Pennsylvanische Staats zeitung. (Harrisburg, Pa.) 1843-1887, November 01, 1866, Image 1

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    Jahrgang 1.,
Die
PennsylvanischeStaats-Zeitung
Herausgegeben von
loh. Georg Ripper,
erscheint jeden Donnerstag, nd kostet 82.1 M
per Jahr, zahlbar innerhalb eslahrcS, und
2.SV nach Verfluß de Jahrgangs.
Einzelne Ercmplaren, Z Cents per Stück.
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als sechs Monaten angrnommcn; auch kann
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stände bezahlt sind.
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Office: in der „Patriot und Union"
Druckerei, Tritte Straße, Harrisbarg, und
in der „Jntrlligcnccr" Druckerei, am Cent
Square, Lancast.
Poesie.
Die Ausgewanderten.
Nach jahrelangem Sorge
In tausendfachem Schweiß,
Kam der Vergeltung Morgen
Und gab der 'Arbeit hohe Preis.
DaS Haus, von Urwaldbäumen
Gezimmert und gesägt,
ES birgt in seine Räumen,
Was selbst dem Ueberfluß grnügt.
Sowrit die Blicke schweifen,
Dehnt sich die reiche Farm,
Und goldne Nehren reifen
Dem, der daheim so bettelarm.
Dort wär' er arm geblieben,
Wie er sich abgemüht.
Derweil hier seinen Lieben
Die Zukunft rosenfarben blüht.
Vergessen ist die Plage,
Die Zeit der bittern Noth.
Vergessen sind die Tage,
Die mit Verderben ihn bedroht.
Seitdem die Saat des Fleißes
So reiche Ernte trug.
Denkt er nicht mehr des Sckwcißcs,
D einst die Arbeit traf als Fluch.
Er ihre weinbelaubtcn Höh'.
Und die, die in Gefahren
Ihm treu zur Seite stand.
Reicht er ihr stumm die harte Hand.
Zuweilen spricht er leise
Nur sie kann ihn versiebn:
KarlStelter.
./i'nisscl a n.
Martha, die Auswanderin.
(Schluß.)
Wenn sie es sich auch nicht annahm,
so hatte es sie doch mächtig gerührt, daß
sie so viele Liebe in dem Dorfe gesunden.
Und in manches treuliebendc Herz hatte
sie auch hineingeschaut. Doch das ging
vorüber, und seit sie Bernhard betrogen,
mochte sie von keines Mannes Liebe mehr '
hören. Sic traute Keinem mehr Treue !
zu. Still und eingezogen lebte sie nun >
im Hause ihres Pathen und bereitete I
Alles znr Reise über das Weltmeer vor, I
und der Frühling nahte allmählich. An- j
fangS hatte sie sich das Scheiden so kin- j
derleicht gedacht; aber es ward doch
schwerer mit jedem Tage. Sie ging noch l
einmal hinüber, um an den Gräbern !
ihrer Eltern zu beten, von ihnen Abschied
zu nehmen und ihren Gespielen, ihren !
und den alten Freunden ihrer Eltern ein j
Lebewohl zu sagen und zum letzten Male '
die Hand zu schütteln. Da blutete ihr
das Herz. Da legte sich ein unaus
sprechlicher Schmerz auf ihre Seele, und
als sie, begleitet von ihren Freundinnen,
das Dorf verließ—begegnete ihr —Bern-
hard.
Bleich wie der Tod blieb er am Wege
stehen und richtete die thränenschwercn
Blicke auf sie.
Martha, sagte er, Martha sinche mir
nicht I O ich trage den Fluch Gottes im
Gewissen und im Hause. Vergib mir,
wenn du kannst. Ach, sie haben mich ja
so lange verplaudert, bis ich Ja sagte.
Martha hatte geglaubt, sie wäre stark
genug, dies zu ertragen; aber das Herz
ist und bleibt schwach. Sie wandte das
Gesicht ab und reichte ihm ihre Hand zum
Zeichen, daß sie ihm vergäbe.
Er nahm die zitternde Hand des Mäd
chens und preßte sie in die seinigcn und
rief: O wende dein Gesicht nicht ab!
Noch einmal fleh mich an und sage, daß
du mir nicht fluchtst! Du gehst jetzt
über Meer —ich fürchte, mein Weg ist
bald ein anderer.
Da fuhr sie, überwältigt von dem To
ne, in dem er sprach, herum, sah ihn mit
ihren feuchten Augen an und sagte - Ich
vergebe Dir. Leb' wohl. Aber nun ent
riß sie ihm ihre Hand und eilte schnell
hinweg, daß ihr die Mädchen kaum fol
gen konnten. Auch sie weinten und Ei
ne sagte - da hat wieder die Habsucht zwei
Herzen auSeinandergertssen—und—wie
das allemal geht sich doch in dem Ex
empel verrechnet! Martha sprach kein
Wort. Sie weinte stumm am Halse ih
rer Freundinnen, als sie an den Schei-
deweg gekommen waren, und dann eilte
sie fort, als verfolgte sie Einer, und kam
noch vor sinkender Nacht bei ihren Pathen
an und wenige Tage darauf reisten Alle
ab, die sich zur gemeinsamen Meerfahrt
nach Amerika verbunden hatten.
Jedermann weiß, daß in großer Ge
sellschaft man sich leichter findet. So
ging es auch Martha. Ohne weitere
wichtige Ereignisse erreichten sie Bremen.
Da lag schon der Dreimaster, mit dem
sie fahren sollten, segelfertig vor Anker.
Ohne lange Zögcrung wurden die Hab
seligkeiten der Auswanderer zu denen
eingeschifft, die schon an Bord waren,
dann sie selbst, und am folgenden Mor
gen donnerte das Schiff seine Scheide
grüße dem Lande zu und segelte stolz au
I dem Hafen in die hohe See hinaus.
So groß auch die Amerikalust der Met
sten gewesen war, und so sehr sie gepocht
hatten, wie leicht ihnen da Scheiden
werden würde, jetzt war es ander. So
lange man das Land sah, hingen Aller
Blicke dran und die Thränen perlten,
wie der Regen von den Blättern eine
Baumes. Als cS aber jetzt verschwun
den war und nur die grenzenlose Einöde
des Meeres sie umgab, da gab'S ein lau
tes Wehklagen auf dem Verdecke.
Der Capitän des Schiffes war ein
junger, sinniger, ernster Mann. Er hatte
oft schon die Reise mit Auswanderern
nach Amerika gemacht und ähnliche Auf
tritte jedesmal erlebt. Er stand an den
Hauptmast gelehnt und beobachtete die
Einzelnen und die Aeußerungen ihre
Gefühls. Da fielen seine Augen auf
Martha und blieben auf ihr ruhen.
Sie bemerkte nicht, daß er sie beobachtete.
Ihr Antlitz war bleich. Keine Thräne
kam in ihr Auge und doch zeigte dies Ge
sicht tiefern Schmerz, als eie allen An
dern. Ihre Augen suchten das Land,
das längst verschwunden war. Ihre
Hände waren gefaltet und der Capitän
sah, wie sich die betende Lippen leise be
wegte.
War es die wunderbare Schönheit de
Mädchens, oder der ganz besondere Aus
druck von Schmerz, oder die Reinheit der
Seele, die so deutlich auf diesem Gesichte
geschrieben stand, was den Mann so an
zog ? Er konnte gar seine Augen nicht
wegwenden von ihr, und nahm sich vor,
sich nach ihrem Schicksale zu erkundigen.
Das war nun an und für sich nicht schwer,
denn die Leute waren froh, wenn sie Je
mand auf dem Schiffe freundlich anre
dete ; jedoch wartete der Capitän, bis die
Zeit der Genesung von der Seekrankheit
eintrat. Verwunderlich war es, daß
Martha zu den Wenigen gehörte, welche
diese abscheuliche Pein Nicht auszustehen
hatte; erfreulich aber auch, wie sie Alles
that, die entsetzliche Oual der Andern zu
lindern, was freilich meist fruchtlos blieb.
Der Capitän beobachtete täglich da
Mädchen und mit besonderer Theilnah
me, seit er wußte, was sie aus der Hei
math iu die unbekannte Ferne trieb.—
Martha blieb sich immer gleich. Beschei
den, sittsam und gefällig gegen die Ge
fährten, aufmerksam auf die Kinder und
ermüdet arbeitsam. Die Kranken
deren mehrere an Bord waren, pflegte
sie mit rührender Sorgfalt. Einem Ge
spräche wich sie so wenig au, als sie e
suchte. Mehrmals hatte der Capitän
mit ihr gesprochen und ihre verständige,
anständige Weise, sich auszudrücken, be
wundert.
So waren die ersten Tage der Seereise
hingegangen. Der Himmel war klar
gewesen, aber nun sollte es anders wer
den.
Die Stürme, welche allemal vor und
nach der Tag- und Nachtgleiche herrschen,
sind auf dem Meere sehr gefährlich. Die
ser Zeitpunkt war ganz nahe, und die
Stürme hatten noch nicht gebraust. Der
Capitän ließ Alles in Stand sehen, daß
sie ihn nicht unvorbereitet träfen.
Das Schiff befand sich im Angesichte
der Küste von Schottland, als der Wind
zu heulen begann und die Kräfte der
Tiefe aufwühlte, daß die Wellen wie
Berge daher kamen. Alle Reisende muß
ten das Verdeck räumen, weil sie da hin
derlich waren. Die Macht des Stur
mes wuchs mit jedem Augenblicke. Es
war Mittags drei Uhr, als b Schiff
mächtig gegen die Küste schleuderte. Der
Hauptmast krachte und brach. Nicht bes
ser ging es den andern beiden und bald
war der Rumpf des Schiffes ein Spiel
der ungeheuren Wellen. Der Capitän
stand auf dem Hintercastell und gab sei
ne Befehle, aber, obwohl er mit eiserner
Ruhe in dem wilden Kampfe der schreck
lichen Gewalten des Wasser und de
Sturmes stand, so mochte man es ihm
doch ansehen, wie er den entsetzlichen
Fall des Scheiterns mit jedem Augen
blicke näher kommen sah. Der Sturm
trieb Wellen und Schiff gegen die Felsen,
welche nnwrit des Hafens von Kirkwall
in Schottland aus dem Meer hervor
stehen. Jetzt befahl er, Nothzeiche durch
einige Kanonenschüsse u geben.
Ich weiß wohl, sagte der Capitän zu
seinem Steuermanne, daß unsere Noth
schüsse keinen Hund hinter dem Ofen
hervorlocken werden; aber es ist meine
Pflicht. Kaum war dies Wort über sel-
nen Lippen, als ein entsetzlicher Windstoß
das Schiff ergriff und es mit einer Ge
walt, die nichts über sich hatte, auf den
Felsen warf. Der furchibare Stoß, das
Krachen, der entsetzliche Ruck, Uesen kei
nen Zweifel mehr, daß Alles verloren sei.
Rasch sprang der Capitän an die Vcr
decklukeu. Heraus, rief er hinab, her
aus, sonst seid ibr Alle verloren!
Während die Matrosen das Boot
klappten und iu die schäumende See lie
ßen, löstte der Capitän im Kanoncndcck
eine Kanone nach der andern. Von Kirk
wall her antworteten jetzt drei Schüsse
und bald sah man ein großes Lootsen
boot, das sich, nicht die Gefahren achtend,
heran machte. Tröstend deutete der Ca
pitän auf das Boot. Das ganze Verdeck
stand voll jammernder Menschen. Er
und der Steuermann ließen zuerst die
alten Leute ins Boot und die Kinder.
Es kam glücklich durch die Felsen und
reichte den Hafen. Jetzt nahte das
Lootsenboot. ES war Zeit, dann da
lecke Schiff oder das „Wrack," wie es die
Seeleute nennen, senkte sich immer tieft
unter den Spiegel.
Spring hinab, Mädchen, sagte der
Capitän z Martha. Nette dich, es ist
bald vorüber.
Martha sah ihn lächelnd an. Nein,
sagte sie, an mir liegt nichts. Laß erst
die Audere gerettet ft>n.
Und sie trug Kinder und Seekranke
herbei, die nicht von der Spelle konnten,
und half ihnen das Boot erreiche. Das
Boot ist voll! riefen die Lovtseie.
Halt! schrie der Capitän, zehn Men
schen sind noch hier, wollt Ihr die um
kommen lassen?
Es ist voll! war die Antwort und sie
ließen los, und eine Welle schleuderte es
alsbald weit weg. Der Capitän sah dem
Boote nach, dann trat er an die Luke nm
nachzusehen, wie das Wasser stiege. Das
Wasser stieg mit ungeheurer Schnellig
keit im Raume des Schiffes und es zeigte
sich hierdurch klar, wie groß der Leck sein
mußte. Mit stets gleich bleibender Ge
walt warf das Meer seiner Wellen ganze
Wucht gegen die Seite, die, da der Halt
am Kiele gebrochen war, unmöglich mehr
länger Widerstand leisten konnte.
Er sah das Ende nahen und blickte mit
inniger Bewegung auf das liebliche We
sen, das mit einer unbegreiflichen Ruhe
in den Kampf der tobende Elemente
blickte. Er trat zu ihr. Kind, sagte er,
schade, daß wir sterben müssen. Tu ver
dientest, glücklich zu werde, und wollte
Gott, wir beträten glücklich das Land,
du müßtest. —Er stockte. Wozu so al
berne Rede, sagte er, sich selbst verbessernd.
Laßt uns beten, unsere Stunde ist da !
Er kniete nieder und Martha, die mit
Vertrauen ihm ins Auge blickte, der sich
immer so edel und menschlich benommen,
Martha kniete neben ihm. Bete du,
Kind, bat der Capitän, ich glaube, der
Herr erhört dein Gebet gewiß.
Martha fühlte sich mächtig erhoben.
Ihr Auge leuchtete. Sie begann das
schöne Lied zu beten: „Aus tiefer Noth
ruf ich zu dir, Ach Herr, erhör mein
Flehen" und voll gläubiger Hingebung
beteten es alle Knieende nach.
Als Martha ihr Amen gesprochen und
es alle wiederholt hatten, rief plötzlich
ein Matrose: Hurrah, ein Boot! Alle
sprangen auf und richteten ihre Blicke
dahin, wo des Matrosen Finger deutete.
Die Dämmerung war durch die wüthen
den Elemente früher gekommen ; aber so
viel konnte man doch noch durch das
Leuchten des weißen Gesichts der Wellen
wahrnehmen, daß ein Boot nahte. Es
war da Lootsenboot, das mit Todesver
achtung noch einmal dem Wracke zuru
derte. Nach unsäglichen Mühen nahte
es, und das hinabgcworfene Tau brachte
es au die Seite des Schiffes, die vom
Winde abgewendet war. Schnell war
fen sich die Matrosen hinein. Noch stand
Martha. „Willst du mit dem Schiffe
untergehen ?" fragte staunend der Capi
tän das heldenmüthige Mädchen. Ich
will die Letzte sein! sagte sie.
Da umfaßte sie der Capitän mit star
kem Arm und stieg in das schwankende
Boot hinab, das schnell in die See flog.
Kaum aber war es in einer geringen
Entfernung, so borst das Wrack und eine
Minute darauf war nichts mehr übrig
von dem schönen Schiff, das noch heut
bet Sonnenaufgang so stolz über die
Fluth hingetanzt war.
Das Boot rang mit den, stets mehr
sich hebenden Wellen, die Fahrt war um
so gefährlicher, als nun das Dunkel der
Nacht immer schneller sich auf Land und
See legte. Dennoch erreichten sie glück
lich da Ufer.
Aber welch ein Anblick bot sich ihnen
hier dar!
Zitternd vor Frost, Nässe und Kälte
lagen, saßen und standen die Auswan
derer, von Allem entblößt, um die weni
gen Feuer, welche man angemacht und
an denen nur die Alten und Kinder sich
erwärmen konnten. Indessen war der
Ruf de entsetzlichen Unglücks schnell
nach Kirkwall gedrungen und in die klei
nen Orte der Umgegend, und das Mit
leid war so groß, daß die guten Schot
ten mit Wagen nahten, um die armen
Lancaster, Pa. Donnerstag, November I, 18VV.
Schiffbrüchigen heim in ihre Wohnun
gen z holen; die Wagen reichten in
dessen nicht zu, Alle auf eiumal wegzu
führen. Auch hier hielt der Capttän
Ordnung, und mit Gewalt hob er Mar
tha auf den Wagen, die wieder hier die
letzte sein wollte.
Als der Wagen in Kirkwall ankam,
rissen sich die Leute schier um die Unglück
lichen. M rrtha mußte einer reichen Fa
milie folgen, die außerhalbKirkwalls auf
dem Pachthofe eine Adeligen wohnte.
Während die Wagen nochmals zurück
fuhren, trug sie ein leichtes Wägelchen
mit dem Pachter und seiner Frau, die
zufällig in Kirkwall gewesen, dem Hofe
zu.
So wenig die Ereignisse dieses Tags
ausMartha, äußerlich angesehen, gewirkt
zu haben schiene, so tiefeingchend war
indessen dcnnoch die Wirkung gewesen.
Der Gedanke, daß nun Alles verloren
sei, doß sie nicht einmal mehr ein Kleid
habe, um das nasse, was ihren Leib um
gab, zu trocknen; daß sie Amerika nun
und immer erreichen könne, erschütterte
sie unausiprechlich. Das war aber eben
ihr eigenthümliches Wesen, daß, je her
ber die Ereignisse auf sie stürmten, desto
weniger sich der innere Zustand äußer
lich bemerklich machte. Ihr höchster
Schmerz war ohne Thränen. Wer aber
ähnlich gcnaturt ist, weiß recht gut, wie
das innerlich nagt und verzehrt; w<e am
Ende die ganze Kraft bricht. Martha'S
Schmerz war nnr theilweise die Folge
der Erwäguna ihrer eigenen Lage. Sie
kvnntc ja wohl auch in England einen
Dienst finden, denn eine fleißige und
treue Hand läßt nicht darben; aber die
anderen Unglücklichen mit ihre Kinder
chen! Was sollte aus denen werde?
Es überlief sie eiskalt bei dem Gedanken.
Dies Ucberlansc kam aber auch von ei
ner äußern Ursache. Ihre Kleider wa
ren naß. Der Ostwind blies noch im
mer mit wahrhaft schneidender Schärfe
und vergeblich war es selbst, daß die gute
Pächter! ihren Mantel um sie schlug,
während sie ihrem Manne zurief, die
Pferde tüchtig laufen zu lassen.
Endlich erreichten sie den Pachthof.
Ter Ruf der Pächter! brachte schnell
weibliche Hülse herbei. Ihre Tochter
und eine Magd eilten herzu, Martha bei
zustehen ; aber die Arme war völlig starr.
Sie vermochte fast kein Glied zu rühren.
Man brachte sie in ein warmes Bett,
machte Feuer in das Kamin und ließ sie
Thee trinken, um sie innerlich zu erwär
men. !
Der erstarrenden Kälte folgte nun
bald eine glühende Fieberhitze, die mit
jedem Augenblicke wuchs. Gegen Mit
ternacht schon lag sie in wilden Phanta
siern. Sturm und Wogen, Brand und
Tod, Veinhard's Untreue und die Noth
der Schiffbrüchigen, zerstörte Hoffnungen
und tiefes Leid um die verlassene Hei
math, das Alles wogte bunt in ihrer
Seele durch einander und gestaltete sich zu
den wildesten und entsetzlichsten Traum
bildern. Bald sprach sie lange und laut;
bald wollte sie auf, alle dem Weh entrin
nen und Ruhe zu suchen im Grabe. —
Trauernd standen die Frauen des Pach
terhauscö um das Bett der schönen Kran
kn,, nm sie in demselben zurückzuhalten.
Hätten sie ihre Sprache verstanden, sie
hätten tief hineinschauen können in das
gequälte Herz. Sie hofften, gegen Tag
würde sich d>e Aufregung des Fiebers
lindern und hielten das Alles für einen
Ausbruch zurückgehaltenen Leidens und
die Folge heftiger Erkältung. Der sichere
Blick eines Arztes würde darin den An
fang einer schweren Krankheit erkannt
haben. —
Während sich dies auf dein Pachthof
zutrug, waren in dem edelsten Wetteifer
christlicher Liebe und Milde auch die
übrigen Unglücklichen alle untergebracht
und hatten fürs Erste wenigstens Obdach
und Nahrungsmittel gefunden.
Mit großer Selbstaufopferung hat
der edle Capitän für Alle gesorgt, ehe er
an sich selber dachte. Ihn und seinen
Steuermann nahm der Hafencommissär
in sein Haus auf.
Mit großer Theilnahme wurden die
Heiden Verunglückten hier behandelt;
aber in des CapitänS Seele lag eine
Sorge, die an ihr nagte, die Sorge um
Martha; denn, mochte er sich's gestehen
oder nicht, das Mädchen hatte einen Ein
druck auf ihn gemacht, wie niemals ein
weibliches Wesen. Wo sie hingekommen,
blieb ihm vorerst noch dunkel; allein die
Beruhigung hatte er doch, daß sie sicher
lich auch versorgt worden sei und milde
Herzen werde gefunden haben.
Kaum graute der Tag, so war er auch
schon auf. Unter dem Vorwandc, nach
den Verunglückten zu sehen und sich zu
überzeugen, daß auch nicht Eins umge
kommen sei, verließ er das Haus. Ei
gentlich war es die Sorge um Martha.
Ueberall, wo Schiffbrüchige untergebracht
waren, forschte er selbst; aber nirgenS
fand er sie. Eine namenlose Angst er
füllte seine Brust. Wo war sie hinge
kommen ? I welche Hände war sie
gerathen?
Endlich gelang cS ihm, der englischen
Sprache kundig, zu erfahren, daß sie der
Pächter Wilson mit auf sein Pachtgut
genommen habe.
Der Capitän war der Sohn eines rei
chen Mannes in Bremen; er hatte de
Secdienst aus Neigung erwählt und war
durch seine Kenntnisse und Tüchtigkeit
schnell zum Capitän aufgestiegen. Das
HauS seines Vaters trieb Handel mit
England, darum war cS ihm nicht im
Mindesten bange um seine Rückkehr nach
Bremen. Er schrieb schnell nach London
an seines Vaters Geschäftsfreunde, icl
detc den Schiffbruch und bat um die
nöthigen Geldmittel zu seinem Unterhalt
und seiner Rückkehr nach Bremen. Nach
dem dies unabweisbare Geschäft beendet
war, eilte er Ms den Pachthof.
Wie entsetzte er sich, als er Martha
schwer erkrankt und noch immer in den
verworrenen Träumen befangen fand.
Sie kannte ihn nicht.
Ohne sich aufzuhalten, fuhr er nach
Kirkwall zurück, um den Arzt zu holen.
Dieser zuckte die Achseln und nieintc, ei
Ncrvcnfitbcr sei im Anmärsche. Heftig
crschrack der Capitän über diese Nach
richt, allein in seiner Seele stand schon
geschrieben - Du darfst sie nicht verlassen,
komme es auch, wie es wolle!
Er wurde uun schnell mit den guten
Pachtleuten einig um seine Wohnung
und Bcrköstigung, und blieb bei Martha.
Tag und Nacht wich er nicht von ihr.
Es war, als ob das Bedürfniß des Scbla
feS seiner Natur gar nicht angehöre.
Jeden Löffel Arznei gab er ihr und nur
das, was nur weibliche Bedienung
leisten konnte, trat er an die Frauen ab.
Eine ganze Woche lag sie in de wilden
Ficberträunien, und erst als diese auf
dörten und nun eine Schwäche eintrat,
die nicht einmal das Tageslicht ertrage
konnte, gab der Arzt Hoffnung.
Als er dem junge Manne dies sagte,
war dieser ganz außer sich vor Freude.
Er umarmte den Arzt und wußte gar
nicht, wie er ihm seine Liebe, Dankbar
keit und Frcude ausdrücke sollte.
Als ihn Martha zum ersten Male an
ihrem Bett sah, fuhr sie auf, rieb sich die
Stirn, als wolle sie sich Gedanken ber
bcirufcn, die sie verlassen zu haben schie
nen. Endlich sah sie ihn mit einem
Lächeln an, das deutlich genug sagte,
daß sie ihn erkannt habe nd ihn gern
an ihrem Bett sähe.
Kennst du mich, liebe Martha? fragte
er so liebevoll, daß ein leichtes Erröthen
über ihre bleichen Wangen flog. Sic
nickte lachend.
Erinnerst du dich des Augenblickes,
wo du betetest, als wir alle den Tod vor
uns sahen? fragte er weiter. Sic nickte
wieder.
Er faßte im Ucbermaaßc seiner Freude
ihre Hand und sagte: arme gute Mar
tha, du hast viel gelitten?
Sie ließ ihm ihre Hand. Sie wollte
reden, aber vermochte cS nicht.
Da neigte er sein Ohr an ihren Mund,
und nun hauchte sie die Frage : Wie
geht cS unseren Schicksalsgenossen?
Gut, sagte der Capitän und erzäblte
ihr nun wie die guten Leute dieser Ge
gend so freundlich für sie sorgten und
wie sich eine Gesellschaft gebildet habe,
die Geld sammle, um sie entweder ach
Amerika, oder nach Deutschland zurück
zubringen.
Diese Nachricht erheiterte ihr Antlitz
wunderbar, und sie schien ihre Lage über
der jener Unglücklichen ganz zu vergessen.
Von nun an schritt ihre Genesung
sichtlich, wenn auch sehr langsam, voran.
Auch jetzt verließ sie der Capitän nicht,
und als sie in den letzten Tagen des April,
die so mild wie Maitagc waren, die fri
sche Frühlingsluft athem sollte, da fübrte
er sie an seinem Arme in den Garten,
und die heißesten Dankgcbctc stiegen aus
seiner Seele zum Himmel auf für ihre
Genesung.
Capitän Bäcker, so hieß er, fühlte es
in seines Herzens innerstem Grunde, daß
er ohne dies Mädchen nicht sein, nicht
leben könne; aber er war zu edel, jetzt
schon ihr damit die Ruhe zu rauben. —
Er schwieg; allein sein Thu, sein gan
zcs Benehmen redete lauter und bestimm
ter von dem, was in seiner Seele vor
ging, als es Worte hätten thun könne.
Konnte solche hingebende Liebe ohne
Wirkung auf Martha'S Herz bleiben?
Dankbarkeit war und ist viel tausendmal
die Brücke der Liebe gewesen. Sie war
es auch hier. Wie hätte Martha ohne
Liebe für ihn bleiben können, der nur
für sie lebte? der die Rückkehr zu seinen
Eltern aufgab, um bei ihr zu verweilen ?
Einst, als er wieder bei ihr im Garten
saß und ihre Hand hielt, sagte sie: Ach,
Herr Capitän, wie kann ich armes Bau
ernmädchen Ihnen danken, was Sie an
mir thun?
Martha, sagte er, sag' nur einmal,
daß Du mir gut bist, und ich tzin der
Glücklichstein der Welt!
Wie könnt' ich Ihnen bös sein? flü
sterte sie mit züchtigem Erröthen.
Er preßte ihre Hand an sein Herz,
Martha, rief er aus, sieh', hier versteht
Niemand die Laute, die wir reden, als
Gott, der uns sieht und mein Herz kennt;
bet Ihm schwöre ich es Dir, daß ich nie
mehr Dich missen kann. Martha, willst
Du, wenn Gottes Gnade Dich genesen
laßt, mein liebes, treues Weib wcrden ?
Martha erbleichte. Ach, mein Gott,
rief sie aus, was reden Sie? —lch, das
bettelarme Baucrnmadchen, ihr Weib?
Nein, Herr Capitän, das geht nicht!
Kind, rief er da ans, hast Du icbt
eben gesagt, D seist mit gut? Stoße
mein Herz nicht von Dir, wenn Du mich
nicht elend mache willst! O sprich Ja,
meine Martha! flehte er aus tiefster
Seele und
Da hat Martha nicht anders gekonnt,
weil das eigene Herz sie hinriß, und hat
Ja gesagt und vor Gottes Angesicht ha
be sie sich darauf verlobt, und die Pach
terfamilic bat'S gar nicht Wunder ge
nommen, als Capitän Becker ihr sagte:
Martha sei seine Braut, denn die hatten
alle längst weg, wie es Jeder weggehabt
baben würde, der nicht stvckblind gewe
sen wäre.
Nun schrieb der Capitän erst Alles
seinem Pater nach Bremen. Der kannte
seinen Solm und wußte im Voraus, daß
es ein Absonderliches mit diesem Mäd
chen sein müsse, für das er in einem so
hoben Grade eingenommen sei. Auf
.Reichthum brauchte er nicht zu sehen,
denn Gott hatte ihn reichlich gesegnet
mit irdischen Gütern, und er war auch
keine so cingcdörrte, pfenningdurstige
Krämerseele. Daher schrieb er denn
seine Einwilligung nach Kirkwall, be
sorgte das kirchliche Aufgebot und reiste
dann selber hinüber nach Schottland,
der neuen Tochter seinen Vatersegcn zu
bringen.
Als er Martha sah nd kennen lernte,
war er ganz für sie eingenommen, und
schrieb seiner Frau ach Bremen: „Unser
Fritz hat seiue Perle gcfunhen, wie's
kaum mehr eine zweite gibt. Freue Dich,
Mutter, und danke mit mir Gott. Tu
kannst nd wirst stolz sein mit Deiner
Schwiegertochter, der man das einfache
Baucrnmädchcn ans Wcstphalcn kaum
anmerkt."
Nu ist denn die Hocbzcit gefeiert wor
den und daraus sind sie nach Bremen ab
gereist und baben die glückliche Tochter
der frobcn Mutter gebracht, daß sie sie
auch segne. Und schon nach acht Tagen
sagte sie zu ihrem Manne: Du hast recht
gehabt, Fritz hat eine Perle gefunden!
llud der wußte es auch und trug seine
Martha auf den Händen. Ihrem Wun
sche folgend, reiste er mit ihr noch in die
sem Sommer in die münsterlandische
Hcimath und da sah ich sie wieder und
muß es Euch sagen, sie war noch schöner,
noch lieblicher als früher, und das Glück
leuchtete aus jedem ihrer Züge.
Siehst Du, meine liebe Martha, sagte
ich, wie wahr das heilige Wort ist, daß
das Gebot : Ehre Vater und Mutter, die
Verheißung des Herrn hat! O, das
täuscht nicht und cö kommt heute oder
morgen in reichem Maße der Segen der
Verheißung, und der Eltern Segen baut
den Kindern Häuser.
Sic drückte meine Hand und barg das
weinende Auge an des Gatten Brust.
'Richt wabr, fragte ich, Du willst aber
auch nun nicht mehr nach Amerika ?
Nein, sagte sie, unter der noch rollen
den Tbräne lächelnd. Auch mein guter
Becker hat den Seedienst mir zu Liebe,
aufgegeben. Ach, ich stürbe, wüßte ich
ikn in solche Gefahre, wie ich sie selbst
kennen gelernt habe.
Nein, nein, sagte ihre Wangen strei
chend, ihr Gatte, ich will als Kaufmann
nnn eine rechte Landratte werden ; denn
so nennen die Seeleute die, welche auf
dem festen Lande lebe. Mit mir gingst
Du ja doch nicht zur See, und ohne Dich
müßte ich zu Grunde gehen.
Sic blieben acht Tage, und da hab'
ich denn diese Geschichte gehört und in
das Wort ecs CapitänS eingestimmt, der
zu mir sagte: Seit den letzten Jahre
habe ich fünfmal Auswanderer nach
Amerika überführt > abrr immer habe
ich, wenn ich Zeuge war, wie das Elend,
das Heimweh, die Betrügerei der schlech
ten Amcrikancc die Arme empfing und
heimsuchte, gedachte: O, bleibt ihr im
lieben Vaterlandc; da ist noch Raum für
brave, fleißige Leute, und auch Brod!
Und darauf sind denn die beiden
Glücklichen wieder nach Bremen gereist,
wo es ihnen wohlgeht. Aber die armeü
Auswanderer, wie ging'S denen? Ja,
da sind Viele in England geblieben, wo
sie gute Unterkunft fanden ; Andere wur
den reichlich unterstützt und kamen nach
Amerika, wo freilich wenig Fettaugen
aus ihrer Wassersuppe schwimmen ; noch
Andere kehrten in ihre Hcimath zurück
und sind arme Leute und wcrden's auch
bleiben.
Von dem Bernhard muß ich Euch aber
sage, daß cS, seit Martha weg ist seine
Frau ihn nicht mehr mit ihrer stete Ei
fersucht quält, besser geht. Er hat sein
Herz überwunden. Nu, seine Frau ist
so schlimm nicht aber sie ist keine
Martha.
—(Betrübter Gatte am Sterbebette
seiner Frau.)
Christine, stirbst Tu?
Ach, ja
Wann?
Ja, das wois i nit!
Verschiedenes.
Die Verunglückten de Dampfer
..Gveninq Star".
Wohl noch niemals ls ein Dampfer unt
gtgangen, auf welchem soviel bekannte Persön
lichkeiten verunglückten, wie da bei dem Eve
ning Star der Fall war. Die Passagiere nd
die Mannschaft zählten im Ganzen 278 Köpfe,
die Mannschaft 59. Unter den Kajütenpassa
gieren fand sich eine ganze CircuStruppe von
1! Personen, wovon manche auch in Philadel
phia wohlbekannt sind: Fern die Truppe einer
französischen Oper von 51 Personen, welche un
ter Paul Athazia von Paris nach New-Zlork
gekommen und von da mit dem Dampfer nach
Nrw-OrleanS abgegangen waren. Außerdem
befand sich darauf die berüchtigte MrS. Cun
ningham, welche des Mordes von Dr. Burdell
zu Niw-Aork verdächtig war, aber freigesprochen
wurde,
Unsere Leser werden sich der schrecklichen
Mordgeschichlc und des Umstände noch wohl
erinnern, daß auf MrS. Cunningham schwerer
Verdacht lastete, der auch nicht durch ihre Frei
sprcchung beseitigt wurde. Spät hielt sie sich
in San Francisco auf, wo ihr Lebenswandel
keineswegs cremplarisch war; zuletzt lebte sie
in Ncw-Orleans, wo sie ein feines H hau
hielt. Sie hatte eine Reise nach Philadelphia,
Baltimore, Boston und New-Zork gemacht und
30 junge Mädchen für ihr Haus engagirt-
Der Tod hat ihrem skandalösen Leben und ihren
Verbrechen ein Ende gemacht und mit ihr zu
gleich alle ihre „Damen" binweggerafft. MrS.
C. war als MrS. Burdcll im Schiffsregister ein-
Unter der CircuSrruppe, welche von einem
jähen Untergang ereilt wurde, war Miß Julia
Mortimer, eine ebenso schöne wie talentvolle
Sängerin, Schauspielerin und Tänzerin, eine
gcborne Philadelphierin, welche vor einigen
Jahren in einem Concertsalon in Nrchstreet un
der 7en Str. spielte. Die Schwestern Millie,
Clara, Louise und Emma Fowlcr waren be
kannte Tänzerinnen, Schauspielerinnen und
Sängerinnen, namentlich Millie, die schönste
von ihnen, welche im letzten Frühjahr zu Phi
ladelphia im Amcrican-Theater auftrat.
Mit Millie ging ihr Liebhaber, Mr. William
Dawion, der Sohn seines reichen Bankiers zu
Philadelphia, unter, beide hielten sich bei der
Katastrophe fest umschlossen. Die Geschwister
Jowler waren von englischer Herkunft und von
18 bis 21 Jahre alt ihre Mutter, die erst
kürzlich von England kam, lebt in Philadelphia.
Im Ganzen waren nicht weniger als 81
Künstler (Sänger, Tänzer, Schauspieler, Ak
robatcn etc.) auf dem Dampfer, von denen nur
zwei gerettet sein solle. Unter den Verunglück
ten sind noch manche bekannte Namen, wie die
Nicolo Truppe, die Gebrüder Talleen (Aeroba-
Göttliche Justiz.
I Gott ist langmüthig und geduldig ;Er str.isi
die Sünden der Menschen nicht immer sogleich
ach verübter That. Er ist aber auch gcr ech t
und übt Gericht an Denen, die muthwillig in
ihren Sünden beharre und seine Strafgerech
tigkeit freventlich herausfordern. Solches bc
wcist der außerordentliche Fall de Gottesläste
rers Lubenheimer in Chicago, wie wir in der
vorletzten Nummer der „Pa. StaatS-Zeitung"
den werthen Lesern mittheilten. Diesmal
aber haben wir ein zweites Subjekt, Namen
Thompson, de Gott noch viel schlimmer strafte
als den elenden Lubenheimer, und wir hoffen,
daß das folgende SchreckenS-Bild allen Lästerer
zur Warnung dienen; denn, „irret Euch nicht,
Gott läßt sich nicht spotten!": Thompson, der
durch ein schweres Gottesgericht auf schreckliche
Weise heimgesucht wurde, ist sei vier oder fünf
Jahren im Zuchthaus in Pittsburg gewesen,
worin er wegen PferdediebstahlS verurtheilt
worden. Er besaß eine kräftige Constitution,
war sehr belesen und verständig, jedoch ein oll
ständiger Ungläubiger, der bei allen Gelegen
heiten sich einer sehr gotteslästerlichen und ge
meinen Sprache bediente. Er war im Zucht
gleiche Geschäft betrieb. Während der Arbeit
Mutter eine Christin sei. Da dieser es bejahte,
gcgnel wurde, daß wenigstens der göttliche Cha
rakter des Stifters des Christenthums klar in
der Bibel erwiesen sei, da sing er an zu lästern
in teuflischem Grimme über Jesum Christum
und gab seiner Mutter inen Namen, wie ihn
selbst der verkommenste Mensch nicht einmal
gegen da gesunkenste Weib gebrauchen würde.
Er hatte aber kaum das Wort gesprochen, so
sank er vom Stuhle, war sprachlos und gelähmt.
Ein Arzt wurde gerufen, doch ermochte der
selbe nicht zu helfen, denn hier spottete der Zu
stand jeder ärztlichen Kunst. Einige sagten, er
sei vom Schlage gerührt, während Andere be
mcrklen, die Hand des Allmächtigen habe ihn
getroffen. Da lag nun der elende Gottesläste
rer mit herausgetriebenen Augen, geschwollener
Zunge und steifen Gliedern und nach 21
Stunden in solchem schrecklichen Zustande er
brach, trat er vor seinen so furchtbar gelästerten
Richter. Wieder hat also der „Galiläer" ge
siegt. seine Ehre vertheidigt und die Beleidigung
so plötzlich und sichtbar gerächt, welche Ihm zu
gefügt worden ist.
Unmenschliche Behandlung eine
K indes. Jane Blaker, eine Bewohnerin
von Frankford, Philadelphia, war vorAlderman
Holme auf die Anklage der schlechten Behand
lung ihres Stiefkindes, eine ungefähr 13 lah
re alten Mädchens. Einige zwanzig in ihrer
Nachbarschaft wohnende Zeugen sagten aus, daß
Frau Blaker das Mädchen zu schlagen pflegte -
Manchmal warf sie dasselbemit dem Kopf gegen
den Boden. Vergaugeflen Winterzwang sie das
Kind, in einem beinahe nackten Zustande in den
Hof zu gehen, das Eis in einem Fasst zu zer
brechen und sich zu waschen. Das Kind ist so
unmenschlich behandelt worden, daß aus einem
schöne, intelligenten Mädchem beinahe eme
Idiotin geworden ist. Der letzte grausame Act,
den die teuflische Stiefmütter beging und der die
Ursache des Unwillens der Nachbarn war, bestand
darin, daß sie da Mädchen mit einen schweren
altschlegel schlug. Die Angeglagte wurde un
ter HARR Bürgschaft für einen Prozeß ge
stellt.
Nro. RS.
Der Krieg am La Platte.
Die Alliirten haben zwar kleine Vortheile
errungen, im Ganzen sind sie jedoch seit ihrem
Uebergang über den Parana um keinen Schiiii
weitergekommen. Sie fanden den heftigsten
Widerstand Seiten der Paraguayan welche
ihren Gewalthaber Lopez enthusiastisch verehren.
Die Parana-Uf in Paraguay boten den vor
dringendenAlliirten enorme Schwierigkeiten dar:
unermeßliche Sümpft und nndurchdringliche
Wälder durch welche nur wenige Straßen füh
ren, die von den Paraguayanern erbarrikadlrt
sind und hartnäckig vertheidigt wurden, machten
jede Vorwärtsbewegung unmöglich, während
die Paraguuyaner bald hier bald dort angriffen
und namentlich ihre Flußfestungen Humaita,
welche stark befestigt ist, vor jedem Ueberfall
deckten.
Jetzt kommt noch der üble Umstand hinzu daß
die Alliirten durch Sumpffieber, Blattern ic.
außerordentlich leiden, während die Paraguay
ziemlich frei davon oder an jene Niederungen
gewohnt sind. In Corrirnte sollen 80M Al
liirten in den Hospitälern liege.
In Paraguay ist Jedermann im Kriegsdienst,
die Frauen bestellen das Feld und hüte die
Heerde. Die beiden Heere liegen so nahe vor
einander, daß es fast täglich zu Picketfenern und
zu Scharmützeln kommt, wobei die Paraguaya
er als vorzügliche Schützen stets im Vortheil
bleiben. Bei Tag und Nacht werfe sie Bom
ben in das Lager der Alliirten. Am meisten
erbittert sind sie auf die Brasilianer, denen sie
ewigen Haß geschworen haben, während fie den
Argentinern schon oft Frieden nd Freundschaft
anboten, wenn sie sich von den Brasilianern tren-
Die Paraguays sind außerordentlich stark
verschanzt; sie wissen mit Hacken und Spaten
wohl umzugehen und haben sehr fähige Inge
nieure. Abrr auch die Alliirten sind emsig wie
die Bienen und arbeiten tapfer darauf los.
Die Alliirten erhielten Verstärkung durch den
brasilianischen General Baron Port Alegro,
der durch Brasilien marschirte und 12,000 Mann
mitgebracht hat. Die Paraguayan sollen bis
jetzt 30,000 Man verloren habe, die Alliirten
20,000 —25,000 Mann. Der Krieg ist dem
nach ein höchst blutiger und furchtbarer. Na
mentlich fallt auf, daß so viele verwundete Afliir
te an der Mundsperre sterben, weshalb man auf
den Verdacht kam, daß die Kugeln und Bayonet
te der Paraguay ergiftet wären.
In der argentinischen Republik hak der Pro
test von Bolivia und Peru, den auch Chili bil
lig, gegen den Angriff auf Paraguay große
Sensation gemacht; doch ist man überzeugt,
daß die Pacisic Republiken dem angegriffene
Lande wohl moralische aber keine Militärhülfe
leisten können. Sensation machte auch die
Abreise von Hon. E. Washburne, Gesandter
der Ver. Staaten für Paraguay welcher in
dem Ver. St. Kriegsschiff Shamokin den Fluß
hinaufgehen will, um seinen Bestimmungsort
zu erreichen, nachdem er ein ganzes Jahr zu
CorrienteS vergebens auf eine Reisegelcgenhcit
gewartet hatte. Man glaubt, daß der brasilia
nische Admiral dem Kriegsschiff die Passage
nicht gestatten werde. Aber Capt. CroSby vom
Shamokin, der in der Mobile Bai die Torpe
dos anffischte, wird sich wenig um derartige
Befehlt kümmern. So wenigen hoffe die
warten, daß daraus Verwicklungen zwischen der
argentinischen Republik und Brasilien und de
Ver. Staaten entstehen werden.
Gräßlich.—Der EvanSvilleDemokralvom
11. Oct. sagt t Gestern besuchte uns auf un
serer Office ein junger Deutscher, Namens Bach
um, welcher als Soldat im 2tenV. Staaten
Dragoner Regimente in Utah von den Indian
ern auf die entsetzlichste Weise verstümmelt
wurde. Nachdem der Unglückliche, in einem Ge
fechte 1 Kugeln erhalten hatte, schnitten hm
die rothen Teufel die Zunge aus entmannten
ihn und schnitten ihm sämmtliche GelenkSmuS
keli> durch, so daß der Acrmste jetzt nicht sprech
en noch sich ohne Hülfe bewegen kann. Wirun
ter hielten uns mit ihm schriftlich u. da er früher
Schriftsetzer war, wurde ihm diese Art der Un
terhaltung durchaus nicht schwer. Der ar
me junge Mann war gänzlich von Mitteln ent
blößt, wollte aber von uns nur das Reise
geld nach Mt. Veruon geliehen annehmen,
da er, wie er sagte, selbst nicht unbemittelt
sei und sich zu bettelt schäme. In M. Ver
na wohnt ein Schwager de armen mißhandel
ten Mannes, Namens Ottendorf, den er zu
nächst zu besuchen beabsichtig.
Furchtbar. In einm böhmischen
Dorfe nächst Proßnitz, hatte der Bauer Georg
Zeck aus Furcht vor den Preußen seine grau
und zwei Kinder in einen Keller vermauert und
nur mit wenigen Lebensmitteln versorgt. Als
jedoch die Preußen in dem Dorfe einzogen, re
quirirten sie den Bauer mit seinem Pferden.
Drei Wochen zog er nun mit der preußischen
Armee umher und wurde erst vor wenigen Tagen
entlassen. Bei seiner Rückkehr fand er im Kel
ler grau und Kinder verhungert und von Ratten
aufgefressen.
Französisch KriegS-Marin e. Am
l. Januar 1866 brstand die französische Kriegs
flotte aus 167 Fahrzeugen mit MI Kanonen.
ES befinden sich darunter 339 Dampfschiffe mit
1995 Kanonen und 96,397 Pferdekräften, näm
lich 2 gepanzerte Linienschiffe, l Panzerfregat
ten t Panzereorvette, 1 Panzerküstenschiff, ferner
2 schwimmende Batterien, 36 Linienschiffe, 36
Fregatten, worunter 23 mit Schrauben und 19
mit Schaufelrädern, 19 Eorvetten, worunter 12
mit Schrauben lUI AvisoS, worunter 8 mi,
Schrauben, 20 Schraubenkanonenboote 23
Radkanonboote, 8 SchraubenlranSportschiffe
md 3 andere Dampfer. Die 128 Segelschiffe
bestehen aus einem Linienschiffe, 13 Fregatten,
5 Sorvetten. 12 Briggs, 6) kleineren Fahrzeu
gen und 20 Transportschiffen. Die Schiffe,
welche den Dienst in den Häfen ersehen, femer
! hie welche noch im Bau begriffen sind, sind nicht
mit in Rechnung gebrach.
Die Folgen schlech t e r Ge s e ll
sch aft. —Herr William M. Barlo, ein Ad
vokat aus Philadelphia, welcher nach NewAork ge
gangen war, gerieth daselbst in eins jener be
rüchtigten Kellerlokale am Broadwap, wo man
HI für eine Flasche Wein zahlen muß und da
für eine sehr locker gekleidete „Jungfer" auf sei
nein Schooß sitzen lassen kann und die natür
lich auch jedesmal Eins mittrinkt. Herr B.
war auch in die Hände einer solchen Schönen ge
langt, und diese stahl ihm Uhr, Kett und HM)
in RegierungSpapieren. Für Solche wel
che sich nach New Zork begeben wollen, wird dies
ine Warnung sein,