnen, ob ich nicht die betreffende Adele kenne. Sie legt, Könnte es vielleicht die Familie Kraus« sein? wandte die Mutter sich an den Professor, der zum ersten Mal den Bli«t prüfend auf dem Fräulein ruhen ließ. Bitte, liebe Mama, störe mich nicht! Wenn Du sprichst, sällt mir gar nichts ein! Ries das Mädchen scherzend. Ich war in der Schule mit einer Adele be kannt nun hab' ich total vergessen, wie sie hieß. Gertrud! ermahnte die Mutter. Jene warf eine» Blick auf Römer und rief: Warum soll ich denn nicht auch einmal etwas vergessen? Darf das nur den gelehrten Herren Professoren ge möchten. Ich glaubte, Sie verständen Scherz, erwiderte sie. Im Allgemeinen wohl! meinte er; ich für meine Person bi» gewohnt ei stockte. Geneckt zu werden? half ihm Gertrud »in. Er neigte mit einem komisch schuldbe wußten Lächeln den Kopf. Sie lachte. Da sind Sie au die rechte Schmiede ge kommen, Herr Professor! Ich »ecke für mein Leben gern. In der Familie, heißt das, fügte die Mutter hinzu. Gertrud wagte nicht, zu Lust verspüre, diese Ku»st auszuüben" Franz Römer sah es. Ich stellte mich Ihnen hob. Gewiß nicht! Dazu flößt mir der Herr Professor viel zu viel Respect ein. War dem wirklich so? Er bezweifelte es und fühlte de» dringenden Wunsch, sein Ansehe» herzustellen. Ihr Schweigen beweist mir, daß ich recht habe, fuhr er fort, daß auch Sie Vorstellungen hegen, die doch wohl auf einer Unkeniitniß der Verhältnisse beru he». ,md erwiderte.!» einem To», von dem er nicht wußte, ob er Ernst oder Scherz be deute: Jedenfalls belehren Sie mich eine? Vesser». Ihre Antwort reizte ihn und er geriet? noch mehr in Eiser. Sie waren uicmals in einer Universi tätsstadt, sonst würden Sie sich selbst überzeugt haben, daß die alten bezopfte,. Herren, die Pedanten in Vat.ri-ölderil und weißer Cravatte, zu den seltene» Ausnahmen gehören, ebenso wie die Classe derer, die im Borstenhaar oder mit einer Löwenttlähne in schlechte» Klei der» und mit Tintenflecken auf der Wäsche sich über die Forme» der gnlen Gesell schast hinwegsetzen zu dürseu glauben. Es gibt nur »och wenige Originale in Zeit. Meine jüngeren College,, unter scheiden sich in nichts von ander» gebil deten Sterblichen. Sie sind vielfach Offieiere und benehmen sich wie solche, sie verstehen zu tanzen und zu reiten nie» sind ja ganz gut, doch jeder kau» sie sich schließlich ancignen Professor aber nichts jeder werden, dazu gehören ihr in'S Wort. Die Thür öffnete sich und in ihr er schien Frau Siebold, eine Kuchenschale tragend, hinter ihr das Dienstmädchen mit einer Flasche Wein und Gläsern. Erstaunt blickte der Professor auf. Er hatte gar nicht bemerkt, daß die Dame eine kleine Erquickung anzunehmen, sagte Frau Siebold. Vielleicht Hilst Ihnen der Wein, der Herz und Zunge löst, auf den Namen. Nun, Gertrud, ist dir eine Adele eingefallen? Ich hatte »och uicht Zeit, mich zu be sinnen, der Herr Professor hat mich zu gut unterhalten, entgegnete sie in ihrem heitenr Ton. Nun wird es aber bald kommen! Auf unser Gedächtniß, Herr Professor! Sie hob das Glas, das die Mutter ihr soeben gereicht, und ließ es an daS des Gastes klinge». Dan» that sie ei nen herzhaste» Zug, während er in unbe schreiblich behaglicher Stimmung die Güte des Weines erprobte, die gast freundliche Liebenswürdigkeit der Hans frau erwog und sei» Auge auf dem be weglichen Antlitz der Tochter ruhen ließ. Wie fehr es ihm gefiel, obgleich es weder sehr jung, noch eigentlich schön war! Die helle» Auge», das blonde Haar schienen ihm ansangs sogar nichtssagend. Sobald sie aber sprach und lachte wie hübsch sie lachte dachte er ganz Die Dame» begaben sich nun auf die Jagd nach dem entflohenen Wilde; es gelang ihnen auch, drei Trägerinnen des derselben wurde von Römer mit einem sreudig hoffnungsvollen Ach begrüßt, das indessen sogleich wieder einem nieder geschlagene» Kopsschütteln weichen mnß ie: den» weder Adele Meier, noch Adele Gesuchte. Aus des Professors Gedächt niß erwies sich der edle Trank, der alle seine übrigen gnten Geister erweckte uud anregte, leider ohne den mindesten Ein fluß. Merkwürdiger Weise ließ er so gar den Wunsch, die rechte Adele zu ent decken, sichtbar in deS Professors Seele erkalte», der endlich selbst dem Gespräch eine andere Wendung gab, indem er es dort wieder anknüpste, wo es vorher durch den Eintritt der Frau Siebold un terbrochen worden war. Im Gegensatz zu der seurigen und etwas gereizten Ver theidigung seiner Berufsgenosse» gab er jetzt eine humorvolle Schilderung der „Originale", deren Dasein er nicht hatte leugnen können, und lockte mehr als ein mal das heiterste Lache» auf die Lippen feiner Zuhöreriune». Plötzlich siel ihm ein, daß es Zeit fei, sich zu verabschiede», uud er erhob sich hastig mit einer Entschuldigung über die zu lange Dauer seines Besuches. Haben Sie noch irgend welche Be kannte hier in der Stadt? fragte Frau Siebold. Darf ich Sie dann nicht bitten, den Abend mit uns fürlieb zu nehmen? fuhr sie fort. Das Theater ist geschlossen ich fürchte nicht, unbescheiden zu fein, wen» ich Ihnen vorschlage, uns die Zeil zu schenken, die Sie „Adele" zugedacht. Wir wolle» doch den Vortheil ausnutze», de» eiu freundlicher Zufall u»S ge währt. Dankbar ergriff der Professor die Hand der Dame und führte sie an seine Lippen. Gertrud aber belehrte ein Blick in sein Gesicht, daß es nicht bloße Form war, die ihm diese Höflichkeit dictirte. So blieb er also, und während die Mutler häuslichen Verrichtungen nach ging, riß die Unterhaltung zwischen ihm und der Tochter nicht ab. Wie er Ger trud vorher unter die Personen der Uni versität geführt, so ließ er sie jetzt einen Blick in deren Studien thu» und geleitete sie auf ihren Wunsch zuerst ei» wenig in dem Labyrinth seiner eigenen Wissenschaft umher. Sie hörte aufmerksam zu, und als sie ihm sogar bei einer schwierigen Deductio» zu solgen vermochte, ries er bewundernd: Sie würden ja beinahe im stande sein, mein Buch zu verstehen! Glauben Sie wirklich? gab sie erfreut zurück. Sie besitzen eine Anlage zu logischem Denken, mein Fräulein, die bei Frauc» keine schmeichelhafte! Vor den häuslichen Talenten der Da men hatte ich stets unbegrenzten Respect, (Aorisctzung folgt.) Isaak zu seinem Lalcr, als ihn dieser op sern wollte? Mar: Er sagte: Da ist das Holz, Vater, wo sind aber die Jön köpings Säkerhetsständstickor? 3 St« «rztehunalmittel der verschi«» »e«en Völker. der Art und wie ein mit er sein Kind st rast, nnd wenn diese nichts sruchten, so greift er zu einem Wasserkübel, um mit einem kalten Bade den heißen Sinn des Kindes zu kühlen und herabzustimmen. Die Creek-Jndi aner wenden allerdings ein etwas s»hl bareres Züchtigungsmittcl an. Sie stra fen ihre Kleine» durch Nadelstiche oder schwärzen ihnen bei all;» großer Un empfindlichkeit das Gesicht, was fast lächerlich nachsichtig erschiene, wenn nicht hiermit zugleich ein Fasttag verbunden weit verbreitete Meinung zu sein. Auch vie Eskinios bringen ihre schrei eöden Kinder dadurch zum Schweigen, daß sie dieselben ein wenig in de» Schnee setzen allerdittgS bei einer Külte von 30 Grad. Die Kru-Neger Afrikas grei sen um ihre^ Kinder Böses thäten. Hat der Geist über die läßt sie eine Zeit lang von diesen Quäl geistern ordentlich zersteche». Die west- Ewe-Neger wenden gegen Bei den Chinesen z. 8., diesem alten, ja wahrscheinlich ältesten Kulturvolk, haben die Eltern unbeschränktes Züchtigungs recht. Selbst Erwachsene werden noch von den Eltern geschlagen, und ein Vater wird wegen Körperverletzungen, die er seinem Kinde bei der Züchtigung beige bracht hat, nicht bestraft, selbst Todt« Selbsthilfe einer Mutter. Anf originelle Weise suchte dieser ilagc eine der ehrsamen Obstlcrinnen gilde der Stadt Wien angehörige Frau, die Mutter eines bereits heirathsfähigen welchen Gefahren er entgegen eilte. Statt der Heißgeliebten zu begeg nen, sah er plötzlich die gesürchtete Mut ter derselben vor sich und im nächsten Moment« fühlte er die »ervigen Fäuste der zornglnhende» Frau auf seinen Nacken Che sich der in solcher at chen? „Sö, Herr Wachmann! Bitt' Jhna, than's m'r zito dös Bttrschel da Büg'leiseng'stell unterstehi si', meinMadl a Randeswnh z'geb'n. Stell'ns Jhna vor. Sollt i als ehrbare Mnatta dös z'saming'schranbte Banerg'war nit glei' mit der Peitsch'» durch a Nad'lloch jag'n? So a Bojazzerg'sicht!" Mit bebenden Glieder» stand der arme Schneider vor Fran dem Wachmanne begreiflich gemacht worden war, daß ihre», Wunsche hinsichtlich der Verhaftung des Burschen nicht Folge geleistet werde» kö»»e, faßte —Ko n s e ire n der Früchte .Nittels Salicylsäure. Alle Früchte könne» mittel« der Salicylsäure und läßt sich die Anwendung dieses vor züglichen Hilfsmittels jeder Methode de» Einmachens anpasse». Am einfachsten mit einer Schicht Zucker abwechselt; die oberste Schicht ist schließlich Zucker, auf welchen ca. ein halber Theelössel trockene, Hieraus werden die Büchsen mit Perga bnd und das Wasser IS >'w Minuten, je »ach Art der Früchte, kleine erfordern weniger Zeit als große, Veeren obst nur IS Minuten, im Sieden erhal ten. Solche Frücht« haben denselben Geschmack, und dasselbe Aussehe» wie frisch gekochte und halten sich überdies weit längere Zeit genießbar, als die ohne Salicylsäure koiiseivinen FU'ichte.