Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, July 22, 1869, Image 1

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Advokat und Sachwalter,
Die Raben.
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Zweiter Theil.
lgortseßung.)
15.
Am nächsten Tage Mittags erwartete
Herr von Nibiere, in seinem Cabinet allein,
Susanne
In Herrn von Nibiere vereinigte sich
der Mensch und der Beamte. Der Mensch,
voll von Rechtlichkeit und Güte, hätte die
Verurtheilung eines Unschuldigen für das
größte Unglück, für ein Verbrechen gehal
ten. Der Beamte hatte sich so zu sagen
ein zweites Gewissen an Stelle des wirk»
lichen gemacht. Ein gefälltes Urtheil war
ihm heilig.
ES war nicht das erste Mal seit der
Verurtheilung Jacybs, daß durch die
se» Widerstreit von> Gefühlen und Gedan
ke» in Conflict gerathen. Er konnte nicht
müthigen Vorstellungen feiner Frau, noch
bei der Ueberzeugung EsteracS, welcher be
ständig versicherte, daß Jacob unschul
dig sei.
Die gestrige Szene im Forsthause, wo
seine Aufmerksamkeit auf zwei verdächtige
Menschen gelenkt wurde, beunruhigte ihn.
Nichtsdestoweniger konnte er bei der Un
zurechnungsfähigkeit Susannens darauf
nichts geben.
So stand es bei Herrn von Ribiere, als
Sie war ruhiger, als gestern, aber Ihre
Erscheinung hatte nichts von der Mischung
von Begeisterung und Festigkeit verloren.
~Jetzt werde ich Dich hören, mein Kind,"
sagte der Richter in väterlichem Tone.
Sie blickte Herrn von Ribiere mit ihren
großen glänjenden Augen an, aus denen
Geisteskraft und Muth strahlten.
„Erlauben Sie mir," sagte sie, „daß Ich
etwas weit aushole. An dem nämlichen
verurtheilt wurde, sandte Gott auf meinen
Weg die wahren Urheber des Verbrechens;
sie richteten auf mich Ihre bösen Blicke.
Anderen, welche Simon Vernou ermor
deten."
„Armes Mädchen!" dachte Ribiere.
„Der Aberglaube kommt ihrem Wahn zu
Hilfe."
„Diese beiden Menschen, ich sah sie im
GerichtSsaal wieder in dem Augenblicke,
wo die Jury das Urtheil verkündete. O
wenn Sie, wie ich, hätten den Ausdruck
ihres Gesichts beobachten könne», ihr fata
le» Lächeln, Sie hätten eben so
gezweifelt, wie ich."
„Träumereien eine» verzweifelten Ge
hirn«!" sagte der Untersuchungsrichter
leise zu sich mit einem Gefühle tiefen
Mitleids.
„Sdit jenem Tage, Herr, habe ich ver
standen, daß der Himmel mir eine heilige
Mission anfgetragrn hat, diejenige, meinen
Jacob der Ehre, der Freiheit zurückzuge
ben; Ich gelobt« es mit Leib und Seele.
Um zum Ziele zu gelangen, dachte ich,
müsse zunächst der Beweggrund aufgedeckt
werden. Die Geldtasche Simons, in dem
Habsucht die Mörder gelkitrt hatte. Das l
den nöthigen Beweis lirfern; nach dieser
Richtung hin muß ich meine Untersuch»»- !
gen anstellen."
Nibiere hörte zu, ohne ein Wort zu
sagen. Er mußte erstaunen und gab ein
Zeichen, fortzufahren.
«Ich sagte mir auch, daß die Mörder
ohne Zweifel zu klug wären, um sofort
von dem Gelde Gebrauch zu machen. Die
Summe bestand in spanischem Geld und
ei» einziges Stück hätte allen Verdacht
erweckt. Aber mehrere Monate warten,
Geld in einer anderen Gegend wechseln,
das war ohne Zweifel Ihr Vorsatz. Tag
und Nacht habe ich sie nicht aus den Au
gen verloren und alle Ihre Schritte beob
achtet. Eines Tages kundschaftete ich aus,
daß sie nach Vigan wollten. Es war zur
Zeit des Marktes, wo sv viele Mensche»
zusammenströmen und wo man leicht frem
des Geld wechseln kann, ohne daß darauf
Acht gegeben wird. Glauben Sie es war
ohne Absicht, daß ich unserer lieben kleinen
Marie die Idee eingab, ihre Mutter zu
bitten, niit ihr nach Vigan zu gehe» und
mich mitzunehmen?" '
„Ah, das warst Du?"
„Ja, ich, und Alles, was Ich vorausge
sehen, Ist eingetroffen. Ich habe den Be
weis zurückgebracht, welchen ich liefern
wollte. Einer der beiden Mörder war am
4. September in Vigan. Er hat mit Ma
rianne Bedares Geschäfte "gemacht, den
Ihre Tante Sophie gut kennt, der alle
Jahre dort hinkonimt und den man auf
suchen kann, wenn man will. Am nächsten
Morgen begab Ich mich mit meinen kleinen
Ersparnissen, die mein Blumenverkauf
mir eingebracht, zu Marianno und fragte,
ob er mir vielleicht spanisches Geld dafür
geben könnte. .Ich habe gerade,' da« wa
ren seine eigenen Worte, .von einem En
rer Bergbewohner eine ziemlich große
Summe spanischer Goldstücke erhallen, die
ich ihm gegen französisches Geld umivech
selte.' Er zeigte mir das Geld und g?b
mir sür das meinige einen Ouadrupel,
zwei Dublonen und vier Piaster. Hier
sind sie."
Susanne zog die Geldstücke aus ihrer
Tasche und legte sie auf den Tisch.
„Das ist noch nicht Alles." fuhr sie mit
Lebhaftigkeit fort. „Von den beiden Mör
zweite verliebte sich in mich."
„Sprecht, sagte der Unter
suchungsrichter mit Spannung.
„Wenige Tage nach dem Vigauer Markt
spannte der Bauer ein neues Pferd an
seinen Karre». Der Knecht, ganz neu ge
kleidet, hatte eine Kette an seiner Weste
und Ringe an seinen Fingern. Die fol
gende Woche bezahlte der Bauer seine
Zinsen. Zum Beweis haben Sie hier die
genaue Abschrift der Note aus dem Register
meines Paters, vom 4. October."
Und Herrn von Nibiere das Stück Pa
pier überreichend, welches sie von Ihrem
Vater zu erlangen gewußt, fügte sie hinzu:
„Ich war selbst unsichtbarer Zeuge, als
der Bauer an Herrn Berard, den Notar,
das Geld bezahlte, welchen er für seinen
directen Gläubiger hielt. Ah, wenn Sie
ihn gesehen hätten, als er hörte daß er
Herr Ribiere war überrascht, aber noch
unentschlossen. Er sagte kalt:
„Ja, mein Kind, Alles, was Du mir
sagst, ist von Wichtigkeit, aber kann ich
Dich mit unbedingtem Vertrauen hören?
Deine Gedanken gehen schnell und Deine
Einbildungskraft ist leicht erregbar."
Susanne richtete sich auf.
„Mein Herr," sagte sie mit einem Tone
schmerzhafter Entmuthigung, „ich weiß,
was Sie meinen. Ich bin wahnsinnig,
nicht wahr?"
Herr von Ribiere schwieg.
„Wahnsinnig!" rief Susanne. „Wahn
sinnig! Hören Sie, Herr. Ich hatte die
Mörder geahnt, ich mußte gegen sie alle
Beweise sammeln.' Vor Allem hatte ich
aber das nöthig zu meiner Freiheit. Die
Erklärung, die ich vor Ihnen abgab, zog
ich In der öffentlichen Verhandlung zurück.
Warum? Das habe ich Herrn von Esterac
gesagt. Ich wäre Gefahr gelaufen, wegen
falscher Zeugenschaft verurtheilt zu wer
den, und ich wollte doch frei leben. Ja,
von der.Vorsebnng auserkoren, einen Irr
thum der menschlichen Gerechtigkeit an'S
Tageslicht zu bringen, wollte ich frei sein
und bleiben, an dem Orte des Verbrechens
selbst."
Diese letzten Worte, mit wachsender
Bewegung ausgesprochen, zerstreuten die
flüchtige Hoffnung des Richter»; er hob
seine Augen gen Himmel mit einem Zei
chen der Entmuthigung.
„Und dennoch," fuhr Susanne sieghaft
fort, ~e« war doch wahr! Wir thaten
nichts Böses, aber ich war bei Jacob, als
" das Verbrechen geschah. Ich besuchte Ja
! cob im Gesängniß und übernahm meine
I Misston. Er theilte meine Hoffnung, mein
! Vertrauen; fast getröstet ging er in die
Galeeren. Ich aber, als wir am Abend
von Mende nach Villefort zurückfuhren,
sprang plötzlich aus dem Wagen und
schlug mich in die Gebirge, lachend und
singend inmitten der Finsterniß. Herr von
Esterac hielt mich für geisteskrank das
wollte ich. Verstehen Sie jetzt, warum ich
für verrückt gelten wollte, und fangen Sie
an zu begreifen, daß ich es nicht bin?
Wie hätte ich meine Aufgabe erfüllen
können, wenn mein Irrsinn mir nicht als
Vorwand gedient hätte? Ah, welches Spiel
habe ich gespielt grausames und schreck
liches Spiel! Wie oft hat mein Herz ge
zittert! Wie oft, während meine Augen
lächelten, hatte Ich den Tod im Herzen!
Es gab Augenblicke, wo diese Maske,
welche ich mir vor das Gesicht zog, mir
brannte wie Feuer und wo es mir schien,
daß ich mich nicht mehr würde verstellen
können. Jetzt, Herr, wenn Sie noch
zweifeln, fragen Sie mich über meine
Handlungen, die man für närrisch hielt;
sehen Sie, ob nicht Alles Berechnung war,
um die' Schuldigen zu entdecken, um Ja
cob zu befreien und ihn zu rächen."
„Aber." fragte Herr von Nibiere, schon
halb überzeugt, „warum dieses abenteuer
liche Umherschweisen In den Feldern?"
„War es nicht nothwendig, um an
meine Geistesschwäche glauben zu machen,
die mir nach unp nach die Volkssympa
thien gewann, die mir Mitleid der
Leute verschaffte? Indem sie mich beklag
ten, hörte gleichzeitig ihr Haß gegen Ja
cob auf."
„Aber die Blumen, die Du pflücktest,
wie ein Kind, und die Du verkauftest mit
dem Eigennutze eines Händlers?"
„Ich wollte Geld haben. Ich hatte so
ost von meinem Vater sagen hören, daß
man auf dieser Welt nichts ohne Geld
vermag. Habe ich Unrecht gehabt? Be
trachten Sie auf Ihrem Tische die spani
schen Goldstücke."
„Und die Reise nach Toulon, wo Du
Jacob nicht erkanntest, wo Du seine Für
sprecher in Verzweiflung brachtest und das
Gnadengesuch zerrissest?"
„Wolltet» wir denn seine Begnadigung,
er und Ich? Nein, eine vollständige, öffent
liche Schuldloserklärung, das wollten wir!
Ich schien ihn nicht wieder zu erkennen,
aber er hat mich wieder erkannt und er hat
mich errathen."
Das war zu viel für den Richter. Nur
die klarste Vernunft konnte so sprechen.
Das Gewissen und das Herz des Ehren
mannes erstickten die Zweifel des
Er ging an die Thür.seines <!avinetS,
öffnete sie und rief seine Frau und seinen
Schwager.
„Kommt, kommt und seht ein Wunder!"
Es war ein begeisterter Augenblick. Alle
freuten sich, daß Jacobs Strafe jetzt zu
Ende sein würde.
Herrn von Ribiere's Stirn verfinsterte
sich und Susanne mit einer Mischung von
Bewunderung und Traurigkeit anblickend,
sagte er:
„Nur nicht so eilig den Sieg verkünden.
Alles wäre gut, wenn es sich nur darum
Urtheils. Es sind bedeutende Verdachts
„Wohlan," rief Susanne, eher unge
duldig, als entmuthigt, „wenn das noch
nicht genügt, so weiß Ich »och mehr. Als
ich gestern Abend das Forsthaus verließ,
baute ich noch einmal auf die göttliche
Güte, welche mich fett einem Jahre führt,
und ging an das Gehöft. Beide Männer
Sack mit Geld stand auf dem Tisch der
Antheil, welchen der Knecht für feine Hilfe
bei dem Morde Simons beanspruchte.
Worte lag ein Beweis. Der Knecht drohte,
er wolle nach Mende gehen und Alles an>l
zeigen. Welcher Schrecken, welcher Zorn
aus dem Gesicht des Mörders! Darauf
hörte ich etwas, was ich nicht verstand,
das aber gewiß zu dem Plane der Vor
sehung gehörte. Es kamen Raben daher
geflogen, und Perondi, auf sie hinweisend,
sagte zu Cofferousst: ,Wenn sie es wären,
wenn es dieselben wären!' Auf diese
Worte wurde der Bauer noch schrecklicher.
.Schweig, Elender, schweig!' rief er bleich
und zitternd. Darauf entfernte ich mich
schleunigst, »01l Hoffnung und Gott dan
kend, welcher älle Dinge leirkt."
„O/daS ist etwäÄ Wunderbares, etwas
Uebernatürliches!"
„Nibiere," sagte Esterac mit ernstem
ToNe, „Du bist einer der ehrenhaftesten
Menschen und der uneigennützigsten Be
amten, die ich kenne. Wohlan, hier ist die
Wahrheit, sie spricht durch den Mund die
ses wachsamen Mädchens; Deine Pflicht
ist e», sie zu hören und sie triumphiren zu
lassen."
„Ja, aber es Ist noch keine Verhaftung
Ao. 29.
motivirt. Nichts wäre schädlicher, als eine
Uebereilung. Ich wiederhole es, man muß
warten und nachspüren. Der Piemontese
ist von heftigen Leidenschaften, er wird sich
vielleicht verrathen."
„Aber er geht fort, er reist morgen ab!"
rief Susanne ängstlich. „Ist er fort, dann
ist Alles vorbei und meine letzte Hoffnung
U verloren, sobald er über «r Grenze ist.
Ich glaubte, sie würden Perovdi heute
„Das geht nicht so, mein armes Kind.
Ihn verhaften? Es liegt bis jetzt kein
Grund dazu vor."
„Ich habe nun," sagte Susanne, Alles
gethan, was ein schwaches Geschöpf thun
kann, ich habe ein Jahr der Tortur bestan
den, ich habe mich selbst in den Verdacht
der Unehre gestürzt. Das Alles habe ich
gethan, und nun, da ich den Lohn für
meine Leiden ernten will, ist es nochHicht
genug. Man kann einen brave» Mann
verhaften, aber nicht einen Mörder. Doch
es scheint mir, daß Gottdennoch mit mir ist."
Auf dem Tisch des Nichters lag das
Gesetzbuch; sie ergriff es und blätterte mit
fieberhafter Aufregung darin.
„Dieses Buch," sagte sie, „das mir so
viel Böses zugefügt hat, wird mir jetzt
auch Gutes thun."
Die Zcuzen dieser Scene begannen sich
jetzt mit Unruhe zu betrachte». War das
nicht wieder ei» Anfall von Wahnsinn?
„Ja, ich besinne mich," fuhr sie fort.
„In jener Zeit meine Liebe zu Jacob
ärgerte meinen Vater. Einmal hatte ich
den Gedanken durchblicken lassen, mit mei
nem Geliebten zu entfliehen. Da antwor
tete er mir: .Gesetzbuch, Artikel 354: Ent
führung Minderjähriger: Wer ein min
derjähriges Mädchen entführt, wird ver
haftet.' Nicht wahr?"
„Ohne Zweifel."
„Nun, ich bin noch nicht zwanzig Jahre."
„Was willst Du damit sagen?"
„Daß Sie morgen Mittag einen Poli
zeicommissar nebst GenSd'armen an «inen
Ort des Weges hinschicken können, den
ich mir zu bezeichnen bitte das Andere
besorge ich."
„Meinetwegen," sagte der Richter, der
Alles verstand. „Vier bis fünf Meilen
von Villefort liegt dir Ort Chastagnier.
Dort giebt es ein Wirthshaus „Zur
schwarzen Kugel". Der Wi»th heißt Bar
din, ich kenne Ihn, er ist ein braver Mann.
Morgen Mittag werden-die GenSd'armen
an seine Thür klopfen."
„Gut, weiter verlange ich nichts. Ich
werde dort sein und Perondi auch, ich ver
spreche «S Ihnen."
„Aber wenigstens keine unnütze Unklug
heit."
„Keine Gefahr, wir gehen zum Gottes
gericht," sagte Susanne stolz und ruhig.
lö.
Susanne ging an den Ort, wo sie Mat
tes zu finden hoffte und hatte sich nicht ge
täuscht. Er heftete seine feurigen Augen
auf das junge Mädchen und fragte:
„Welcher von Deinen Freunden wird
heute wieder aufpassen und auf mich schie
ßen?"
„Das macht nichts, ich bleibe nicht hier,
ich gehe, aber ich will nicht allein gehen."
„Wo willst Du denn hingehen?" fragte
sie, eine gewisse Furcht verheimlichend.
'„O, heute bin ich Herr Im Hause und
Eosserousse wird uns nicht stören. Er ist
heute in aller Frühe nach Pradelles auf
den Markt gegangen. Wir haben den gan
zen Tag für uns. Susanne verstehst Du
mich?"
Während er die» sagte, lächelte er ver
schmitzt.
„Ja, ich «erstehe," antwortete Susanne
mit Fassung; „aber ich sehe, Ich habe voll
ständig mein Gedächtniß verloren."
„Was willst Du sagen?"
„Es schien mir, daß ein Mann, welcher
sich Matteo Perondi tttnnt, mir sagte, daß
er mich liebe."
„Ob ich Dich liebe!" rief der Piemontese
feurig.
„Er liebte mich," fuhr sie fort, wie wenn
sie sich an einen Traum erinnerte, „aber
zu entehren und um mir morgen zu sagen:
,Geh' und überliefert Dick dem Gelächter
und den Insulten der Leute! Du warst
eine Wahnsinnige, jetzt bist Du auch ein
ehrloses Geschöpf! Ich unterdessen
das Land verlassen haben und wir werden
uns nicht mehr sehen/ Nein, Matteo
Perondi sprach anders zu mir."
„ES ist wahr, es ist wahr!" murmelte
Matteo, dessen Mienen den Kampf der bö
sen Leidenschaften gegen ein besseres Ge
fühl zeigten.
Susanne merkte, daß sie mit Ihm bflld am
Ziele war.
bot mir an," fuhr sie fort, „mich
mitzunehmen, fern, fern von hier in ein
Thal. Warte, das Gedächtniß kommt mir
(Siehe viert« Seite.)